Per Flugzeug hat das mutierte Virus seinen Weg von Großbritannien in den Schwarzwald gefunden. (Symbolfoto) Foto: Delay

Wie die wohl besonders ansteckende Coronavirus-Mutation aus Großbritannien den Schwarzwald erreicht hat.

Baiersbronn - Hunderte von Passagieren aus Großbritannien kommen an diesem Tag noch am Flughafen Frankfurt an – dann ist abrupt Schluss. Nachrichten einer besonders ansteckenden Variante des Coronavirus, die in London und im Südosten Englands grassiere, haben auch die deutsche Politik aufgeschreckt. Am Sonntag vor Weihnachten lässt die Bundesregierung den Flugverkehr von der Insel bis auf Weiteres einstellen. An Bord des letzten Flugzeugs, das Passagiere aus Großbritannien nach Deutschland befördern darf, ist eine junge Britin. Ihr soll Tage später ungewollt eine besondere Rolle zukommen.

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Ihr Vater wartet an jenem Sonntag auf dem Flughafengelände. Die Polizei, schreibt er in den sozialen Medien, sei nicht sicher, was sie tun solle. So habe sie entschieden, dass jeder Passagier des Fluges aus Großbritannien getestet werden müsse. "Je 150 Euro, gefolgt von sechs Stunden Wartezeit im Transitbereich, und wenn alles o.k., dann drei Stunden Heimfahrt", schreibt er auf Englisch. Er sitzt im Auto, "mit zwei Decken, einem Käsesandwich und Netflix", und hofft, dass der Test bei seiner Tochter negativ ausfällt.

Das neue Einreiseverbot hat die Verantwortlichen vor Ort offenbar überrascht. Medien berichten von teils chaotischen Szenen. Noch am Gate werden die Fluggäste aufgeteilt, wie ein Sprecher der Bundespolizei später erklärt: Deutsche Staatsbürger können den Flughafen direkt verlassen, müssen sich aber in eine mindestens fünftägige Quarantäne begeben und testen lassen. Reisende mit ausländischem Pass hingegen stecken erst einmal fest. Im Transitbereich, wo ein Testcenter eingerichtet wurde, müssen sie sich einem Coronatest unterziehen. Die Personalkapazität reicht aber nicht aus, um am Abend noch alle Fluggäste zu testen. Rund 120 von ihnen müssen auf Feldbetten die Nacht zum Montag im Transitbereich verbringen – auch die junge Britin. Ihr Vater übernachtet schließlich auf der Coach bei Freunden in Frankfurt.

Mediale Berühmtheit in ganz Deutschland erlangt an Weihnachten nur ein positiver Test

"Was für eine Nacht", schreibt er am nächsten Tag. Er und seine Tochter haben nun Gewissheit: Der Test ist positiv. Die junge Frau sei in einer abgelegenen Ecke des Flughafens isoliert worden. "Ich durfte sie nicht sehen." Positiv Getestete müssen sich dem Sprecher der Bundespolizei zufolge in ein eigens dafür angemietetes Hotel in Quarantäne begeben. Mit einem Taxi sei sie ins Hotel gebracht worden, berichtet ihr Vater, um sie für zehn Tage zu isolieren. Offenbar gelingt es ihm, die Behörden zu überzeugen. Er holt seine Tochter ab und bringt sie nach Hause nach Baiersbronn im Kreis Freudenstadt. Das Gepäck soll nachgeschickt werden – "wir durften nicht rumhängen und warten". Stattdessen fährt im Auto etwas mit, von dem man noch nicht weiß, wie gefährlich es ist.

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Das Gesundheitsdezernat der Stadt Frankfurt meldet am Montag mehrere positive Tests. Auch Passagiere an Bord von Maschinen aus Südafrika waren getestet worden. Dort war ebenfalls eine besonders ansteckende Variante von Sars-CoV-2 aufgetaucht. Ob es sich bei den positiven Fällen um die neuartige Virus-Variante handelt, sei unklar. Die Tests würden nur eine generelle Infektion mit dem Virus anzeigen, nicht ob es sich dabei um die ansteckendere Mutation handelt, sagt ein Sprecher auf Anfrage des Hessischen Rundfunks.

