Weiterfahren oder absteigen? Das ist (nicht mehr) die Frage. Die Genehmigung gilt weiter – es soll aber verstärkt auf das Einhalten der Schrittgeschwindigkeit hingewiesen werden. Foto: Riesterer

Am Ende war es so knapp wie es nur sein kann: Mit 14 zu 13 Stimmen entschied sich der Gemeinderat, dass Radfahren in der Hauptstraßen-Fußgängerzone weiterhin erlaubt ist.

Denn es gehe gar nicht darum, ein Verbot auszusprechen, erinnerte Straßenverkehr-Abteilungsleiterin Cornelia Penning am Donnerstag im Gemeinderat; Radfahren ist in Fußgängerzonen – der Name lässt’s vermuten – an sich ohnehin verboten. In Schramberg ist es seit einem einjährigen Test im Jahr 2012 aber per Sondergenehmigung und mit Verweis auf das Einhalten der Schrittgeschwindigkeit erlaubt. Seitdem sei nie groß was passiert, bekannt seien ein Beinahe-Unfall 2021 und nun der Unfall Anfang Juli.

Das Erlaubnis-Schild „Radfahrer frei – Schrittgeschwindigkeit“ soll durch ein größeres Exemplar des „Fußgänger haben Vorrang“-Plakats unterstützt werden. Foto: Riesterer

Fußgänger sollen „kein Freiwild“ sein, sich frei bewegen können und wohlfühlen, so Penning, weshalb die Öffentliche Ordnung so oft es gehe vor Ort kontrolliere. Der Radbeauftragte Gunnar Link habe vorgeschlagen, verstärkt auf Rücksichtnahme und das Einhalten der Schrittgeschwindigkeit hinzuweisen und erst nach einer Testphase – bei keiner Besserung – zu reagieren. Die Verwaltung aber schlug vor, die Erlaubnis wieder zu entziehen.

„Herz des Wohlfühlens“

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr erklärte: Die Fußgängerzone solle für das genutzt werden, wozu sie gedacht sei. Die Fußgänger als schwächste Verkehrsteilnehmer müssten geschützt werden. Der Unfall im Juli, betonte sie, sei nicht alleiniger Anlass, sondern viele Meldungen aus Bürgergesprächen. Bummeln und Flanieren im „Herz des Wohlfühlens“, so Eisenlohr, müsse sicher sein.

Statement der Polizei

Polizeirevier-Leiter Jürgen Lederer unterstrich dies. Er argumentierte, dass Schrittgeschwindigkeit einzuhalten fahrerisch schon nicht einfach sei. Sich an jene zu halten oder einfach abzusteigen und zu gehen, mache keinen Geschwindigkeits- oder Zeitunterschied. Zudem könne das Radfahren an sich gut und nachvollziehbar kontrolliert werden – Geschwindigkeiten nicht.

Polizisten sehen Kontrollen skeptisch

Die Fraktion hätte intensiv zu dem Thema diskutiert, sagte Barbara Kunst (CDU). Viele Unfälle seien bisher nicht geschehen („Ohne die Geschehenen kleinreden zu wollen“) und man erkenne ja, wenn viel los sei und man vorsichtig sein muss, plädiere sie deshalb für den Appell zu Rücksichtnahme mit dem neuen Schild. Den Unterschied zwischen 20 km/h und Schrittgeschwindigkeit könne man durchaus erkennen und kontrollieren, führte Kunst auf, zudem dürften Kinder, um die es primär gehe, auch bei einem Verbot weiterfahren.

Letzteres stimme nicht, warf Penning ein. Das gelte bei Gehwegen. Werde die Sondergenehmigung aufgehoben, müssten auch Kinder absteigen. Um alle „erkennbar Schnellen“ zu sanktionieren, reichten die Kapazitäten nicht. Radfahrer wirkungsvoll zu stoppen sei schwer, zitierte Eisenlohr ergänzend den krankheitsbedingt abwesenden Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß: „Ich kann sie ja nicht vom Rad ziehen.“ Dem pflichteten die Polizisten Lederer und Jürgen Reuter (Aktive Bürger) bei: „Technisch nicht machbar. Vergessen sie’s.“

E-Scooter dürfen nicht fahren

Ralf Rückert (Freie Liste) erwähnte eher E-Scooter als Gefahrenpotenzial. Diese dürfen, informiert Stadtsprecher Hannes Herrmann auf Nachfrage, übrigens nicht in der Fußgängerzone fahren, weil die Ausnahmegenehmigung eben nur Fahrrädern zugesprochen ist. Generell, so Rückert, solle das Radfahren bei gegenseitiger Toleranz weiterhin erlaubt sein. In den ihm bekannten Touristen-Hochburgen sei das überall so. Die Geschäftsinhaber aber wünschten sich ein Verbot, entgegnete Gertrud Nöhre (SPD/Buntspecht), die Situation sei wegen der Außengastro unübersichtlich und gefährlich. Radfahrern wegen 150 Metern das Absteigen nicht zumuten zu wollen, finde sie „lächerlich“. Es gebe auch Städte, in denen es mit einem Radfahr-Verbot gut funktioniere.

