Die Helfer in der Bedarfs-Erstaufnahme Ergenzingen können derzeit durchatmen – es gibt viele leere Betten in dem Industrie-Bau. Foto: Hopp

Riesige Dräxlmaier-Halle scheint leer zu sein. Neue Busse kommen jedoch an - auch aus Meßstetten.

Rottenburg-Ergenzingen - Der Wachdienst ist entspannt, die Polizei auch. Denn: Das RP meldet mit Stichtag 28. Januar: Nur zehn Flüchtlinge in der Bedarfs-Erstaufnahme Ergenzingen.

Für viele Ergenzinger war es damals eine große Überraschung: Innerhalb von wenigen Tagen im September letzten Jahres wurde die ehemalige Fabrikhalle von Dräxlmeier im Oktober mit knapp 600 Flüchtlinge gefüllt.

Gestern war auf der Homepage des RP Tübingen unter "Aktuelle Belegungszahlen der Erstaufnahmeeinrichtung im Regierungsbezirk Tübingen. Stand: 28.1.2016. Ergenzingen: 10."

Was ist das los? Brauchen wir die Erstaufnahme in Ergenzingen nicht mehr?

Recherche vor Ort. Die Wachleute sind ganz entspannt: "Heute morgen sind wieder zwei Busse angekommen."

Dann kommt die Polizei vorbei. Die Beamten steigen aus, plaudern mit den Wachleuten. Einer sagt: "Im Moment ist es für uns entspannt. Das kann sich aber sehr schnell ändern." Er zeigt auf die andere Hälfte der Hallen: "Das kommt noch dazu. Wir sind auch schnell wieder da."

Trotzdem: Die Halle ist ja nur gut zu einem Sechstel belegt. Bleibt es auf Dauer so ruhig in Ergenzingen?

Daniela Hüttig, Sprecherin des zuständigen Regierungspräsidiums Tübingen: "In Ergenzingen wird es so weitergehen wie bisher. Dass die Zahlen derzeit so niedrig sind, liegt an den Ankommenden. Zugangszahlen werden aber auf Dauer nicht so niedrig bleiben." Seit gut einer Woche sind nur eine Handvoll Flüchtlinge in der Riesen-Halle. Sicherlich trägt auch noch das zentrale Registrierungszentrum in Heidelberg dazu bei, wie die RP-Sprecherin bemerkt: "Das entlastet uns sehr."

Sanitärtrakt in der Halle wird eingebaut

Doch die fast leere Halle –sie ändert bisher nichts an den Plänen des Regierungspräsidiums, die BEA hier aufrecht zu erhalten. Hüttig: "Das ist vielleicht gar nicht so schlecht. Gerade wird der Sanitärtrakt in der Halle eingebaut. Da kann es sein, dass für ein paar Stunden das Wasser abgestellt ist."

Doch jetzt gibt es ja neue Initiativen, dass der Flüchtlingsstrom begrenz werden soll. Bleibt es beim Plan, die BEA in Ergenzingen zu erweitern? Hüttig: "Die Planungen laufen, aber im Moment haben wir bei der Erweiterung keinen Zeitdruck."

Ein RP-Mitarbeiter führt uns durch die Halle. Rechts, wo früher der Gebetsraum war, ist jetzt der Freizeitbereich. Tischkicker, Tischtennisplatte, Sofas und eine Orgel. Hier sitzt eine Familie, hat das Automatik-Schlagzeug auf volle Pulle gedreht und spielt arabische Melodien. Der Tischtennisball klappert, ein Vater steht mit seinem Sohn am Tischkicker.

Der RP-Mitarbeiter: "Die Gebetsräume heißen jetzt Raum der Stille und sind unten. Sie stehen jedem offen – egal ob Muslim oder Christ."

Die Betten unten – leer. Hinten sind die Rotkreuz-Mitarbeiter dabei, die Papiere der gut 90 neuen Flüchtlinge einzuscannen. Eine Station weiter werden Bettlaken verteilt.

Links steht jetzt die Essensausgabe: Weiße Platten, innen Theke. Eine Mitarbeiterin sagt: "Gestern war ganz wenig los. Da haben wir mal richtig sauber gemacht und für heute alles vorbereitet."

