Corona-Tests wurden beim 73-Jährigen gemacht, allerdings keine Sequenzierung. Foto: photoguns – stock.adobe.com

Tod eines 73-Jährigen aus Baiersbronn ruft großes Interesse hervor. Mehrfache Ansteckungen kommen wohl häufiger vor.

Der Tod des 73-Jährigen nach einer zweiten Infektion mit dem Coronavirus rückt den Landkreis Freudenstadt erneut ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Und der Fall wirft Fragen auf. Denn ganz so selten, wie Virologen behaupten, scheinen erneute Ansteckungen doch nicht zu sein.

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Kreis Freudenstadt - Das Landratsamt Freudenstadt wurde am Donnerstag von Medienanfragen überhäuft, nachdem am Mittwochabend bekannt geworden war, dass im Zuständigkeitsgebiet des Kreisgesundheitsamts wohl der erste Mensch in Deutschland nach einer Re-Infektion mit Covid-19 gestorben ist. Es soll weltweit überhaupt erst der dritte bekannte Todesfall dieser Art sein. Mittlerweile offiziell bestätigt ist, dass der Mann aus Baiersbronn stammte. Laut Landesgesundheitsamt starb der Patient, der an Vorerkrankungen gelitten habe, an den Folgen einer Lungenentzündung, einer Blutvergiftung und schließlich am Versagen mehrerer Organe.

Letzte Gewissheit fehlt

Eine entscheidende Frage lässt sich wohl nicht mehr mit letzter Gewissheit klären: Ob sich der Mann zweimal mit demselben Virustypus angesteckt hatte oder ob der Infekt mit einer Mutation erfolgte. Wie berichtet, war an Weihnachten der erste Fall einer Ansteckung mit B.1.1.7 in Deutschland ebenfalls in Baiersbronn entdeckt und nachgewiesen worden. Eine Schülerin hatte die Krankheit aus England mitgebracht.

Weitere Ansteckungen mit B 1.1.7 im Landkreis Freudenstadt sind nicht bekannt. Da die Infektion bereits am Flughafen Frankfurt festgestellt worden war, wurden die junge Frau und ihre Familie direkt zu Hause in Quarantäne geschickt und dort besonders intensiv ärztlich betreut.

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Um welche Art des Virus es sich handelt, lässt sich mit einer Untersuchung von dessen Erbgut feststellen, einer sogenannten Sequenzierung. Diese erfolgte bei dem Baiersbronner Patienten nicht. Das Landesgesundheitsamt erklärte, dass es "keinen epidemiologischen Hinweis" gebe, dass der Verstorbene mit einer Mutation in Berührung gekommen sei. Deshalb sei auch keine Virusanalyse in Auftrag gegeben worden. Ein Vergleich sei auch nicht mehr möglich, weil die Probe der Erstinfektion des Mannes im April nicht mehr existiere. Bloß: Im April war von Mutationen noch gar keine Rede. Warum gibt es dann nicht wenigstens einen Nachweis, an welcher Variante der Baiersbronner beim zweiten Mal erkrankte?

Mehrfach ohne Befund

Der Arzt Wolfgang von Meißner von der zentralen Abstrichpraxis im Landkreis in Baiersbronn geht jedenfalls von einer Neuansteckung aus. Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass ein Patient acht Monate lang durchgehend "hochinfektiös" sei. Auch sei der Mann zwischendurch mehrfach ohne auffälligen Befund untersucht worden. An Silvester habe der 73-Jährige schließlich erneut Symptome der Krankheit gezeigt. Er sei am 3. Januar zur Behandlung ins Krankenhaus Freudenstadt eingeliefert und tags darauf bereits beatmet worden. Eine Woche später sei der Mann dann gestorben. Die Lebensgefährtin sei ebenfalls mit Covid-19 angesteckt worden, habe die Infektion jedoch gut überstanden.

Warum liegen keinerlei Proben vor, und warum wurde der Fall erst eine Woche nach dem Tod des Patienten von den Behörden gemeldet? Das Landratsamt blockt Nachfragen ab und verweist auf die Datenschutzbestimmungen. Weshalb es keine Sequenzierung gegeben habe, wisse das örtliche Gesundheitsamt nicht. Dies sei Sache der behandelnden Ärzte.

Für Therapie unerheblich

Dass eine Virusanalyse im vorliegenden Fall nie ein Thema gewesen sei, wie das Landesgesundheitsamt behauptet, stimmt so nicht. Die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt – der Patient war nach beiden Infektionen in deren Klinikum Freudenstadt behandelt worden – erklären auf Nachfrage, ihre Ärzte hätten bei der erneuten Einlieferung des Mannes am 3. Januar einen Abstrich genommen und "bereits am Folgetag eine Sequenzierung der Laborprobe angeregt, um eventuelle Mutationen feststellen zu können". Es seien zwei Anfragen an Speziallabore versandt worden. "Es erfolgte jedoch keine zeitnahe Rückmeldung", so die KLF.

Anhaltspunkte für einen Infekt mit einer mutierten Variante habe es nicht gegeben. Der Mann sei beispielsweise zuvor nicht in entsprechende Länder gereist. Auch im Umfeld des Patienten, in dem Corona-Infektionen bekannt gewesen seien, seien keine Mutationen festgestellt worden. Die Lebensgefährtin des 73-Jährigen war ebenfalls mit Corona infiziert – mit dem "normalen" Coronavirus. Für die Behandlung im Krankenhaus sei es ohnehin nicht entscheidend gewesen, an welcher Variante der Mann gelitten habe. Die erste Infektion sei bei einem Corona-Abstrich im Krankenhaus im April festgestellt worden. Der Mann hatte einen Herzinfarkt. Sowohl Infarkt als auch Covid-19 habe "der Patient zum damaligen Zeitpunkt gut überstanden". Auch bei der zweiten Einlieferung des Mannes am 3. Januar sei ein Abstrich genommen worden, der ebenfalls positiv ausfiel. "Es ist somit von einer Re-Infektion nach der Erstinfektion im April 2020 auszugehen", so die KLF.

Zweitansteckungen gelten als selten. Ganz so selten, wie mancher Epidemiologe annimmt, scheinen sie dann aber doch nicht zu sein. Weltweit gebe es nur wenige Dutzend bekannte Fälle? Sabine Eisele, Pressesprecherin des Landratsamts, erklärt, dass der Baiersbronner Fall nicht die einzige Zweitansteckung im Landkreis sei. Es gebe hier etwa "eine Handvoll" Re-Infektionen, von denen die Behörden wüssten. Zum Vergleich: Seit März gab es im Kreis Freudenstadt mit rund 117.000 Einwohnern etwa 3100 nachgewiesene Corona-Infektionen und etwa 100 Todesfälle, die damit in Verbindung gebracht werden.

Impfzentrum startet jetzt

Konsequenzen für die Test- und Impfstrategie vor Ort hat der Fall zunächst nicht. Dies werde von Bund und Ländern festgelegt. Am Freitag, 22. Januar, startet indessen der Betrieb im Kreisimpfzentrum in Dornstetten. In der ersten Woche sollen 150 Patienten die schützende Injektion erhalten. Mehr Vakzin wird dem Landkreis derzeit nicht zur Verfügung gestellt.