Innerhalb von fünf Wochen soll das einstige Freudenstädter Nobelhotel Waldlust mit der „Mission Stuckateur“ ein neues, historisch stimmiges und an vergangene Blütezeiten anknüpfendes Hallen-Entrée erhalten.
Das ehrgeizige Projekt für den Erhalt des oftmals als „Lost Place“ (vergessener Ort) titulierten Kulturdenkmals nennt sich „Mission Stuckateur“. Dahinter steht ein erstmaliges Zusammenspiel zwischen ehrenamtlicher Denkmalschutzarbeit und handwerklicher Ausbildung. Partner und Akteure sind die Denkmalfreunde Waldlust und das Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade des baden-württembergischen Stuckateurhandwerks als Initiator der Kampagne, heißt es in der Pressemitteilung der Denkmalfreunde Waldlust.
Seit dem Pfingstwochenende sollen junge Auszubildende des Fachverbands fünf Wochen lang im denkmalgeschützten alten Grandhotel nicht nur einen faszinierenden Geschichtsort kennen- und erspüren lernen, sondern sich auch an seiner Instandsetzung und Restaurierung schulen. Die Projektwochen bilden eine Win-Win-Situation für beide Seiten, heißt es weiter.
Waldlust zog einst Hochadel und Hollywood-Größen an
Die Denkmalfreunde kämpfen seit Jahren für den Erhalt des Kurhotels, das einst europäische Hochadelskreise, den internationalen Jetset und auch Filmprominenz aus Hollywood angezogen hat. Für eine Generalsanierung fehlten bisher die finanziellen Mittel oder es mangelte an handwerklichen Kapazitäten.
Der Zufall führte Frank Schweizer, Leiter des Kompetenzzentrums Ausbau und Fassade in Leonberg, vor zwei Jahren ins ehemalige Grandhotel Waldlust. Bei einer Denkmalführung keimte die Projektidee zu einer Nachwuchs-Kampagne für die Sichtbarmachung des gerade für historische Bauten so eminent wichtigen Handwerksberufs. „Wir möchten unseren Einsatz an diesem polarisierenden Ort als Kommunikationsthema für die Nachwuchswerbung nutzen“, bekräftigte Schweizer.
Wahl fiel auf den zentralen Eingangsbereich
Die Arbeiten der Stuckateur-Azubis in der Waldlust – die meisten sind im dritten Ausbildungsjahr – sollen mithelfen, andere junge Leute für diesen Beruf und seine Werte bewahrende Vielseitigkeit zu begeistern. Bei der Auswahl der Tätigkeitsfelder hätte Freudenstadts Belle-Epoque-Palast wahrlich eine üppige Palette anzubieten: von offen liegendem Ziegelmauerwerk am 1920er-Jahre-Saalbau bis zu aussandenden Putzen oder brüchigen Wandpartien in den Gesellschaftsräumen. Die erste Wahl für die Sanierungsarbeiten fiel jedoch auf den zentralen Eingangsbereich.
Bereits die ersten Tage haben Überraschungen und schöne Neuentdeckungen ans Tageslicht gebracht. In der nun wieder von einer ausladenden Putz-Tonnendecke überwölbten Eingangshalle wurden ganze Wandpartien mit originalen Jugendstilfliesen freigelegt. Unter der Haupthalle liegt, überdeckt von einer dicken Schicht Bauschutt, der allererste Waldlust-Hotelzugang mit seinen Bodenfliesen und seinem Treppenaufgang verborgen. „Ein absoluter Jahrhundert-Fund“, schwärmte ein Vertreter des Denkmalvereins Freudenstadt.
Kunst-Festival in „neuen“ Lobby-Hallen
Die Aufwertung und Historisierung der Waldlust-Eingangssäle sind Teil eines ganzheitlichen, von Matthias Jarcke und Sabine Ludwig entwickelten Architektur- und Raumplanungskonzepts, das das ehemalige Hotel in einen zeitgemäßen Nutzungsmix aus Stilhotel, Veranstaltungsort, Kaffeehaus, Tagungsstätte sowie Kunst-, Geschichts- und Kurerbe-Museum überführen soll.
Die „neuen“ Lobby-Hallen sollen von Juli an für das drei Monate dauernde Kunst-Festival Waldlust zur Verfügung stehen, das von den Denkmalfreunden zusammen mit der HfG Karlsruhe, der Hochschule Offenburg und der Kunstakademie Stuttgart veranstaltet wird. Einer der Empfangssalons wird eine Museums- und Archivalien-Sammlung zur Kurhotel- und Stammgäste-Geschichte der Waldlust beherbergen.
Das wird mit Hilfe des Projekts alles umgesetzt
Die Aufgabe
Der nach dem Gründerzeit-Architekten benannte Vittali-Trakt von 1903 mit seiner „Englische Halle“-Architektur wurde vermutlich in den späten 1980er-Jahren durch furnierte Holztäfer-Einbauten, neuzeitliche Lampen an den Wandsockeln und das Auskleiden der herrschaftlich-eleganten Torbögen stark verändert. Die Azubis werden nach den Gestaltungsplänen des Architekten und Denkmalfreunde-Vorstandsmitglieds Matthias Jarcke und der Innenarchitektin Sabine Ludwig die ehemalige Empfangshalle, die Portiersloge, die Haupthalle und den alten Damensalon in ihr ursprüngliches Zeitkolorit zurückversetzen.
Die Umsetzung
Die Wandbekleidungen und auch die rissigen, teils abplatzenden Latexfarbe-Übermalungen werden zunächst einmal zurück gebaut. Danach werden dann Wände und Deckenelemente mittels Kalkputzen und mineralischer Farben neu gestaltet. Zudem werden die historischen, zum Teil verschachtelten Torbögen komplett freigelegt.
Die Macher
Angeleitet werden die aufwendigen Arbeiten von Meistern und Restauratoren des Überbetrieblichen Ausbildungszentrums Leonberg. Die Denkmalfreunde begleiten das Projekt organisatorisch und helfen bei den Arbeiten mit.