Dass Stoff-Fachgeschäft Seemannsgarn an der Kirchstraße 6 öffnet ab Ende August nur noch zum Lagerverkauf. Foto: Kratt

Wieder steht ein Einzelhandelsgeschäft vor dem Aus: Diesmal trifft es den Stoffladen Seemannsgarn in der Kirchstraße 6. Doch mit dem Standort und dem Problem Schwenninger Innenstadt hat es laut Betreiberin nichts zu tun.

VS-Schwenningen - Die gute Nachricht vorweg: Komplett von der "Ladenfläche" verschwinden wird das beliebte Fachgeschäft für Stoffe und Nähzubehör nicht, zumindest vorläufig. Wie Inhaberin Alena Seemann im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, wird das Geschäft nach einer dreiwöchigen Sommerpause immer freitags und jeden ersten Samstag im Monat einen Lagerverkauf anbieten. Auch das Online-Geschäft wird es weiterhin geben.

Geschäft gibt es seit rund sieben Jahren

Doch wenn der Seemannsgarn am Samstag, 6. August, das letzte Mal regulär öffnet, wird in Schwenningen dennoch eine kleine Ära zu Ende gehen. Vor fast sieben Jahren hatte Alena Seemann ihr Geschäft rund um Stoffe, Schnittmuster oder Nähzubehör zunächst in der Hegelstraße eröffnet und war im April 2018 wegen steigender Nachfrage und Platzmangel in die größeren Ladenflächen gegenüber des Rathauses gezogen. Denn eigentlich war sie mit ihrem Angebot, das sich auf Kindermode fokussieren sollte, genau den Puls der Zeit. Auch mit Nähworkshops und weitere Aktionen zog sie immer wieder Nähfans an.

"Ein Tod auf Raten"

Doch die Corona-Krise sollte auch vor dem Seemannsgarn nicht Halt machen, wie die dreifache Mutter beschreibt. Eine Zeitlang musste das Geschäft mit seinen sechs Mitarbeitern komplett schließen. Mit den selbstgenähten Masken habe man sich zwar zwischenzeitlich über Wasser halten können, dann seien die verpflichtenden FFP2-Masken dazugekommen. Und man habe allmählich gemerkt, dass das Einkaufen einen anderen Charakter bekommen hat als zuvor. "Es war ein Tod auf Raten", sagt Seemann unverblümt. Vor rund zehn Jahren sei der "Hype" ums Nähen vor allem bei jungen Frauen und Müttern aufgekommen, Corona habe das Ganze aber "abgewürgt", empfindet sie. Zum einen habe sie das Gefühl, dass das Nähen an sich weniger geworden sei – gerade Mütter hätten dadurch, dass die Kinder während der Pandemie-Zeit überwiegend zu Hause waren, keine Zeit und Ruhe mehr für das Hobby gehabt. Zum anderen wirkten sich die Krisen – egal ob Corona oder Energie betreffend – auf das Einkaufsverhalten der Bürger aus. "Das Einkaufen hat sich an sich reduziert", meint die Inhaberin, die mit ihrem Seemannsgarn 2017 ihr geliebtes Hobby zum Beruf machen konnte. "Es ist nicht mehr so leicht wie früher."

Das unausgelassene Bummeln finde gar nicht mehr richtig statt, und auf viele Produkte werde mittlerweile verzichtet – so auch auf die Produkte vom Seemannsgarn. "Stoffe braucht man nicht", sagt Seemann schonungslos.

Personalkosten sind nicht mehr zu stemmen

Die Folge aus dem merkbar zurückgegangenen Umsatz: Die Personalkosten für die sechs Mitarbeiterinnen können schon lange nicht mehr erwirtschaftet werden. Zukünftig wird also ausschließlich Alena Seemann für den Lagerverkauf im Geschäft stehen. "Ich hoffe, dass wir die Ware dann an zwei geballten Tagen verkaufen können." Für das Online-Geschäft ist eine weitere Mitarbeiterin zuständig. Wie sich der Online-Handel in der kommenden Zeit entwickeln wird, darauf ist die Unternehmerin gespannt. Denn auch dieser sei "extrem zurückgegangen", zumal er mit Stoffen grundsätzlich schwierig sei. War bisher nur eine bestimmte Produktauswahl online erhältlich, soll das Angebot nun etwas mehr angepasst werden. Wie es künftig mit den Nähworkshops, die stets neue Reize und Impulse gesetzt und zur Kundenbindung beigetragen haben, weitergeht, das stehe noch nicht fest, sagt Seemann.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit Wehmut, aber auch mit Klarheit blickt die Inhaberin auf die vergangenen Jahre zurück und stellt gleichzeitig klar: Entgegen der Gründe von anderen Geschäftsschließungen in Schwenningen habe es beim Seemannsgarn nichts mit dem Standort oder auch mit dem bisher wenig frequentierten Marktplatz zu tun. Und Alena Seemann bleibt auch beim Blick in die Zukunft Realistin: Mit dem Lagerverkauf werde sie schauen, ob die Resonanz wieder eine bessere wird. Ansonsten müssten auch daraus die Konsequenzen gezogen und die Ladenfläche komplett geschlossen werden.

Info: Die neuen Öffnungstage

Das Stoffgeschäft Seemannsgarn, Kirchstraße 6, öffnet zum letzten Mal regulär am Samstag, 6. August. Ab dem 26. August findet immer freitags sowie jeden ersten Samstag im Monat (erstmalig Samstag, 3. September) ein Lagerverkauf statt. Online ist die Ware unter https://shop.seemannsgarn-stoffe.com/ erhältlich.