Auf Situation reagieren

Man könne nicht alles regeln, sagte Reinhard Günter (SPD/Buntspecht), dass es auf die Situation ankomme („Abends durch die leere Straße kann ich mit 20 km/h Fahren, sonst muss ich höllisch aufpassen“). Er präferiere Gunnar Links Vorschlag einer Testphase. Thomas Koch (ÖDP) folgte Jürgen Lederers Argumentation: Das Absteigen mindere das Gefährdungspotenzial und sei als eindeutigste Regelung sanktionierbar. Jürgen Winter tat sich schwer, weil man Radfahrern oder Fußgängern ein gewisses Gut wegnehmen müsse. Auch er fand letztlich Lederers Aussage schlüssig, das vorgegebene Tempo sei ohnehin Schrittgeschwindigkeit. Dann könne man auch absteigen.

„Tragen die Verantwortung“

Tanja Witkowski (SPD/Buntspecht) betonte, dass die Rahmenbedingungen sich seit 2012 durch eine größere Zahl Fahrräder sowie Pedelecs und deren Geschwindigkeit geändert hätten und sah das als Grund, zu sperren. Eine Testphase nun liege zeitlich ungünstig wegen der Sommerferien. „Wir sind uns einig, dass sich Radfahrer und Fußgänger nicht vertragen. Deshalb trennt man sie in der Regel“, sagte Jürgen Reuter. Mache man das nicht, führe das seiner Erfahrung nach irgendwann zu einem Konflikt. Die Verantwortung liege nun im Rat. Wer die Radfahrer priorisiere, solle so entscheiden – müsse dann aber auch die Verantwortung übernehmen, wenn was passiert.

Für den Verwaltungsvorschlag stimmten neben Eisenlohr die Fraktionen SPD/Buntspecht (außer Reinhard Günter), Aktive Bürger (außer Frank Kuner) und ÖDP – dagegen stimmten die CDU (außer Jürgen Winter) und die Freie Liste (außer Jürgen Moosmann).

Alternativen suchen

Die Verwaltung schlug ebenfalls vor,
eine Alternative für Radfahrer zu suchen. Man dürfe sie nicht vergessen, sagte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr. Ein Schutzstreifen am Brestenberg im Zuge der dort geplanten Stadtentwicklung wäre eine mögliche Lösung. Hilmar Bühler (Aktive Bürger) schlug vor, dort gar eine Fahrradstraße wie in Freiburg, in dem die Autos rechtlich nachgestellt sind, einzurichten.

Barbara Kunst (CDU)
hielt davon nichts. Auswärtige Radfahrer beispielsweise würden die wenigen, versteckten Alternativen nicht finden. Das letzte Stück der Sängerstraße am Narrenbrunnen, so Kunst, müsste man dann ja doch noch in der Fußgängerzone absteigen. Zudem stieß ihr, wie auch Jürgen Kaupp (CDU), auf, dass dort Autos fahren dürften. Die Vertreter der Stadt sagten zu, diese Situation müsse tatsächlich nochmals genau betrachtet werden.

Auch Ralf Rückert (Freie Liste)
befürchtete, die Alternativroute würde nicht akzeptiert. Er betonte zudem, die gesamte Fußgängerzone beziehungsweise Situation in der Talstadt im Blick zu behalten. Eisenlohr verwies auf das Mobilitätskonzept, das derzeit entstehe und durchgängige Radwegeverbindungen darstelle. Hochbau-Leiter Andreas Krause erinnerte an den ausgeschilderten Radweg am Mühlegraben – wobei Eisenlohr einschränkte, auch dieser werde in Bürgerfragestunden öfters kritisiert.

Bei der Abstimmung
stimmten 23 Räte für die parallele weitere Ausarbeitung von Alternativ-Lösungen. Clemens Maurer und Thomas Brantner (beide CDU) enthielten sich ebenso wie Tanja Witkowski (SPD/Buntspecht). Dominik Dieterle (CDU) stimmte dagegen.