Bürgermeister Roberto Chiari ist begeisterter Pilger. Für die Realisierung des Liebenzeller Jakobsweges bekommt er breite Unterstützung. Foto: Chiari

Trotz der hohen Verschuldung will Bad Liebenzell zahlreiche Projekte 2023 vorantreiben.

Bad Liebenzell - Die Stadt Bad Liebenzell hat stets mit klammen Kassen zu kämpfen gehabt. Dann kamen auch noch die Corona-Pandemie und mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Energiekrise hinzu. Bürgermeister Roberto Chiari erläutert, welche Herausforderungen in diesem Jahr auf die Stadt zukommen.

Von Corona-Pandemie zu Ukraine-Krieg und Energiekrise, dazu noch Klimawandel und so einiges mehr – mittlerweile scheint der Dauerkrisenmodus normal zu sein. Wie gehen Sie persönlich damit um?

In der Tat stellen diese Krisen eine echte Belastung für alle Kommunen dar. Nicht nur, dass die zusätzlich anfallenden Aufgaben mit der gleichen Anzahl an Personal bewerkstelligt werden müssen, die Corona-Pandemie und auch der Ukrainekrieg hinterlassen darüber hinaus sehr tiefe Spuren in den städtischen Haushalten. Wohlgemerkt sind das zwei globale Krisen, für die wir kommunal nicht verantwortlich sind. Als Verwaltung ist es allerdings unsere Verantwortung, ruhig und souverän durch diese Krisen zu führen. So ist auch mein persönlicher Umgang damit. Nicht in Hektik und Aktionismus zu verfallen, sondern besonnen und sachlich überlegt vorzugehen.

Was macht Ihnen am meisten Sorge, beruflich und/oder privat, wenn Sie an die Zukunft denken?

Als ein von Grund auf positiv denkender Mensch mache ich mir bezüglich der Zukunft keine Sorgen. Gleichwohl gibt es genug Mitbürgerinnen und Mitbürger, die existenzielle Sorgen haben. Diese Sorgen nehme ich ernst. Es gilt weiterhin, die großen und kleinen Herausforderungen des Alltags zu meistern. Dafür werde ich mich auch 2023, mit allem was ich habe und dafür notwendig ist, einsetzen.

Die Corona-Pandemie hat inzwischen ihren Schrecken verloren. Rückblickend: War die Corona-Politik richtig?

Es war richtig und wichtig auf die Pandemie zu reagieren. Deutschland hat im weltweiten Vergleich die direkten gesundheitlichen Folgen der Corona-Krise gut gemeistert. Vor allem die besonnene Reaktion einer großen Mehrheit der Bevölkerung hat sicherlich Schlimmeres verhindert. Aber auch die Politik hat aus meiner Sicht vieles richtig gemacht. Dass dabei nicht alles perfekt lief, kann man niemandem verübeln – schließlich haben wir alle eine solche Krise noch nie zuvor erleben müssen. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man aus dieser Krise die entsprechenden Lehren zieht und man die Dinge, die vermeintlich falsch gelaufen sind, in Zukunft besser macht. Aber über allem steht mein unbedingter Wunsch, dass wir so etwas oder Ähnliches nie wieder erleben müssen.

Stichwort Energiekrise: Was tun Sie, um Energie zu sparen?

Wir folgen konsequent den Handlungsempfehlungen der Bundes- und Landesregierung. Unsere Landesregierung hat potenzielle Einsparmöglichkeiten in einem Fünf-Punkte-Plan dargelegt. Dies sind unter anderem wärme- und energieeinsparende Maßnahmen in sämtlichen städtischen Gebäuden und Einrichtungen bis hin zur Reduzierung der Leuchtzeiten der Straßenbeleuchtung. Über die energieeinsparenden Maßnahmen, die wir in der Therme getroffen haben, hatten Sie ja vollumfänglich berichtet.

Wenn Sie an 2022 denken: Was war Ihr persönlicher Höhepunkt als Bürgermeister?

Da es mein erstes Jahr als Bürgermeister war, kann ich mit Recht behaupten: Das ganze Jahr war ein Highlight für mich. Ich habe sehr viele interessante Menschen, Vereine und Institutionen kennenlernen dürfen, habe gesehen, mit welchem Elan die Menschen in Bad Liebenzell und seinen Teilorten engagiert sind. Auch das Arbeiten mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Rathaus bereitet mir sehr viel Freude.

Und was war Ihr privater Höhepunkt?

Das ist sicherlich die andauernde Realisierung des Projekts des Liebenzeller Jakobswegs. Ich freue mich, mit welch positiver Dynamik sich dieses Projekt entwickelt und wie viel großartige Resonanz ich dafür erhalte. Auch hat sich eine breite Unterstützergemeinschaft aufgetan, egal ob zum Beispiel private Helfer oder der Schwarzwaldverein. Das erleichtert die Umsetzung natürlich um ein Vielfaches.

Welches Projekt wird für Ihre Stadt 2023 das wichtigste sein?

