Für Gentechnik im Nahrungsmittelbereich gelten in der EU strenge Regeln. Die sollen gelockert werden, doch es regt sich Widerstand. Foto: picture alliance / dpa/David Ebener

Die EU will den Umgang mit genmanipulierten Pflanzen neu regeln. Das Thema ist komplex und die Auseinandersetzung entsprechend emotional.

Die Vorstellung ist verlockend, doch das Thema ist hochemotional. Wenn es in Europa immer wärmer und trockener wird, könnten Nutzpflanzen wie Mais oder Weizen im Labor genetisch so verändert werden, dass sie besser an die neuen klimatischen Bedingungen angepasst sind. Anders als in Europa ist in Ländern wie den USA, Argentinien oder Brasilien der Anbau solch modifizierter Pflanzen erlaubt und bereits weit verbreitet.

Nun wird auch in der EU an einer Lockerung der Vorschriften für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gearbeitet, ein Gesetzestext soll von der Kommission im Sommer vorgelegt werden. Doch die Aufregung ist schon im Vorfeld groß, denn es geht um die Zukunft der Landwirtschaft auch in Deutschland und um die Lebensmittel, die angebaut, verkauft und gegessen werden sollen. Das Problem ist, dass manche gentechnisch veränderten Pflanzen sich nicht mehr von konventionellen Züchtungen unterscheiden lassen. Eine zentrale Frage ist, ob sie dennoch weiter nach dem Gentechnikgesetz reguliert werden oder wie herkömmliches Getreide, Obst und Gemüse eingestuft werden.

Das Erbgut der Pflanzen wird verändert

Konkret wird über das sogenannte „Genome Editing“ gezielt das Erbgut von Nutzpflanzen oder auch Tieren manipuliert, um ihnen neue Eigenschaften zu verleihen. Diese Technik der „Genschere“ gilt als wesentlich präziser als die herkömmliche Gentechnik. So kann etwa bei einer Pflanze das Längenwachstum der Wurzel stimuliert werden, um sich das Wasser aus tieferen Erdschichten zu holen. Oder es gibt Reis, der extra mehr wichtiges Vitamin A enthält.

„Eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts ist grob fahrlässig“, warnt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Seine Forderung lautet: „Auch die sogenannte Neue Gentechnik muss dem geltenden Recht unterstellt bleiben.“ Häusling zweifelt grundsätzlich an den Aussagen vor allem der Industrie, denn die neuen gentechnischen Verfahren „werfen viele Fragen bezüglich ihrer Sicherheit auf“. Zudem seien „die Versprechen der Pestizidreduktion oder der besseren Klimaresilienz bisher nirgendwo wissenschaftlich nachweisbar eingelöst worden“.

Schlagabtausch zwischen den Lagern

Im Lager der Befürworter findet sich Norbert Lins, Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament. Der CDU-Politiker fühlt sich nach eigenen Worten „in dieser Frage bei der Kommission in guten Händen“. Auf einer Diskussionsveranstaltung über Gentechnik in Stuttgart betonte er immer wieder, dass die Innovation in der Pflanzenzucht ein „Garant für die Ernährungssicherheit“ sei. Allerdings fordert auch er eine transparente und klare Kennzeichnung der genetisch veränderten Pflanzen.

Peter Hauk, Landwirtschaftsminister in Baden-Württemberg, weiß, dass das Thema Gentechnik bei den Verbrauchern ein heißes Eisen ist. Deshalb betonte der CDU-Mann, dass Lebensmittel aus dem Südwesten „hochwertige und zudem gentechnikfreie Produkte mit gesicherter Herkunft“ sind. Aber auch Hauk gab in Stuttgart zu bedenken, dass der Klimawandel die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen stelle und man sich aus diesem Grund nicht gegen erfolgversprechende Innovationen stemmen dürfe.

Damit Baden-Württemberg sein Versprechen der genfreien Produkte auch wirklich einhält, wird seit 2004 jährlich ein sogenanntes Ernte-Monitoring-Programm durchgeführt. Die Proben werden unmittelbar nach der Ernte etwa an den Mühlenbetrieben entnommen. Seit Beginn des Monitorings wurden nach Angaben des Landes fast 1800 Ernteproben untersucht, in 32 Fällen seien gentechnische Veränderungen nachgewiesen worden. Das heißt, folgert das Ministerium, dass aufgrund des weltweiten Handels mit Saatgut und Ernteprodukten nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, dass trotz vorsorgender Maßnahmen auch in heimischen Produkten genveränderte Organismen nachgewiesen werden können.

Aus diesem Grund warnte der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling, dass eine Veränderung der geltenden Regeln und die Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen das Ende des Öko-Landbaus bedeuten könnte. Kontrollaufwand und Kontrollkosten zur Gentechnikfreiheit würden den Biomarkt extrem belasten und eine fehlende Kennzeichnung würde den Verbrauchern ihre Wahlfreiheit für gentechnikfreie Produkte rauben.

Kritik kommt auch aus Berlin

Auch die Bundesregierung sieht die kursierenden Pläne der EU-Kommission zur Lockerung der Vorschriften skeptisch. „Das Bestreben der EU-Kommission, die Risikoprüfung für Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken hergestellt sind, abzuschwächen, geht in die falsche Richtung“, erklärte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Die neuen Möglichkeiten der Gentechnik erlaubten „vielfältigste und wirklich tiefgreifende Veränderungen im Genom“, hieß es weiter aus dem Ministerium. „Deren mögliche Auswirkungen sind im Vergleich zu den sich bietenden Möglichkeiten wenig erforscht. Gerade wichtige Biodiversitätsfragen wie beispielsweise nach dem Risiko der Auskreuzung in eventuell vom Klimawandel gestresste Ökosysteme sind heute noch unbeantwortet und erfordern weitere Forschung.“

Allerdings scheint es auch in der EU-Kommission noch einigen Klärungsbedarf zu geben. Wie es heißt, werde sich die Vorlage des Gesetzestextes um einige Wochen verzögern. Es gebe noch offene Fragen, etwa ob Unternehmen ihre genetisch veränderten Pflanzen mit Patenten schützen können.