Seit Mai empfiehlt die Europäische Union (EU), die Maskenpflicht in Flugzeugen und Flughäfen aufzuheben. Deutschland orientiert sich nicht daran – und lässt sich lieber von den Airlines vorführen.

Dabei hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) direkt nach dem Votum der EU-Flugbehörden reagiert und die Abschaffung der Maskenpflicht im gesamten Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) gefordert. Vielleicht hätte er nur die Abschaffung in der Luftfahrt fordern sollen, um regelmäßig überfüllte Busse und Bahnen zu berücksichtigen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kassierte seinen Vorstoß direkt wieder ein. Es fehle angesichts der "sehr hohen Fallzahlen" der Spielraum, um auf Masken zu verzichten.

Maskenpflicht im ÖPNV wegen sehr hoher Fallzahlen?

Auch gut zwei Wochen später erntet Lauterbach für seine Entscheidung meist nur Kopfschütteln. "Es ist völlig unverständlich, warum Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten an der Maskenpflicht im Flugverkehr festhalten will und diese nicht durch eine freiwillige Entscheidung der Fluggäste ersetzt", kritisiert Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion.

Maskenpflicht im Flugzeug: Kein klarer Kurs erkennbar

Auch die FDP erneuerte den Wunsch nach Abschaffung der Maskenpflicht. Bernd Reuther, Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, twitterte: "Alle unsere Nachbarländer haben die #Maskenpflicht in ÖPNV, Fernverkehr und Flugzeugen abgeschafft, schon vor Wochen oder gar Monaten und auch schon bei viel höheren Inzidenzen. Die Infektionszahlen sinken aktuell überall in Europa deutlich. (…) Worauf warten wir noch? Beenden wir die Maskenpflicht!"

Das Zögern und Zaudern Lauterbachs treibt auch die Luftfahrtindustrie um. Eurowings-CEO Jens Bischof warnte schon vor zwei Wochen bei LinkedIn vor einem Flickenteppich: "Die aktuellen Regelungen zur Maskenpflicht lassen keinen klaren Kurs mehr erkennen. Ich freue mich über jede angemessene Lockerung am Boden, etwa an Flughäfen – aber auch in der Luft brauchen wir endlich eine einheitliche Lösung. Und das am besten europaweit!"

Maskenpflicht: Lufthansa startet Alleingang

Unterdessen wächst der Wille, sich das Tragen einer Maske nicht mehr vorschreiben zu lassen. Die Lufthansa hat seit Kurzem einen Sonderweg gewählt – und lockerte die Maskenpflicht einfach im Alleingang. Ohne Karl Lauterbach. Deutschlands größte Airline setzt die Maskenpflicht einfach nicht mehr mit allen Mitteln um. Die Zahl der Konflikte mit Passagieren habe stark zugenommen. Das bedeute ein Sicherheitsrisiko, das gegen andere Risiken abgewogen werden müsse.

Interessant: Die Lufthansa muss die Maskenpflicht gesetzlich sogar gar nicht so streng und durchgängig kontrollieren, da gemäß § 28b Abs. 1 IfSG nur eine stichprobenhafte Kontrolle durch die Beförderer erforderlich ist.

Von diesen Konflikten kann auch Eurowings-CEO Jens Bischof ein Lied singen. Auch beim Billigflieger müssten die Crews "vieles an Bord ausbaden". Und: "Im Zusammenhang mit den aktuellen Regelungen bekommen sie immer wieder Unverständnis und Missmut zu spüren – dabei befolgen sie nur die gesetzlichen Verpflichtungen." Bei der Lufthansa ist das nun mehr oder weniger vorbei.

Thorsten Frei (CDU) kritisiert Karl Lauterbach (SPD) für starre Haltung

"Hier wird nicht die Maskenpflicht durch die Fluggesellschaften ad absurdum geführt, sondern der Bundesgesundheitsminister führt mit seiner starren Haltung das Verhältnismäßigkeitsprinzip und damit einen zentralen Rechtsgrundsatz unseres freiheitlichen Rechtsstaates ad absurdum", erklärt Thorsten Frei im Interview zur Maskenpflicht in Flugzeugen.

Frei glaubt nicht an eine Lockerung bis zu den Sommerferien: "Man hätte die Lockerung längst vollziehen können, da die Rahmenbedingungen diesen Schritt zulassen. Andere Länder und Fluglinien haben uns dies vorgemacht und mir ist kein Fall bekannt, der zu negativen Auswirkungen auf die Passagiere geführt hätte."

Austrian Airlines schafft Maskenpflicht ab

Und während Austrian Airlines am Pfingstwochenende reagierte und nach Finnair und anderen Gesellschaften die Maskenpflicht abgeschafft hat, wird sie in Deutschland wohl bis zum 23. September aufrechterhalten. Ob sie in der Luft kontrolliert und durchgesetzt wird oder nicht.

Maskenpflicht: Bundesgesundheitsministerium will zeitnah Überprüfung abschließen

Und was sagt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) rund um Karl Lauterbach? Ein Sprecher teilte knapp fünf Tage nach Anfrage am Dienstag (7. Juni 2022) mit, dass derzeit unter Berücksichtigung der aktuellen Lage geprüft werde, ob und wann eine Aussetzung der Maskenpflicht in Verkehrsmitteln beschlossen werden kann. Auf die Nachfrage unserer Redaktion, wann die Überprüfung abgeschlossen sei, hieß es "zeitnah". Am Freitag (10. Juni 2022) teilte das BMG mit, dass es noch keine Neuigkeiten gebe, "zeitnah" aber auch nächste Woche sein könne.

Am 20. Juni ruderte das BMG wieder zurück. Nichts mit einer zeitnahen Entscheidung. "Die aktuelle epidemiologische Entwicklung in Deutschland (und Europa) lässt uns hier aber zzt. weiter zurückhaltend darauf schauen", teilte ein Sprecher mit. Lauterbach hatte wenige Tage zuvor vor der aktuellen Corona-Lage gewarnt.

Maskenpflicht in Flugzeugen: Bei welcher Airline gilt sie noch

Über den Wolken gibt es bei vielen Airlines keine Maskenpflicht mehr. Den Anfang machten im Oktober 2021 zahlreiche skandinavischer Fluggesellschaften wie SAS oder Norwegian auf Inlandsflügen. Es folgte im März British Airways: Wenn im Zielland keine Maskenpflicht herrsche, sei sie an Bord optional. Easyjet hat die Maskenpflicht auf diversen Routen Ende März gekippt. Swiss zog kurz darauf nach. Am Pfingstwochenende kommunizierte auch Austrian Airlines den Wegfall der Maskenpflicht.

Wichtig: Neben Deutschland halten bislang auch Spanien, Italien und Griechenland an der Maskenpflicht im Flugzeug fest. In Ungarn, den Niederlanden oder Frankreich besteht sie nicht mehr, Air France setzt sie aber weiter um.