Muss sich die Menschheit in ferner Zukunft eine neue Heimat im Weltall suchen? Bisher ist die Idee noch völlig realitätsfern und nur Science Fiction. Ist eine Kolonisation außerhalb der Erde überhaupt möglich - außer in den Köpfen von Fantasten?
Was ist die größte Gefahr für die Menschheit? Der britische Physiker Stephen Hawking (1942-2018) glaubte: Sie selbst. Eindringlich warnte der weltberühmte Sternenforscher bis zu seinem Tod seine Mitmenschen vor dem selbst verschuldeten Untergang.
Das Risiko einer Katastrophe auf der Erde in einem bestimmten Jahr sei zwar gering, aber für die nächsten 1000 oder 10 000 Jahre „beinahe Gewissheit“, war Hawking überzeugt. Seine Botschaft: „Bis dahin sollten wir uns ins All ausgebreitet haben und zu anderen Sternen, so dass ein Desaster auf der Erde nicht das Ende der Menschheit bedeuten würde.“
Doch wie könnte eine solche Kolonisierung des Weltraums ablaufen? Und ist sie überhaupt im Bereich des Denkbaren und Möglichen? Ein Überblick über die potenziellen Schritte:
1. Phase: Die Vision
Die Erde ist der einzige bewohnbare Planet in unserem Sonnensystem. Sollte Stephen Hawking mit seiner Prophezeiung Recht behalten, müssten lebensfeindliche Welten wie der Mars, die Venus, der Merkur oder die Jupiter-Monde kolonialisiert werden.
„Terraforming“ nennt man diesen extraterristrischen Prozess: Habitate – künstliche Welten –, in denen der Mensch im All überleben könnte, müssten konstruiert, gebaut und zu einem Planeten geschickt werden, um dort humanoide Kolonien zu gründen.
Eine unrealistische Vision? Reine Science Fiction? Was heute noch ein Traum ist, könnte in ferner Zukunft Wirklichkeit werden. Wenn tatsächlich das Überleben der gesamten menschlichen Species auf dem Spiel steht, bliebe nur der Ausweg eines extraterrestrischen Exodus.
2. Phase: Stationen im Orbit
Bevor der Mensch zu den Sternen greift, muss er sich um seine unmittelbare Nachbarschaft kümmern – den Erdorbit. Der Aufbau von orbitalen Stationen in der Umlaufbahn der Erde ist der erste Schritt, um dauerhaft den Blauen Planeten zu verlassen. Solche Raumstationen gibt es bereits: die internationale Raumstation ISS und Chinas Pendant Tiangong.
3. Phase: Besiedlung des Mondes
Am 20. Juli 1969 um 20.17.58 Uhr betrat der erste Mensch den Mond. „Houston, Tranquility Base here. The Eagle has landed!“ – „Houston, hier ist der Stützpunkt Tranquility Base. Der Adler ist gelandet!“, sagte Neil Armstrong, einer von drei Astronauten der Apollo-11-Mission. Eugene Cernan und Harrison Schmitt von Apollo 17 waren die bisher letzten Menschen, die am 11. Dezember 1972 auf dem Erdtrabanten Station machten.
Bevor die Menschheit in die Tiefen des Alls vorstößt, muss der Mond mit Hilfe künstlicher Habitate bewohnbar gemacht werden. Diese Lebenswelten müssen Schutz vor Strahlung, UV-Licht und Temperaturextremen bieten, für eine Dauerbesiedlung müsste allerdings eine künstliche Gravitation und Atmosphäre erzeugt werden.
4. Phase: Planetare Stationen
Von den sieben Planeten unseres Sonnensystems kommen nur die drei erdähnlichen Himmelskörper Venus, Merkur und Mars mit seinen Monden Phobos und Deimos für eine dauerhafte Besiedlung in Betracht.
Der amerikanische Science-Fiction-Film „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ aus dem Jahr 2015 thematisiert die Kolonisation des Nachbarplaneten. Eine Reise zum Roten Planeten würde mehrere Monate dauern. Neben Weltraum-tauglichen Behausungen müsste ein leistungsfähiges Raumschiff konstruiert werden, dass seine Besatzung sicher zum Mars und zurück bringt. Auf dem Mars gelandet müsste man eine kleine Kolonie errichtet werden.
Im Orbit von Planeten
Eine zweite Variante ist die Entwicklung von Raumstationen, die im Orbit von Planeten kreisen würden. Eines der bekanntesten Modelle ist der Stanford-Torus, eine sich drehende, ringförmige Raumstation für 10 000 bis 140 000 Bewohner, die im Jahr 1975 von der US-Weltraumbehörde Nasa als visionäres theoretisches Modell vorgestellt wurde. Mittels künstlicher Schwerkraft und der Sonnenenergie könnte ein erdähnlicher Lebensraum erzeugt werden.
