Das Schicksal des Gesundheitscampus in Calw ist weiter in der Schwebe. Foto: Thomas Fritsch

Weil die Klinik-Beschlüsse des Kreistags rechtswidrig waren, wurde erneut beraten. Auch diese Diskussionsrunde um die Zukunft der Krankenhäuser im Kreis Calw änderte aber wenig. Die Mehrheit sprach sich erneut für Klinik-Fusion und Medizinkonzept aus. Nun droht alles teurer und später fertig zu werden.

Als der Calwer Kreistag sich im Dezember vergangenen Jahres mit großer Mehrheit für die Fusion der Klinik-Gesellschaften sowie für das Medizinkonzept 2030 aussprach, schien das Vorhaben in trockenen Tüchern zu sein. Umso turbulenter wirkten die vergangenen zwei Wochen.

 

Zuerst verkündete das Verwaltungsgericht Karlsruhe, dem Eilantrag des Kreistagsmitglied Eberhard Bantel (Freie Wähler) stattzugeben. Die Kreistags-Beschlüsse wurden in diesem Zuge für rechtswidrig erklärt, weil die Kreisräte die Unterlagen dazu erst fünf statt wie vorgeschrieben sieben Tage vor der Sitzung erhalten hatten.

Wenige Tage später brachten Politiker der FDP aus dem Kreis Calw sogar die Forderung nach einem Austritt aus dem Klinikverbund Südwest ins Spiel.

Und wiederum kurz darauf setzte Bantel ein Schreiben an Landrat Helmut Riegger sowie die Kreisräte auf, in dem er seine Beweggründe näher ausführte – und zudem die Stellungnahme eines Anwaltes anhängte, der von einem „unkalkulierbaren Kostenrisiko“ sprach, sollte der Kreis Calw die Fusion seiner Kliniken mit jenen im Kreis Böblingen eingehen.

In dieser Gemengelage kam nun der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss des Calwer Kreistags zusammen. Trotz längerer Diskussionen schien sich dabei aber vieles schlicht zu wiederholen.

Antrag auf Vertagung So brachte etwa Günther Schöttle, Fraktionsvorsitzender der AfD, wie bereits im Dezember auch diesmal einen Antrag auf Vertagung der Entscheidungen zu Konzept und Fusion ein.

Aufgrund der inzwischen noch schwierigeren finanziellen des Landkreises sowie zahlreicher Unwägbarkeiten warb er darum, einen Beschluss mindestens eineinhalb Jahre aufzuschieben. Davon hielten die anderen Fraktionen jedoch wenig.

„Wir sehen keinen Grund, die Vorberatung zu vertagen – ganz im Gegenteil“, meinte etwa CDU-Fraktionsvorsitzender Jürgen Großmann. Wenn man jetzt abwarte und nichts tue, bestehe gar die Gefahr, dass die Kliniken „finanziell in die Knie gehen“. „Dann geht ein Haus zu“, warnte Großmann.

Volker Schuler (Fraktionschef der Freien Wähler) bekräftigte, die Position seiner Fraktion habe sich seit dem 18. Dezember nicht verändert.

Wie die SPD-Fraktionsvorsitzende Ursula Utters lehnte er ab. Utters betonte zudem, man habe ohnehin bereits zu viel Zeit verloren.

Johannes Schwarz, Fraktionschef der Grünen, schloss sich an und appellierte, „einen Knopf dran zu machen“, damit die Arbeit endlich beginnen könne.

Und Peter Schuon (FDP) erklärte, er sei zwar gegen die Fusion, allerdings auch gegen eine Vertagung.

Der AfD-Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Medizinkonzept In der eigentlichen Diskussion um das Medizinkonzept warb Landrat Riegger einmal mehr um Zustimmung – und zwar schnellstmöglich. „Es kostet uns richtig viel Geld, wenn der Bau stillsteht“, mahnte er. Durch den aktuellen Aufschub gingen drei Monate verloren.

Auch die Zeitschiene habe sich wohl schon verschoben. Den Umzugstermin vom alten Krankenhaus in den Gesundheitscampus in Calw, der für Ende des Jahres angesetzt war, „werden wir aufgrund der Klage nicht einhalten können, Stand heute“, so Riegger.

