Die einzelnen Blätter der Sojapflanze müssen ihre Fotosynthese an völlig unterschiedliche Lichtverhältnisse anpassen. Foto: imago//Przemyslaw Iciak

Die Pflanze baut einen Schutzschirm auf, weil zu viel Sonneneinstrahlung die Fotosynthese stört. Wird der aber zu langsam rückgebaut, liefert Soja oft geringere Erträge. Genau dort setzt die Genforschung an – das könnte dazu beitragen, die Welt besser ernähren zu können.

Pflanzen fangen manchmal mehr Sonnenlicht ein, als sie verarbeiten können. Dadurch entsteht sogenannter reaktiver Sauerstoff, der die Fotosynthese stört. Um Schäden zu vermeiden, leiten die Pflanzen überschüssige Energie rasch als Wärme ab. Wird dieser Sonnenschutz nicht mehr benötigt, brauchen die Blätter aber relativ lange, um diesen biochemischen Mechanismus wieder auszustellen. Und nutzen in dieser langsamen Abbauphase viel weniger Sonnenenergie, als sie eigentlich könnten. Stephen Long von der University of Illinois im US-amerikanischen Urbana und sein Team beschreiben in der Fachzeitschrift „Science“ jetzt, wie sie dieses Runterfahren per Gentechnologie beschleunigen können.

 

Fotosynthese ist ein Schlüsselfaktor für den Ertrag

Die so veränderten Sojapflanzen können mehr Sonnenlicht einfangen und damit auf der gleichen Fläche ohne zusätzlichen Kunstdünger mehr Erträge bringen, zeigt die Studie. Das wiederum könnte helfen, ein schwieriges Dilemma zu lösen: Einerseits wächst die Weltbevölkerung nach Angaben der Vereinten Nationen jedes Jahr um 66 Millionen Köpfe, es werden also immer mehr Lebensmittel benötigt. Andererseits sind sich Biologen und Ökologen weitgehend einig, dass die Anbauflächen weltweit nicht weiter ausgedehnt werden sollen, weil das zulasten der noch vorhandenen Naturgebiete ginge. Zeigen die gentechnisch veränderten Sojapflanzen mit dem beschleunigten Abbau ihres Sonnenschutzes also einen der möglichen Auswege aus diesem Dilemma?

„Die vorgestellten Ergebnisse sind noch nahe der Grundlagenforschung“, kommentiert Ralf Wilhelm vom Institut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen am Julius-Kühn-Institut (JKI) in Quedlinburg die Studie, an der er nicht beteiligt war. Der Weg bis zu einer möglichen Anwendung könnte also noch weit sein. Ein Blick auf die Fotosynthese, bei der die im Sonnenlicht steckende Energie genutzt wird, um aus Wasser und dem Kohlendioxid in der Luft Biomoleküle herzustellen, scheint aber vielversprechend zu sein: „Auf diesem Feld arbeiten etliche Forschungsgruppen“, erklärt Ralf Wilhelm.

Der Sonnenschutz wird zu langsam abgebaut

Das Team um Stephen Long konzentriert sich dabei auf den Sonnenschutz der Pflanzen. In Sekunden oder allenfalls in wenigen Minuten werden Enzyme aktiviert, die einen Schirm als Sonnenschutz aufspannen, beim Einklappen des Schutzschirms lässt sich die Pflanze aber mitunter Zeit.

Ein Blick auf den Blätterwald auf einem Sojafeld zeigt, dass durch das langsame Einklappen Sonnenenergie verschwendet wird. Denn dort sind die obersten Blätter laufend in der Sonne, während das darunter liegende Grün häufig zwischen Licht und Schatten von den darüber liegenden Blättern pendelt. Da kann der langsame Abbau des Sonnenschutzes die Effektivität der Fotosynthese ganz erheblich verringern.

Ertrag ließ sich nur teilweise erhöhen

Um das zu verhindern, verstellen Stephen Long und sein Team im Erbgut von Sojapflanzen spezifische Schalter auf ein deutlich schnelleres Auf- und Zuklappen des Sonnenschirms. Ein sehr ähnliches Experiment mit Tabakpflanzen hatte bereits vorher gezeigt, dass so die Effektivität der Fotosynthese deutlich steigt. Ähnliches passierte auch bei den gentechnisch veränderten Sojapflanzen und damit beim weltweit viertwichtigsten Ackerbauprodukt und beim wichtigsten Lieferanten pflanzlicher Proteine: Im Jahr 2020 brachten fünf der acht untersuchten Sojalinien mit beschleunigten Enzymen im Durchschnitt 24,5 Prozent höhere Erträge als unveränderter Soja, keine der restlichen drei Linien lieferte geringere Erträge. Die einzelnen Pflanzen produzierten dabei jeweils mehr Samen, deren Ölgehalt unverändert war. Allerdings ließ sich dieser Erfolg beim Anbau 2021 nicht wiederholen, und die veränderten Sojapflanzen lieferten keine deutlich erhöhten Erträge.

„Auch wenn dieser Erfolg nicht durchschlagend ist, lohnt sich weitere Forschung auf diesem Gebiet“, interpretiert JKI-Forscher Ralf Wilhelm diese Ergebnisse. In weiteren Experimenten sollten dann die Gründe für die beobachteten Schwankungen bei den Erträgen unter die Lupe genommen werden. Bis zum Anbau solcher gentechnisch veränderter Sojaarten ist der Weg also noch weit. Zumal die Zulassung neuer Sorten schon bei herkömmlichen Züchtungen oft zehn Jahre dauern. Auf dem Weg zu einer Anwendung müssten ohnehin noch einige Hürden übersprungen werden: „Wie verhalten sich diese gentechnisch veränderten Sojapflanzen auf anderen Böden als denen von Illinois?“, fragt Wilhelm in Bezug auf den Ort, wo die Versuche stattfanden. „Und wie sieht es bei anderen Klimabedingungen aus?“

Gentechnik – in Europa verpönt

Allerdings ist das Züchten von Pflanzen mit den Methoden der Gentechnik in der EU ohnehin verpönt. Trotzdem können aber auch die europäischen Züchter von dieser Forschung profitieren: So könnten „Marker für eine verbesserte Fotosynthese identifiziert werden, die auch für herkömmliche Züchtungen zeigen, ob neue Linie höhere Erträge erwarten lassen“, sagt Ralf Wilhelm. „Die Landwirte benötigen ohnehin rasch neue Sorten, die an die Veränderungen des Klimas in ihrer Region und an eine nachhaltige Produktion angepasst sind.“