Das Flair in Talheim ist unter den Hammer gekommen. Nun gehört des der Stadt Horb. Foto: Lück

Frühere Discothek bei Versteigerung auf 57.600 Euro hochgetrieben. Stadt behält Nerven und gewinnt.

Horb - Verrückte Bieterschlacht um das Flair in Talheim. Nach fast 90 Minuten endet das Auktionsduell zwischen der Stadt Horb und der Bietergemeinschaft K: Für 57. 600 Euro geht die Brandruine an das Rathaus.

Das Publikum applaudiert erleichtert, als Richter Schulz sagt: "Die Versteigerung ist geschlossen." Und meint dann: "Ich habe noch nie erlebt, dass applaudiert wurde." Bei der Verkündung der endgültigen Entscheidung: "Ich denke, der Applaus ist gerechtfertigt. So müssen die Talheimer nicht darum bangen, was kommt."

Eine irre Bieterschlacht mit gutem Ende für Talheim, so die Meinung vieler anwesenden Talheimer. Denn das Flair steht seit einem Brand im Jahr 2004 leer.

Beim Termin am gestrigen Freitag ist der Saal im Amtsgericht Horb voll. Richter Schulz sagt zum Start: "Jetzt bin ich ein bisschen überrascht über das volle Haus. Ist denn überhaupt noch jemand in Talheim?"

Das erste Gebot liegt bei 6232,57 Euro

Um 10.29 Uhr startet der Richter die "Bieterschlacht". Gefordertes erstes Gebot: 6232,57 Euro, damit auch die Gerichtskosten abgedeckt sind. Wenige Sekunden später steht ein Mann auf und geht vor zum Richtertisch. Er ruft dabei: "Ich will das erste Gebot abgeben." Er zückt seinen Personalausweis und sein Portemonnaie, will die gut 450 Euro Sicherheit in Bar auf den Richtertisch legen.

Richter Schulz erklärt: "Bargeld geht nicht. Sie müssen einen Scheck von der Bank vorlegen. Versuchen sie es bei der Bank, bei der sie Kunde sind. Die wissen schon, was zu tun ist." Der Mann reagiert ungehalten. Ein anderer fasst ihm auf dem Rückweg am Arm. Der Mann reagiert: "Pack mich nicht an!" Der andere antwortet: "Hier ist mein Scheck. Gibst du mir 1000 Euro dafür?" Der Mann überlegt, greift zum Portemonnaie, verzieht dann das Gesicht und zerrt wild an seiner Geldbörse rum: "Scheiß Geschäft. Das ist mir zu blöd. Ich gehe jetzt zur Bank."

Dann tritt die Bietergemeinschaft K. zum Richter vor. Ein älterer Mann mit seinem Sohn. Scheck und Perso sind da, so dass Richter Schulz sagt: "6500 Euro sind geboten."

Die Stadtverwaltung hat zwei Vertreterinnen geschickt. Die Bieterin hebt um 10.42 Uhr zum ersten Mal den Finger und sagt: "6600 Euro."

Der jüngere aus der Bietergemeinschaft K. liest sich das Gutachten über das Flair durch. Dann sagt er fünf Minuten später: "6700 Euro".

Dann kommt der nächsten Bieter: Auch ein älterer Mann und vermutlich sein Sohn. Die Bietergemeinschaft N. steigt gleich mal mit 8000 Euro ein.

Ein Zuhörer sagt: "Sie wissen, dass es dort eine Zwangszufahrt zu meinem Grundstück gibt." Der Richter: "Da haben sie recht. Das ist ein gefangenes Grundstück. Dort könnte es Wasserleitungsprobleme geben, weil es altes Recht gibt. Da könnte es Streitigkeiten mit dem neuen Besitzer geben – damit kann man rechnen."

Mehre Bieter treiben den Preis in die Höhe

Zum Ablauf der Mindestgebotzeit um 11 Uhr ist Richter Schulz bei 9200 Euro angekommen. Dann geht es Schlag auf Schlag: Die Bietergemeinschaft K. und N. sowie ein Mann aus dem Schönbuch treiben die Gebote im Duell mit der Stadt hoch. Um 11.12 Uhr ist man schon bei 30.000 Euro. Ein Zuhörer ist sichtlich erregt: "Ich frage mich schon, wie man bei diesem Kaufpreis das alles machen will. Da ist der Bieter doch in fünf bis zehn Jahren insolvent – und wir haben die zweite Ruine, die wir in Talheim ertragen müssen."

Dann kommt auch noch der Mann ohne Sicherheiten zurück in den Saal. Sagt: "Ich bin Postbankkunde – das mit dem Scheck hat nicht geklappt. Ich biete 32.000 Euro." Der Richter: "Ohne Sicherheit sind sie zum Bieten nicht zugelassen." Der "Mann ohne Sicherheiten? Ich habe aktuelle Kontoauszüge dabei – mit 50.000 Euro Guthaben. Ich würde gerne mit den Damen von der Stadt reden." Die lehnen das ab, wie Richter Schulz anmerkt. Er ist raus.

