Die 38-jährige Angeklagte (hier vor dem Beginn der Verhandlung am Donnerstag) war nach dem Urteilsspruch in Tränen aufgelöst. Foto: dpa/Julian Rettig

In dem Prozess um eine am 20. Juli ermordete 68-jährige Dobler Unternehmerin hat das Tübinger Landgericht ein Urteil gefällt. Gegen beide Angeklagten verhängt es wegen gemeinschaftlichen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe. Eine besondere schwere der Schuld kann es jedoch nicht erkennen.

Als der vorsitzende Richter Armin Ernst im Schwurgerichtssaal am Tübinger Landgericht am Donnerstag um elf Uhr das Urteil im Prozess um eine ermordete Dobler Unternehmerin verlas, war das Strafmaß schnell klar. Beide Angeklagten – die 38-jährige ehemalige Prokuristin des Unternehmens und ihr 30-jähriger US-amerikanischer Lebensgefährte – wurden jeweils zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dazu müssen sie die knapp 41.000 Euro an veruntreuten Unternehmensgeldern zurückzahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Finanzdelikte

Richter Ernst sprach von einer „toxischen Beziehung“ des Paares, die die „unbescholtene Frau“ aus einem bürgerlichen Leben bis in die „Mittäterschaft in einem Mord“ gebracht habe. Zu den Finanzdelikten fasste sich Ernst kurz, beide Angeklagten hatten diese vor Gericht gestanden. Zu sieben Zeitpunkten hätten sie über „Fake-Rechnungen“ Gelder aus dem Unternehmen auf private Konten überwiesen – insgesamt knapp 41.000 Euro, davon gut 12 .000 Euro nach dem Mord.

Die Angeklagte habe hierfür ihre „besondere Vertrauensstellung“ als Prokuristin missbraucht. Ihr Lebensgefährte sei „Gehilfe“ gewesen. Dafür bekamen beide pro Finanzdelikt eine mehrmonatige Haftstrafe. Diese fällt allerdings nicht ins Gewicht, weil das Gericht für den gemeinschaftlichen Mord lebenslänglich verhängte.

Gemeinschaftlicher Mord

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten aus Verdeckungsabsicht – also um ein Auffliegen der illegalen Überweisungen zu verhindern – den Mord an der Unternehmerin im Frühjahr 2022 geplant hatten. Dieser Plan sei zudem mit Querelen um die Zukunft der Firma zusammengefallen. Die Belegschaft wollte, dass die Unternehmerin die Geschäftsführung abgibt, was diese bis zu ihrem Tod nicht tat. Nach einer Übergabe hätte die Angeklagte zusammen mit zwei anderen Prokuristen als Geschäftsführerin fungiert. Und so das doppelte Gehalt bekommen.

Auch weil die Übergabe ausblieb, hätte das Paar den Plan gefasst, dass die Unternehmerin „auf anderem Weg“, also durch eine Ermordung aus der Firma geschafft werde. Dafür hätten sie „diverse Vorbereitungen getroffen“. Zweimal habe die Angeklagte ihrem Lebensgefährten den Standort der Unternehmerin mitgeteilt und ihm einmal ein Bild zur Identifizierung geschickt. Dazu hätten beide erfolglos versucht, Schusswaffen zu kaufen.

Der Angeklagte habe das Wohnhaus der Unternehmerin durch mehrere Besuche „intensiv“ ausgekundschaftet. Am 20. Juli habe er um 20.03 Uhr das Haus betreten – wie genau, sei unklar. Das arg- und wehrlose Opfer habe er direkt angegriffen, erst mit Faustschlägen und es dann gewürgt. Als sie besinnungslos im Flur lag, habe er die Unternehmerin mit einem Messer attackiert und ihr schließlich die Kehle durchgeschnitten. Nach sieben Minuten habe er das Haus verlassen und sei nach Hause gefahren.

Beweise

Ernst verwies auf DNA-Spuren des Angeklagten und Blut des Opfers an gefundenen Einweghandschuhen, passende Schuhabdrücke am Tatort, Funkzellendaten, die Überwachungskamera am Eingang des Hauses, Zeugenaussagen, den Suchverlauf (der Angeklagte hatte noch vor Auffinden der Leiche nach einem Mord in Dobel gegoogelt) sowie den E-Mail- und Chatverkehr der beiden Angeklagten. Die Unternehmerin habe zudem von den Veruntreuungen gewusst und dies der Prokuristin am Tag vor der Tat mitgeteilt, was die Verdeckungsabsicht untermauere.

Die Versionen der beiden Angeklagten – er sprach von einem eskalierten Streit, sie bestritt eine Beteiligung am Mord – hielt Ernst durch die Beweise für „widerlegt“. Auch seien beide laut psychiatrischem Gutachten voll schuldfähig. An seiner Täterschaft hatte Ernst „keine Zweifel“. Die Angeklagte habe mitgewirkt. Ohne sie hätte er die Adresse nicht gehabt, sie habe den gescheiterten Waffenkauf unterstützt und ihrem Partner gesagt, wo die Kameras am Haus in Dobel seien. Außerdem forderte sie ihn auf, Handschuhe zu tragen. Zudem habe sie ein „massives Interesse am Tod“ der Unternehmerin gehabt.

Revision

Habgier als Mordmerkmal schloss Ernst jedoch aus, Heimtücke stellte er aber fest. Auch die, von der Staatsanwaltschaft geforderte, besondere Schwere der Schuld konnte er nicht erkennen. Der Angeklagte nahm das Urteil regungslos hin und ließ sich gleich danach abführen. Die Frau weinte während der Verlesung und war zum Schluss komplett in Tränen aufgelöst.

Ihre Verteidiger hatten für den Mord wegen fehlender Beweise für eine Beteiligung einen Freispruch gefordert. Nach dem Urteil kündigten sie an, in Revision zu gehen. Gleiches hat auch der Verteidiger ihres Lebensgefährten vor. Er hatte wegen eines fehlenden Tatplanes auf Totschlag plädiert und wolle das Urteil und dessen Begründung nun auf Fehler untersuchen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.