Eine intakte Natur gehört zum Leitbild der BiM-Politik – auch nach dem "Hau- und Holzwiese"-Entscheid. Foto: Hopp

Fraktionschefin schildert zukünftigen Kurs der BiM nach Verhinderung der "Hau und Holzwiese"-Pläne.

Horb - Der Plan, auf dem Areal Hau und Holzwiese ein Gewerbegebiet zu bauen, ist im Oktober gescheitert. Damit hatte die Gemeinderatsfraktion "Bürger im Mittelpunkt" (BiM) eines ihrer Ziele erreicht. Denn: Die BiM waren aus der BI Hau und Holzwiese hervorgegangen. Wie sie politisch weitermachen wollen, schildert BiM-Fraktionschefin Christina Nuss.

Braucht man die BiM noch?

Man braucht uns in Horb auf jeden Fall. Die BiM ist zwar aus der BI erwachsen, die sich ja nicht nur für den Erhalt von Hau und Holzwiese eingesetzt hat, sondern auch für Boden- und Naturschutz, unser BiM-Wahlprogramm beinhaltet jedoch weit mehr. Wir sehen unseren Vorteil darin, dass wir keinen Partei-Dogmen unterliegen. Nachteil ist, dass uns niemand direkt zu verschiedenen politischen Themen an die Hand nimmt und wir uns somit das Meiste selbst erarbeiten. Außerdem stärkt uns kein landes- oder bundespolitisches Netzwerk. Dafür sind wir aber frei und unabhängig, konzentrieren uns auf die Anliegen der Bürger und folgen unserer Logik unter Einbindung unseres gewonnenen Know-hows. Wichtig ist uns dabei das stets offene Ohr für die Bürger. Dass wir dringender denn je benötigt werden, kann man schon daran festmachen, dass in den vergangenen Monaten ständig über Transparenz oder Flächenverbrauch berichtet wurde.

Wofür hat die BiM außer Hau und Holzwiese bisher gekämpft?

Wir haben uns eingesetzt für Boden- und Umweltschutz und uns damit gegen die Ausweisung von Baugebieten nach § 13b ohne Umweltausgleich ausgesprochen. Besonders wichtig war uns unser Antrag zur Einsetzung eines Flächenmanagers, um die Innenentwicklung zu stärken. Mit der OGL gemeinsam haben wir uns stark gemacht für den Ausbau von Photovoltaik auf städtischen Dachflächen sowie einer möglichen Verpflichtung für Gewerbe bei Neubau.

Weiterhin haben wir uns für soziale Belange eingesetzt – mit dem Antrag "Horb als sicherer Hafen" zusammen mit SPD und OGL.

Unsere Anträge zeugen davon, dass wir uns für die Bürgerschaft mehr Transparenz erhofft haben. Beispiele dafür sind: der Antrag auf vereinfachte Darstellung des Haushalts auf der Homepage der Stadt nach dem Vorbild der Stadt Biberach oder auf Transparenz und Information zum Sachstand KV-Terminal sowie der erneuten Darstellung der Prozesse des Wirtschaftsförderers und des Citymanagers. Dass uns eine gute Kommunikation mit den Bürgern wichtig ist, hat sich im Besonderen im Disput mit Betroffenen in der Panoramastraße sowie aus dem Ruhewald gezeigt. Zu beiden Themen hatten wir Vorschläge gemacht.

Wen wundert’s: Wir haben natürlich als einer unserer ersten Anträge den Antrag auf Erarbeitung eines Zielbildes/einer Vision für Horb gestellt, weil wir uns davon eine bessere Entscheidungsfindung des Gemeinderates gemeinsam mit der Stadtverwaltung sowie eine gute Orientierung aller Bürger bezüglich der Entwicklung der Gesamtstadt Horb versprochen haben.

Mit unseren Beschlussfassungen haben wir auch dazu beigetragen, den Horber Bauhof, die Kindergärten und Schulen sowie viele Unterhaltungsmaßnahmen zu stärken.

Wie sind die Erfahrungen mit Stadtverwaltung und Gemeinderat?

Das erste Jahr im Gemeinderat war sehr enttäuschend, aber auch lehrreich für uns, weil unsere Anträge entweder aus den unterschiedlichsten Gründen verschoben oder abgelehnt wurden.

