In Hannover wurde die Bezahlkarte bereits eingeführt. Bald soll sie deutschlandweit kommen. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Geflüchtete sollen in Deutschland künftig kein Bargeld mehr bekommen – sondern eine Bezahlkarte. Wie funktioniert das Ganze? Und gibt es auch Kritik daran? Fragen und Antworten zu dem Thema.

Unter dem Druck anhaltend hoher Asylbewerberzahlen sind die Regierungschefs und -chefinnen der Länder am Mittwoch in Berlin zu Beratungen über die Migrationspolitik zusammengekommen. Schon vorab wurde ein Streitpunkt abgeräumt: die Bezahlkarte für Flüchtlinge.

Eine solche soll künftig statt Geld ausgegeben werden. Die Initiative war von den Ländern ausgegangen, Bedenken hatten innerhalb der Ampel-Koalition zunächst die Grünen angemeldet. Vor dem Treffen am Mittwoch kam aber das Okay der Bundesregierung.

Warum soll es eine Bezahlkarte für geflüchtete Menschen geben?

Bereits im November haben sich Bund und Länder darauf verständigt, ein Bezahlkarten-Modell einzuführen. Damit soll die „Bargeldversorgung“ von Asylbewerbern vereinfacht werden. Verknüpft ist die Einführung der Karte mit der Hoffnung, den Verwaltungsaufwand zu senken. Weil die Nutzung in manchen Bereich eingeschränkt ist, soll zudem sichergestellt werden, dass die Leistungsempfänger das Geld für sich nutzen und es nicht in die Herkunftsländer überweisen. Jedes volljährige „leistungsberechtigte Mitglied eines Haushaltes“ soll eine eigene Bezahlkarte bekommen.

Der dahinterliegende Gedanke der Politik: Deutschland soll für Geflüchtete als Zielland unattraktiver werden, Schlepperkriminalität bekämpft werden. Die Diakonie Deutschland forderte, die Geldkarte so auszugestalten, dass sie sinnvoll und diskriminierungsfrei genutzt werden kann. Diakonie-Vorstand Maria Loheide kritisierte, die derzeit geplante Karte schränke die Bargeldversorgung von Asylsuchenden drastisch ein und schließe Kontofunktionen wie Überweisungen und Lastschriften aus. „Aus unserer Sicht sollte eine solche Karte - wenn überhaupt - nur in der Phase der Erstaufnahme von Flüchtlingen zum Einsatz kommen, solange noch kein Konto eröffnet werden kann. Für uns gilt ganz klar: Konto vor Geldkarte, spätestens wenn die Menschen in den Kommunen ankommen.“

Eine Ausnahme sollen Menschen aus der Ukraine bleiben. Sie sollen keine Bezahlkarte erhalten, da sie Bürgergeld bekommen.

Was kann man konkret mit der Karte machen – und was nicht?

Die Bezahlkarte ist guthabenbasiert und nicht an ein Konto gebunden – faktisch handelt es sich um eine Debit-Karte, wie sie auch Banken anbieten. Damit kann Geld abgehoben werden, nutzen können die Besitzer die Karte aber nur innerhalb Deutschlands. Zudem haben sich die Länder darauf geeinigt, dass damit keine Überweisungen möglich sind – auch nicht von Bezahlkarte zu Bezahlkarte. Ansonsten kann man ganz „normal“ damit einkaufen. Die technischen Möglichkeiten sollen in allen Ländern einheitlich sein. Grundsätzlich soll die Karte bundesweit gültig sein, die Länder können dies jedoch regional und für bestimmte Branchen einschränken: Beispielhaft wurde in der Debatte mehrfach das Glücksspiel genannt.

Welche Funktionen die Karte letztlich hat, ist Sache der Länder – und dementsprechend dürften sich „Zusatzfunktionen“ unterscheiden. Auch eine Obergrenze für die Auszahlung ist im Gespräch.

Gibt es Ausnahmen?

Ja. Uneinigkeit bestand in der Ampel-Koalition darüber, ob es zur Einführung eine bundesgesetzliche Regelung braucht. Die Grünen hatten diese abgelehnt, weil sie befürchteten, dass dadurch Einschränkungen für Asylbewerber verbunden sind. Der Kompromiss sieht nun vor, dass Erwerbstätige, Azubis und Studierende von der Bezahlkarte ausgenommen werden. Der Kabinettsbeschluss ist zudem mit einem Prüfauftrag für den Bundestag versehen.

Wann kommt die Bezahlkarte für Flüchtlinge?

Das hängt vom Bundesland ab. 14 Bundesländer haben sich inzwischen auf ein gemeinsames Vergabeverfahren verständigt. Eigene Wege gehen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte eine „härtere“ Regelung an. Die Vergabe ist für den Sommer anvisiert.

Hamburg hat die Karte aber bereits Mitte Februar eingeführt, Bayern will im März in vier ausgewählten Pilot-Kommunen starten. Sachsen plant den Start für April.

Gibt es Erfahrungen, ob das Modell funktioniert?

Mehrere Landkreise in Deutschland haben bereits Modellprojekte gestartet: Beispielsweise die Kreise Greiz und Eichsfeld in Thüringen. Auch in Hannover gibt es bereits seit einiger Zeit eine solche Bezahlkarte. Weil sich die Karten stark unterscheiden, fällt auch die Bilanz unterschiedlich aus: Verantwortliche Politiker sind zufrieden, Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Verfahren und bemängeln Einschränkungen für Asylbewerber. Die Asylbewerberleistungen seien „zum Lebensunterhalt vor Ort gedacht und nicht zur Steigerung des Lebensniveaus von Menschen in den Herkunftsländern“, heißt es beispielsweise aus dem Landratsamt in Greiz.

Wie beurteilen Experten die Einführung der Karte?

Unterschiedlich. Der derzeitige Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration der Bundesregierung, Hans Vorländer, erklärte, dass durch eine Bezahlkarte der Aufnahmeprozess vereinfacht werden könnte. Allerdings glaubt er nicht, dass die Karte Flüchtlinge davon abhält, nach Deutschland zu kommen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Sozialleistungen keinen entscheidenden Pull-Faktor darstellten. Der Sozialwissenschaftler Marcus Engler spricht mit Blick auf die Einführung von Bezahlkarten sogar von Symbolpolitik.

Kinderrechtsexperten appellierten an die Politik, die Pläne komplett zu verwerfen. „Statt neuer Regelungen, die schutzsuchende Kinder, Jugendliche und Familien diskriminieren und stigmatisieren, müssen endlich Bedingungen für gelingende Integration und Teilhabe gefördert werden“, forderte der Vorstandssprecher der Kinderrechtsorganisation terre des hommes, Joshua Hofert.„Für Kinder und Jugendliche heißt das: Künftig fehlt das Bargeld für die Klassenkasse oder das Pausenbrot am Schulkiosk“. Problematisch seien etwa auch Mitgliedsgebühren für Sportvereine oder Musikschulen, die Familien so nicht entrichten könnten.