Dann treibt das Bieterquartett den Preis weiter hoch. Die Bietergemeinschaft N. steigt bei 32 000 Euro aus, der Mann aus dem Schönbuch bei 32.700 Euro. Ab 11.19 Uhr kämpfen nur noch die Bieterin der Stadt und die Bietergemeinschaft K. um den Zuschlag. Bieten sich von 32.800 auf 39.000 Euro bis um 11.35 Uhr hoch. Die Talheimer Zuhörer werden jetzt laut, gehen die Bietergemeinschaft K. an: "Was wollen sie mit dem Flair? Wir haben die Ruine lange genug gesehen?" Um 11.42 Uhr hat die Stadt mal wieder die K.s überboten – um 100 Euro. Der Preis steht jetzt bei 45.100 Euro.

Der jüngere K. atmet durch. Wird langsam nervös und überbietet sich selbst. Bei 50 000 klopft er nervös mit den Fingern auf dem Notizzettel. Bei 55.000 Euro macht er sich die Jacke auf. Schnauft bei 57.500, beugt er sich vor, schüttelt den Kopf. Doch die Bieterin der Stadt schiebt stoisch das Angebot um 100 Euro hoch. Richter Schulz: "Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. Ich schließe die Versteigerung." Die Zuschauer applaudieren.

Der Richter fragt die Stadtvertreterinnen noch, ob sie dem Antrag stattgeben, den Zuschlag zu erteilen. Sie sagen: "Ja." Die verrückte Bieterschlacht hat ein Ende. 57.600 Euro für ein Gebäude mit einem Bodenwert von 31.000 Euro und Abrisskosten laut Gutachten bei 44.300 Euro.

Seite 2: Reaktionen und Hintergründe zum Bieterkampf

Horb-Talheim - Alle sind erleichtert, dass die Stadt das ehemalige Flair ersteigert hat. Talheims Ortsvorsteher Anton Ade hat nur ganz kurz Zeit für ein Statement. Er sagt: "Damit hat man Talheim und mir das schönste Weihnachtsgeschenk gemacht."

Talheims Vize-Ortsvorsteher Hermann Walz sagt: "Das ist die beste Entscheidung für Talheim, die es gibt. Jetzt haben wir das Potenzial, das Gebiet rund um das Flair völlig neu zu entwickeln."

Warum hat das Rathaus die Bieterschlacht bis zum Ende durchgehalten? Oberbürgermeister Peter Rosenberger: "Unsere Strategie war, auch notfalls in einen Bereich mitzubieten, der nicht unbedingt wirtschaftlich dem Wert des Bodens und der Gebäude entspricht. Für die zukünftige Entwicklung von Talheim sind diese Flächen allerdings ein Schlüsselgrundstück. Deshalb denke ich, dass diese Strategie für die Stadt insgesamt gerechtfertigt ist."

Hoher Preis

Warum ist der hohe Preis so erstaunlich? Das Flair 2000 war zuletzt Kult-Disco. 2004 gab es ein Feuer im Treppenhaus. Seitdem steht es leer. Die Verhandlungen zwischen der Kommune und den Eigentümern liefen Jahre lang vergeblich. Deshalb hatten die Gläubiger die Zwangsvollstreckung eingeleitet.

Im Verfahren hatte Richter Schulz den Wert des Gebäudes ausführlich erläutert. Angenommener Gesamtwert von Gebäude, der Hauptfläche und einem Mini-Grundstück von 27 Quadratemetern zusammen: 4157 Euro. Zwar seien Verbindlichkeiten von 220.000 Euro im Grundbuch eingetragen, doch die Bank habe bereits einen Antrag zur Löschung erteilt, las Schulz vor.

Der Richter sagt, dass der Käufer keinerlei Garantie bekommt: "Es gibt keine Gewährleistung für die Angaben, die jetzt vorliegen. Auch nicht dafür, dass alle Eintragungen im Grundbuch so richtig sind oder dass es nicht doch noch öffentliche Lasten gibt. Innen sieht das Gebäude nach Brandruine aus. Mit dem Zuschlags-Beschluss kann man vom Eigentümer die Räumung verlangen. Doch da gibt es nichts zu räumen, sondern abzureißen." Der Richter macht humorvoll klar: "Da kann man nur noch eine Disco mit schwarzen Wänden draus machen, und am besten sollte man das Gebäude mit Atemschutzmaske betreten." Dennoch gibt es eine Nachfrage aus dem Publikum, ob man denn das Gebäude abreißen müsse. "Nutzen kann man es auf alle Fälle nicht. Ob es Auflagen zum Abriss von der Stadt gibt, müssen sie mit den Vertretern der Stadt selbst klären", antwortet Schulz.

Pläne für das Grundstück

Was hat das Rathaus jetzt mit der teuren Brandruine vor? Sie soll abgerissen werden. Das Haus gegenüber, das dem stellvertretenden Ortsvorsteher Walz gehört hatte, ist in Händen der Stadt. Ebenso ein Nachbargebäude, welches als Flüchtlings-Unterkunft genutzt wird. Nach dem Abriss des Flairs soll auch die Kreuzung zwischen Haiterbacher Steige und Hochdorfer Straße neu gestaltet werden.

Insgesamt hat das Flair-Grundstück 518 Quadratmeter. Im Neubaugebiet Barbel-West in Talheim hatte ein Grundstück mit 560 Quadratmeter Fläche beispielsweise 72.620 Euro gekostet, so die Homepage der Stadt Horb.