Ende 2019 wurden alle Beschlüsse pro §13 b Neubaugebiete ohne Umweltausgleich zu unserem großen Bedauern gefasst. In 2020 ist gleich als erstes der Flächenmanager dem Corona-Haushaltsloch zum Opfer gefallen, wo hingegen andere Stellen dem kritischen Auge des "Beurteilers Gemeinderat" noch entkommen sind. Daran ist eine Prioritätensetzung gut erkennbar. Horb wurde kein sicherer Hafen. Für uns eine humanitäre Katastrophe! Mit der Vertagung zur Beschlussfassung über das geplante Gewerbegebiet Ahldorf im Sommer war unser BiM-Resümee: Wir sind erfolglos! Aber das hatte uns dennoch nichts von unserer Energie geraubt, weiterhin durch stete Sensibilisierung und guter Argumentation ein Umdenken im Gemeinderat und in der Bevölkerung langfristig bewirken zu können.

Bei Ahldorf gab es aber doch eine Mehrheit gegen das Gewerbegebiet…

Das kam umso überraschender! Vor der Sitzung hatten wir nicht gewagt, auch nur an einen knappen "Sieg" zu denken.

Sie fordern hartnäckig die Erarbeitung einer Vision für Horb ein. Warum?

Was uns fehlt, ist die Vorstellung von einer Gesamtstadt Horb, wie sie 2035 aussehen könnte, eine Vision, von den Bürgern mitgetragen, nicht kleingliedrig auf Areale bezogen; sondern eine Vision/ein Leitbild dazu, wie hier zukünftig gelebt und gearbeitet wird; getragen und beflügelt von welchen Wertvorstellungen. In dieses Bild fließen die Erkenntnisse der zukünftigen, vorherrschenden Trends auf der Welt und in unserem Umfeld ein, welche uns beeinflussen. Die Trends können sich auf Lebens-, Wohn-, Arbeits- oder Mobilitätsformen und Ähnliches beziehen. Kombinieren wir die Stärken Horbs, die es zu bewahren oder zu fördern gilt, weil vom Bürger sehr geschätzt, mit den von uns favorisierten Trends, erschaffen wir eine zukunftsorientierte, lebenswerte Vision von Horb. Der geplante Weg dahin stellt die Strategie dar, die bei konsequenter Verfolgung Orientierung und Identifikation verleiht. Detailfragen, wie welche Zielgruppen bevorzugt umworben werden sollten, resultieren daraus.

Laut OB Rosenberger steht alles schon im Masterplan 2050 drin. Haben Sie ihn gelesen?

Natürlich haben wir uns den Masterplan 2050 angeschaut, obwohl er mehrere hundert Seiten umfasst. Er ist eine Zusammenfassung vieler Ideen und Wünsche für Horb, von den Horber Bürgern in einem langen Prozess erarbeitet. Außerdem wurden im Masterplan 2050 durch eine sicherlich sehr zeitaufwendige Ausarbeitung die strategischen Zielrichtungen festgelegt und mit den entsprechenden Maßnahmen hinterlegt. Für diesen großen, umfänglichen Prozess zollen wir den Bürgern und der Verwaltung unseren hohen Respekt.

Dieser Plan sollte unserem Anliegen, der Erarbeitung einer Vision für Horb, als Backup-Unterlage dienen.

Duale Hochschule, Umgestaltung der Kernstadt, Radverkehrskonzept, Hochbrücke. Reicht das für die Zukunft Horbs? Auch angesichts der demografischen Entwicklung?

Das reicht natürlich nicht. Vieles davon habe ich schon beim Thema Vision und Strategie angesprochen. Gerade jetzt versuchen wir, die Voraussetzungen für ein Klima der Kreativität, Dynamik und Offenheit zu schaffen. Dabei möchten wir bewusst nicht mit den Bürgern unsere Vorschläge diskutieren, sondern mit den Menschen ins Gespräch gehen, ob in Präsenzform oder digital. Die Frage dazu wäre, was es braucht, um ihrer Meinung nach eine hippe Stadt mit hoher Lebensqualität für alle Bürger zu werden. Wenn die Coronaregeln es zulassen, stehen wir auch wieder in öffentlichen Räumen zur Verfügung.

Wie könnte "dieses Klima" entstehen?