Planetare Habitate auf dem Merkur, der Venus oder den Jupitermonden Europa, Ganymed und Kallisto sind theoretisch ebenfalls denkbar. Ganymed beispielsweise hat einen Durchmesser von 5262 Kilometern (Erde: 12 742 Kilometer), verfügt über Wassereis und ein eigenes Magnetfeld mit einer Gravitation, die allerdings geringer ist als die der Erde.
5. Phase: Extrasolare Kolonien
Bemannte Exkursionen außerhalb unseres Sonnensystem sind nach heutigem Wissensstand ein absolutes Ding der Unmöglichkeit. Gegen die interstellare und intergalaktische Raumfahrt wäre eine Reise zum Mars ein Kindergartenausflug. Die Entfernungen sind unvorstellbar: Bis zum nächstgelegenen Stern „Alpha Centauri“ sind es 4,3 Lichtjahre, was 41 Billionen Kilometern entspricht.
Die Andromeda-Galaxie, die Nachbar-Galaxie der Milchstraße liegt 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt. Nur ein Raumschiff, dass sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegt, könnte diese Strecke schaffen.
Welche Technologie wäre nötig?
Allerdings sind die hierfür notwendigen Technologien nicht einmal im Ansatz abschätzbar. In Science-Fiction-Filmen verbringt die Crew die meiste Zeit im Kälteschlaf (Kryonik). Da diese Methode in der Realität nicht funktioniert, müssten die Raumfahrer über die gesamte Reisezeit mit Nahrung, Sauerstoff und Flüssigkeit versorgt werden, was enorme Ressourcen in Anspruch nimmt.
Ein weiteres Problem: der Antrieb. Nur ein Raumschiff, das durch einen Kernfusions- oder Antimaterie-Reaktor angetrieben würde, wäre in der Lage solche interplanetarischen Reisen zu unternehmen. Wie gesagt: rein theoretisch.
Ist Lichtgeschwindigkeit möglich?
Von Alpha Centauri braucht das Licht vier Jahre, um zur Erde zu gelangen. „Wenn die Lichtgeschwindigkeit von knapp 300 000 Kilometer pro Sekunde die größte Geschwindigkeit ist, die im Universum erreichbar ist, dann wäre man offenbar mindestens vier Jahre unterwegs“, sagt Metin Tolan, Experte für Experimentelle Physik und Präsident der Universität Göttingen. „Dem ist aber nicht so. Wenn man sich nämlich mit 99,9999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit bewegen könnte, würden auf dieser Reise nur drei Tage vergehen. Tatsächlich würde die Zeit also viel langsamer verlaufen.“
Zum Vergleich: Astronauten, die auf der Internationalen Raumstation ISS um die Erde fliegen, bewegen sich mit 28 000 Kilometern pro Stunde. Die 110 Meter hohe Saturn V Rakete (Einsatzzeit 1967-1973), eine der leistungsstärksten Trägersysteme der Raumfahrt, erreichte mit ihrem Treibstoffgemisch aus Sauerstoff und Wasserstoff eine maximale Geschwindigkeit von 38 900 Kilometern pro Stunde.
Die Landekapsel von Apollo 10 erreichte beim Wiedereintritt am 26. Mai 1969 eine Geschwindigkeit von 39 897 Kilometern pro Stunde – die höchste Geschwindigkeit, die von Menschen je erreicht wurde.
Generationen-Raumschiffe
Aufgrund der langen Flugzeit müssten interstellare Raumschiffe so konstruiert werden, dass sie mehreren Generationen Raumfahrern eine Heimat bieten. Während die erste Generation von der Erde losfliegt, wird die nächste Generation auf dem Raumschiff geboren. Der Schweizer Bestsellerautor und FuturologeErich von Däniken glaubt, dass Außerirdische auf diese Weise durch das Universum reisen.
Odyssee ins Weltall
„Was heute als Science-Fiction-Roman begonnen wird, wird morgen als Reportage beendet.“ Dieses Zitat stammt von dem britischen Physiker und Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke (1917-2008). Er schrieb eine Kurzgeschichte, die Stanley Kubrick als Vorlage für sein cineastisches Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“ diente.
Werden Clarke, Hawking und all die anderen Visionäre Recht behalten? Wird der Mensch nach den Sternen greifen? Oder wird er sich auf seinem Heimatplaneten selbst zugrunderichten?