Vor rund 14 Milliarden Jahren entstand der Kosmos in einem einzigen Moment: dem Urknall. Davor war nichts – so lautet die gängige Theorie der modernen Physik. Doch vielleicht gab es etwas, was noch viel älter ist als das Universum selbst – Dunkle Materie. Eine Spurensuche zu den Anfängen des Kosmos.
Was war vor dem Urknall vor 14 Milliarden Jahren? Diese Frage hat der amerikanische Physiker und TV-Moderator Neil de Grasse Tyson seinem berühmten britischen Fachkollegen Stephen Hawking kurz vor dessen Tod im März 2018 in seiner Talkshow „StarTalk“ gestellt.
Hawkings lapidare Antwort: „Nichts . . . Vor dem großen Urknall existierte . . . nichts.“ Außerdem habe die Frage, was vor der Geburt des Universums war, keine Relevanz, so Hawkings.
Was war vor dem Urknall?
Vielleicht gab es aber doch etwas vor dem Big Bang? Der finnische Physiker Tommi Tenkanen von der Johns Hopkins University in Baltimore (US-Bundesstaat Maryland) hat eine kühne Theorie aufgestellt, die unsere Vorstellungen vom Anfang der Welt auf den Kopf stellt. Seine These: Die rätselhafte Dunkle Materie könnte älter als der Kosmos selbst sein.
Dunkle Materie könnte Urknall vorausgegangen sein
Bis heute geht die Wissenschaft davon aus, dass die Elementarteilchen, welche die Dunkle Form der Materie hervorbrachten, gemeinsam mit sämtlicher Materie entstanden.
„Wenn die Dunkle Materie ein echtes Relikt des Urknalls wäre, dann hätten Forscher längst ein direktes Signal von ihr in verschiedenen Teilchenphysik-Experimenten finden müssen“, erklärt Tenkanen. Doch das hätten sie bisher nicht. Daraus zieht der Astronom den Schluss: „Dunkle Materie könnte dem Urknall vorausgegangen sein.“
Während dieser Phase, bevor sich das Universum wieder zusammenzogen hat, habe es eine Sorte von Elementarteilchen namens Skalare produziert. Bisher ist nur eine Art dieser kosmischen Partikel bekannt: das Higgs-Boson oder Higgs-Teilchen. Tenkanen zufolge könnte aber auch Dunkle Materie in diese Kategorie fallen.
Dunkle Materie – eines der größten Rätsel der Physik
Die Dunkle Materie gehört zu den größten Rätseln der Physik. Sie ist nicht sichtbar und wurde noch nie direkt beobachtet. Allerdings wissen die Forscher, dass sie da ist. Denn sie macht sich über ihre Schwerkraft bemerkbar. Ohne die zusätzliche Schwerkraft der Dunklen Materie würden beispielsweise viele Galaxien durch die Fliehkraft auseinander gerissen werden, da sie sich viel zu schnell drehen.
Alle Sterne in unserer Galaxie, der Milchstraße, zusammengenommen machen nur nur etwa 15 Prozent der (sichtbaren) Masse aus. Der Rest – rund 85 Prozent – ist Dunkle Materie. Es werde sehr spannend sein zu sehen, prognostiziert Tenkanen, was das Universum „über die Dunkle Materie enthüllen wird und ob seine Daten uns einen Blick in die Zeit vor dem Urknall gewähren“.
Der Moment, in dem alles begann
Der Big-Bang-Theorie zufolge ist unser Universum vor knapp 14 Milliarden Jahren aus einem extrem heißen und dichten Zustand hervorgegangen – dem Urknall. „Diese Hypothese geht davon aus, dass die gesamte Materie im Kosmos in ferner Vergangenheit in einem einzigen Big Bang entstanden ist“, so der Astronom und Mathematiker Fred Hoyle (1915-2001).
Der Samen des Universums war dabei viel kleiner als ein Atom und enthielt alle Materie und Energie, die sich heute über viele Milliarden Lichtjahre verteilen. Aus diesem Stoff ist alles entstanden: Sonne und Sterne, Materie und Strahlung – und das Leben. Einfach alles.
Irgendwann – den Grund kennen die Physiker nicht – fing dieser winzige, jenseits aller Vorstellungskraft dicht gepackte und unvorstellbar heiße Raum schlagartig an sich zum Universum auszudehnen. Und das tut er bis heute.
Katholischer Priester hörte als Erster den Big Bang
Es war ein katholischer Priester, der als erster den Urknall des Universums hörte und so die Big-Bang-Theorie begründete: der belgische Jesuitenpater und Astrophysiker Georges Lemaitre (1894-1966). Im Jahr 1927, und damit zwei Jahre vor dem amerikanischen Astronomen Edwin Hubble (1889-1953), dem die Entdeckung des expandierenden Universums bis heute zugeschrieben wird, veröffentlichte Lemaitre seine Studie über die Expansion des Universums.
Am 25. April 1927 hatte der Belgier Lemaître nichts weiter als den Grundstein für unser modernes Bild eines dynamischen und expandierenden Universums gelegt. Seine epochale Studie trägt den langen Titel „Un univers homogène de masse constante et de rayon croissant rendant compte de la vitesse radiale des nébuleuses extra-galactiques“ – „Ein homogenes Universum mit konstanter Masse und wachsendem Radius als Erklärung für die Radialgeschwindigkeit der extragalaktischen Nebel“ – und erschien in den Sitzungsberichten der „Annales de la Société Scientifique de Bruxelles", einer wenig bekannten physikalischen Fachzeitschrift.
Ausgehend von Albert Einsteins (1879-1955) Allgemeiner Relativitätstheorie und der Theorie eines dynamischen Universums des russischen Mathematikers Alexander Alexandrowitsch Friedmann (1888-1925), kam er zu der Erkenntnis, dass das Universum nach seiner Entstehung vor rund 14 Milliarden ständig im Raum expandiert.