„Wir machen solche Spielchen nicht mit“

Großmann nannte die Verzögerung ein „durchsichtigen Verfahren“, um die Entscheidung bis nach den Kommunalwahlen zu verschleppen. „Wir machen solche Spielchen nicht mit“, sagt er – zumal dies auf dem Rücken des dringend benötigten und verunsicherten Klinik-Personals ausgetragen werde, das man dadurch auch verlieren könne.

Bantel kritisierte einmal mehr die hohen Kosten im zweistelligen Millionenbereich, die nötig würden, um die Krankenhäuser in Calw und Nagold für das Medizinkonzept „passend“ zu machen und stellte schließlich den Antrag, das Medizinkonzept von der Fusion zu lösen. Beide Beschlüsse können in der aktuellen Form nur zusammen oder gar nicht gefasst werden.

Auch Schuon erklärte, ein Problem mit der Verquickung dieser beiden Punkte zu haben.

Am Abstimmungsergebnis änderte das nichts. Das Konzept wurde dem Kreistag mehrheitlich zum Beschluss empfohlen.

Fusion Zum Thema Fusion ergriff erneut Riegger zuerst das Wort. Er betonte, wie bereits in der Vergangenheit, den starken Minderheitenschutz, der durch den Vertrag gegeben sei. Der Anwalt, der von einem „unkalkulierbaren Kostenrisiko“ sprach, baue seine Annahme auf Rechenbeispielen auf, die rein „theoretischer Natur“ und „sehr unwahrscheinlich“ seien.

„Unrealistisch“ und „irreführend“

Schwarz bezeichnete die Beispiele – etwa dass der Kreis Calw plötzlich keine Verluste mehr mache, Böblingen dafür umso mehr – als „unrealistisch“ und „irreführend“. In einem solchen Fall müsste Calw ab 2030 mehr zahlen als nötig, da ab dann laut Vertragsentwurf eine Quote die Verlustübernahme regeln soll.

Es sei zwar absehbar, dass das Böblinger Flugfeldklinikum teuer werde; Bau- und Investitionskosten müssten aber weiter von den Kreisen getragen werden. Bei der Verlust-Quote gehe es um die Betriebskosten.

Auch Utters nannte die Beispiele „absurd“. Darüber hinaus gebe der Vertrag die Möglichkeit, nachzuverhandeln oder – bei einem extremen Ungleichgewicht der Verlusttragung – sogar zu kündigen. Ein Ausgleich könne zudem auch rückwirkend geltend gemacht werden.

Bantel war damit nicht zufrieden. Warum wolle der Kreis Böblingen überhaupt eine Verlust-Quote? Um zu sehen, was sich optimieren ließe, müsse man die Kliniken ja nach wie vor separat abrechnen. Und überhaupt mache der Vertrag „einen unfertigen Eindruck“.

Der Beschluss fiel trotz aller Diskussion eindeutig aus. Bei vier Gegenstimmen empfahl das Gremium, der Fusion zuzustimmen. Am 18. März liegt der Ball nun beim Kreistag.

Sorge vor juristischen Schritten

Beinahe zum Kuriosum
geriet im Verlauf der Gremiumsdebatte die Diskussion darüber, ob der Fachanwalt, der den Landkreis in Sachen Vertrag beraten hatte, zur Kreistagssitzung eingeladen werden solle oder nicht. Bantel beantragte, die Verwaltung solle sicherstellen, dass dieser bei der Kreistagssitzung ebenfalls dabei sei. Großmann witterte hier jedoch eine Finte. Der Antrag komme „wie ein kleines trojanisches Pferd in die Sitzung rein“. Seine Sorge: Würde dieser Antrag angenommen, der Anwalt sei am Sitzungstag aber verhindert, könne das einen Grund darstellen, die Sitzung vertagen zu lassen. Was spitzfindig wirkte, illustriert eindrucksvoll: Die Verunsicherung sitzt nach der juristischen Schlappe gegen das Verwaltungsgericht tief. Eine längere Debatte folgte. Der Antrag wurde schließlich abgelehnt.