Es ist nahezu unmöglich, hier ein Projekt besonders hervorzuheben, da alle Projekte wichtig sind. Da sind zum einen die Projekte, die bereits begonnen wurden und endlich zur Vollendung gebracht werden müssen, wie zum Beispiel das Neubaugebiet Wasenäcker in Möttlingen. Zum anderen sind da aber auch die Projekte, die noch nicht in die Realisierung gehen konnten, wie zum Beispiel die Sanierung der Wasserleitungen in Unterhaugstett. Hier warten wir sehnsüchtig auf die Förderzusage der Landesregierung, weil es ohne diese Förderung schwierig wird, die Kosten im sehr angespannten Haushalt abzubilden.

Ein Blick etwas weiter in die Zukunft: Ab 2026 soll es einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule geben. Wie bereitet sich Ihre Stadt vor?

Bereits seit dem Schuljahr 2016/2017 gibt es in Bad Liebenzell die Ganztagesgrundschule. Somit hat Bad Liebenzell schon vor vielen Jahren den richtigen Schritt in Richtung Ganztagesbetreuung gemacht. Bereits heute werden über 120 Kinder am Standort Bad Liebenzell ganztags – wenn gewünscht von 7 bis 17 Uhr beziehungsweise freitags bis 14.45 Uhr – betreut. Natürlich wird bis zum Rechtsanspruch im Jahr 2026 noch ein weiterer Ausbau des Angebots notwendig werden, sowohl beim Personal als auch bei den Räumlichkeiten. Dies bereiten wir schrittweise vor und behalten dabei auch die Außenstellen im Blick, auch wenn es dort aller Voraussicht nach ein eher kleineres Angebot geben wird. Personell passen wir unser Angebot bereit jetzt immer wieder an. Räumlich hat der Gemeinderat jüngst den Neubau eines Gebäudes mit sechs Klassenzimmern auf den Weg gebracht, was im Hinblick auf die momentan noch begrenzte Raumsituation in der Betreuung der richtige Schritt ist. Zusammen mit dem Gremium werden hier in 2023 weitere Schritte bezüglich des Raumkonzepts gegangen.

Demografischer Wandel und Fachkräftemangel: Wie lange gibt es noch genügend Personal in Ihrem Rathaus?

Hinter dem um sich greifenden Personalmangel steht selbstverständlich die kritische demografische Entwicklung in einer alternden Gesellschaft. Ich gehe davon aus, dass der Ist-Zustand leider nur ein Vorgeschmack darauf ist, auf das, was uns noch bevorsteht.

Studien zufolge werden der öffentlichen Hand 2030 über 800 000 Fachkräfte fehlen. Wenn diese Zahl stimmt, rüttelt sie aus meiner Sicht an der Zukunftsfähigkeit von deutschen Verwaltungen. Auf Ihre Frage habe ich natürlich keine konkrete Antwort. Allerdings müssen wir heute schon Maßnahmen ergreifen, um uns für die Zukunft abzusichern. Dies wiederum kann gelingen, wenn wir auf unterschiedliche Hilfsmittel zurückgreifen. Wir bilden bereits seit vielen Jahrzehnten konstant aus und konnten dabei schon sehr viele Auszubildende als Nachwuchskräfte übernehmen. Darüber hinaus investieren wir in unsere Mitarbeiter, indem wir sie kontinuierlich fortbilden. Aber das alleine wird nicht reichen, um zukunftsstark zu sein. Zum einen müssen wir uns als Arbeitgeber attraktiver aufstellen, zum anderen sind wir gut beraten, wenn wir uns für Themen öffnen, die aus heutiger Sicht noch nicht oder nur teilweise gelebt werden wie zum Beispiel die Intensivierung interkommunaler Zusammenarbeit mit unseren Nachbargemeinden.

Welche bürokratische Hürde würden Sie in Ihrem Arbeitsalltag gerne über Bord werfen?

Jede! Aber im Ernst: Unsere Bürokratie hat uns seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein stückweit dahin gebracht, wo wir heute stehen. Gleichwohl müssen sämtliche Prozesse auf ihre Aktualität und Sinn und Zweck hin überprüft werden. Ich freue mich über den Vorstoß unseres Ministerpräsidenten, die Bürokratie im Ländle abbauen zu wollen, und bin gespannt darauf zu erfahren, was genau das bedeutet.

Generell wird das Bürgermeister-Amt nicht gerade einfacher. Würden Sie Ihren Kindern oder anderen nahestehenden Menschen diesen Job empfehlen? Warum oder warum nicht?

Seitdem ich das Amt übernommen habe, wurde ich bereits von einigen Interessenten nach meinen Erfahrungen als noch junger Bürgermeister angesprochen. Ich wurde gefragt, ob ich es noch mal machen würde und ob ich es ihnen empfehlen kann, sich für dieses Amt zu bewerben. Für meine Antwort musste ich jeweils nicht lange überlegen, eigentlich kam das "ja" sogar wie aus der Pistole geschossen. Das Amt des Bürgermeisters ist kein Beruf, es ist für mich eine Berufung. Es ist eine schöne Sache, so viel Verantwortung in den Schoß gelegt zu bekommen und zu wissen, das man sein Menschenbestes unternimmt, um dem gerecht zu werden und behutsam damit umzugehen. Insofern möchte ich die Gelegenheit gerne nutzen und sogar für dieses tolle Amt werben: Bewerben Sie sich als Bürgermeister oder als Bürgermeisterin, es lohnt sich wirklich.