DRK-Mitarbeiter Christian Nagel führt uns hinten in die Kinderkrippe. Er sagt stolz: "Das ist unser Vorzeigeprojekt. Seit gut einem Monat sind wir damit fertig." Spielgeräte stehen an mehreren Stellen, die Wände sind voll mit Kinderbildern – hinten an der Wand stehen mit Stoff zugedeckte Paletten. Nagel sagt: "Wir brauchen den Platz leider. Aber insgesamt finden wir, dass es gelungen ist. Die Kinder fühlen sich wohl."

Blick aus dem Fenster. Dort steht ein riesiges Spielgerät. Die Fläche ist mit Rindenmulch abgedeckt – eine Spende der Stadt Rottenburg, wie der DRK-Mitarbeiter erzählt.

Der nächste Bauzaun wird geöffnet. Auf der schwarzen Folie steht ein Zettel "Schule". Drinnen: Bänke, Regal, Tafel. Nagel: "Während die Kinderkrippe nebenan für die Kids bis 8 Jahre ist, sind hier die Kinder bis 14 Jahre untergebracht. Dazu wird der Raum auch für Deutschunterricht genutzt. Die Kurse in der Schule lohnen sich erst, wenn 50 bis 60 Flüchtlinge teilnehmen. Wenn es weniger sind, wird hier unterrichtet. Übrigens gibts hier auch Nachhilfe für Persisch und Arabisch."

Dann geht es eine Etage tiefer. Während die Schlaf-Karrees normalerweise mit Bauzaun mit schwarzer Folie abgehängt sind, ist ein Karree mit weißen Platten abgetrennt. Der RP-Mitarbeiter: "Das ist der Schlafraum für Frauen, die alleine kommen."

Fünf Treppenstufen aus Spanplatte hoch. Die Bauarbeiter sind gerade dabei, die französischen Klos (Platte auf Boden mit zwei Erhebungen für die Füße) mit PVC-Boden zu verlegen. Einer sagt: "Wir sind spätestens morgen durch. Dann kommt noch der Schreiner für die Trennwände. Die Duschen werden wohl nächste Woche Dienstag fertig."

Flüchtlinge werden aus Meßstetten geschickt

Es ist ruhig. Nur das Orgelspiel und der klappernde Tischtennisball stören die Ruhe. Zum Schluss geht es noch in die Verwaltungscontainer. Was heißt: Container? Die "Blechkisten" sind mit einem schrägen Holzdach überspannt, in der Mitte gibt es eine Art Empore mit Spanplatten auf dem Boden. Überdachte Wartefläche – denn hier sitzen sowohl das RP, die Arztpraxis, die Caritas und AWO zur Beratung der Flüchtlinge.

Hier sitzt auch Albin Seiler, eigentlich Referent für Schulausbau im RP Tübingen. Er sagt: "Ich habe mich freiwillig hier abordnen lassen. Die Arbeit hier macht mir Spaß." Denn: Das Containerbüro mit drei Schreibtischen hintereinander und dem Besprechungstisch rechts dürfte größer sein als so manches Einzelbüro in den Verwaltungsgebäuden. Seiler: "Hier informieren wir die Flüchtlinge über das weitere Verfahren. Wir gehen auch in die Unterkunft dazu. Weil die meisten hier mindestens vier Wochen bleiben, trifft man immer wieder ›Bekannte‹. Ich möchte die Erfahrung der letzten sechs Wochen nicht missen. Man nimmt etwas mit dem Herzen nach Hause mit."

Gerade ist er mit seinem Kollegen dabei, die Daten der Neuankömmlinge einzupflegen. "Die Leute werden aus Messstetten in Bussen zu uns geschickt. Wir überprüfen, wer bei uns angekommen ist."

Natürlich wird auch mit den Flüchtlingen gesprochen, ob es bestimmte Verlegungswünsche beispielsweise zur Ehefrau in einem anderen Kreis oder Bundesland gibt.

Die Bedarfs-Erstaufnahme in Ergenzingen. Innen hat sich viel getan. Und, so Seiler: "Heute soll das WLAN freigeschaltet werden." Noch genießt er die relative Ruhe: "Ich hoffe, der jetzige Ansatz hier lässt sich so halten."