Mediale Berühmtheit in ganz Deutschland erlangt an Weihnachten nur ein positiver Test. Bei einer Frau, die am 20. Dezember aus Großbritannien eingereist war, sei die mutierte Variante B.1.1.7 des Coronavirus nachgewiesen worden, teilt das Landratsamt in Freudenstadt an Heiligabend mit. Es handele sich dabei um den ersten bekannten Fall in Deutschland.

PCR-Test fällt ebenfalls positiv aus

Und aus dem Gesundheitsministerium in Stuttgart ist zu hören: "Die betreffende Person besucht derzeit Angehörige im Landkreis Freudenstadt in Baden-Württemberg und reiste am Sonntag, 20. Dezember, mit dem Flugzeug aus Großbritannien (London Heathrow) über den Flughafen Frankfurt nach Deutschland ein." Die Person sei "vom Flughafen" mit dem Auto von Verwandten abgeholt worden und befinde sich nun in häuslicher Isolation.

Zur Diagnosesicherung sei am 21. Dezember ein PCR-Test erfolgt, der ebenfalls positiv ausgefallen sei. Die Frau habe am selben Tag milde Krankheitssymptome entwickelt. Insgesamt seien drei enge Kontaktpersonen ermittelt worden, die sich ebenfalls in Quarantäne befänden.

"Die Sars-CoV-2 positive Abstrichprobe wurde zur Virussequenzierung an das Nationale Konsiliarlabor für Coronaviren (Charité Berlin) gesandt", sagt der Ministeriumssprecher weiter. An Heiligabend sei von dort der Nachweis der Virusvariante B.1.1.7 erfolgt. Die engen Kontaktpersonen seien bisher nicht erkrankt, heißt es am Donnerstag. Für sie sei eine Abstrich-Untersuchung in die Wege geleitet worden.

Nachdem er die Ergebnisse mitgeteilt bekam, bestätigt der Vater der jungen Britin die Nachricht in den sozialen Netzwerken: Seine Tochter sei positiv auf das alte Virus und den "neuen Stamm" getestet worden. "Ich wurde auch getestet, zum Glück negativ." Das beste Weihnachtsgeschenk sei, dass seine Tochter bei der Familie sei, "bis sich die Dinge verbessern".

Dem Robert-Koch-Institut ist bislang aus Deutschland nur ein Fall übermittelt worden. Es sei aber zu erwarten, dass weitere bekannt werden, heißt es in einer Information. Bisher gebe es bei begrenzter Datenlage keine Hinweise auf schwerere Krankheitsverläufe bei Infektionen mit dieser neuen Variante oder eine verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe. "Erste vorläufige Modellierungsergebnisse aus Großbritannien deuten auf eine höhere Übertragbarkeit als die bisher zirkulierenden Virusvarianten hin, jedoch liegen die Ergebnisse epidemiologischer Ausbruchsuntersuchungen bisher noch nicht vor", heißt es beim Institut. Die Situation werde weiter beobachtet.

420 Gäste aus Großbritannien in Quarantäne

Der Berliner Virologe Christian Drosten erklärte bereits vor Weihnachten, es sei recht wahrscheinlich, dass B.1.1.7 mittlerweile auch in Deutschland sei. Bei den derzeitigen Beschränkungen im Lockdown "dürfte diese Variante hierzulande eher schwer Fuß fassen", meint er. "Ich glaube nicht, dass wir da bald ein größeres Problem kriegen." Und der Chef des Impfstoffherstellers Biontech, Ugur Sahin, erklärt, sein Präparat wirke sehr wahrscheinlich auch gegen die neue Variante. Wenigstens das.

Aus dem Schweizer Skiort Verbier sind Hunderte zur Corona-Quarantäne verpflichtete Gäste in Nacht- und Nebelaktionen verschwunden. Einige hätten sich inzwischen aus Frankreich gemeldet, sagte Jean-Marc Sandoz, Sprecher der Gemeinde Bagnes, zu der Verbier gehört, am Sonntag. Die Behörden hätten vor Weihnachten 420 Gäste aus Großbritannien identifiziert, die in Quarantäne mussten. Etwa 50 seien umgehend abgereist, und von den 370 anderen sei am Sonntag weniger als ein Dutzend noch da gewesen.