Ideenkonferenzen sind natürlich eine super Sache. Aber wir stellen uns auch unkonventionelle Formate vor. Digitale Tools, in die Ideen eingegeben oder mit anderen generiert werden können, in denen Vernetzung stattfinden kann und die gelikten Ideen auf Umsetzer stoßen können, wären unsere Wunschvorstellung. Außerdem braucht es Menschen, die auf andere zugehen, zuhören, netzwerken und akquirieren können, damit Ideen in Reinform oder modifiziert umgesetzt werden können, passend zu dem Gesamtbild der Stadt. Eigendynamik sollte entstehen und keine digitalen Aktenordner! Die Ideen aus der Stadtverwaltung sind natürlich darin einbezogen!

Welche möglichen Impulse für eine Zukunft von Horb sieht die BiM?

In Naherholung und Tourismus sehen wir ungeheures Potenzial. Wir könnten Touristenmagnet sein. Horb als attraktives Ausflugsziel! Eine Stadt, die zum Verweilen einlädt mit Straßencafés und Attraktionen wie der Baumwipfelpfad in Bad Wildbad. Möglichkeiten für Horb könnten sein: Rad- und Wanderrundweg über alle Horber Teilorte hinweg, eine Horber Fahrradwelt, Ballonfahrten in Freizeit oder in Kombination mit Kreativitätsübungen, der Aufbau der schönsten oder längsten Reitwanderstrecke des Ländles, Waldbaden, Neckarerlebniswelt. Das sind viele Ideen, die uns auf dem Weg der BI–Aktionen von Bürgern zugetragen wurden.

Braucht Horb wieder eine Gartenschau?

Gut wäre auf jeden Fall wieder die Kultur des "ich pack’s an", wie damals beim Grünprojekt. Diesen Geist des gemeinsamen motivierten Schaffens benötigen wir, ganz gleich, um welches Event es sich handelt. Wenn die Hochbrücke steht und der Fruchtkasten entwickelt ist, wäre ein vergleichbares, gemeinsames Projekt Horb eine tolle Teamspirit-Geschichte!

Nagold hat mit einem Masterplan nicht nur die Verkehrsanbindung optimiert, mit Geldern, die damals Horb für die innerörtliche Entlastungsstraße abgelehnt hatte. Welches Modell sieht die BiM langfristig für Horb?

Mit den richtigen Schritten können wir ein Modellprojekt für das Leben im Einklang mit der Natur sein, für Arbeiten und Wohnen in der Natur, Freizeit und Naherholung vor der Haustür, Modellprojekt für alternative Wohnkonzepte, nachhaltige Tourismusregion oder Modellraum zur Ausübung des Hobbys werden. Dazu könnte sich ein Modell "Neckarerlebnis" – oder wie es in Stuttgart heißt: "Stadt am Fluss" -– einpassen.

Sind der BiM deshalb auch die Neubaugebiete und die innerörtliche Entwicklung so wichtig?

Ja. Die Zukunftsprognosen zu Wohnen im ländlichen Raum sagen aus, dass die Menschen verstärkt wieder aufs Land ziehen möchten. Es darf aber nicht geschehen, dass wir "planlos" Neubaugebiete ausweisen und damit unsere wertvollen Schätze der Natur verbauen. Durch wandelbares, ausbau- und anpassungsfähiges sowie ökologisches Bauen, WG’s fürs Alter und für die Jugend, Mehrgenerationenhäuser und altersgerechtes Wohnen in allen Teilorten sowie Mehrfamilienhäuser, modern mit Innenhof ausgestattet, mit Gemeinschaftsräumen für Events wie gemeinsames Kochen oder mit Betreuungsmöglichkeiten sowie stilvolle Designermehrfamilienhäuser schonen wir unsere Flächenressourcen und gestalten soziales Leben. Die innerörtliche Entwicklung ist uns ein ganz besonderes Anliegen, damit nicht immer mehr Satellitenwohngebiete mit hohen Infrastrukturkosten entstehen und dabei das Leben im Ort versiegt. Hier wäre uns der Flächenmanager tatsächlich hilfreich gewesen.

Reicht das neue Bauen aus?

Natürlich nicht. Es sollte in ein Umfeld passen, in dem der ländliche, naturnahe Charakter erhalten bleibt. Durch die bessere Vernetzung der Naherholungsgebiete könnte sich Horb und seine Ortsteile so entwickeln wie beispielsweise an den Bärenseen in Stuttgart – dass sowohl Radfahrer, Wanderer, Segwayfahrer, Familien, Jogger und Freizeitsportler in der gesamten Raumschaft sich wohlfühlen und dieses Angebot vor ihrer Haustür finden und starten können. Treffpunkte wie auf dem Rauschbart gibt es ja schon.