"Mit dem Intercity zu den schönsten Ausflugszielen" – so wirbt die Bahn für den Intercity 2. Radfahrer hat man dabei offenbar nicht im Blick. Foto: obs/Deutsche Bahn AG

Fahrrad-Mitnahme im Intercity 2 weiter kostenpflichtig. Verkehrsministerium schlägt Klappsitze vor.

Horb - Seit Monaten werden die neuen Regelungen zur Fahrradmitnahme auf der Gäubahn kritisiert. Geändert hat sich jedoch nichts. Während der ADFC seine Kritik erneuert und das Verkehrsministerium einen unkonventionellen Vorschlag macht, ist von der Bahn nur wenig zu hören.

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2017 hielt der Intercity 2 auf der Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen Einzug – und mit ihm die Irritation. Denn: Der IC 2 ist ein Zwitter aus Regionalbahn und Intercity. Seine Innenausstattung ist an den Intercity angelehnt, tatsächlich handelt es sich aber um einen weiß lackierten Doppelstockzug, wie man ihn aus dem übrigen Bundesgebiet als Regionalbahn kennt. Eher Bimmelbahn ist der IC 2 auch auf der Strecke: Während der von den Schweizer Bundesbahnen betriebene Gäubahn-Intercity auf seiner Fahrt von Zürich nach Stuttgart in Deutschland nur in Singen, Tuttlingen, Rottweil, Horb und Böblingen hält, stoppt der IC 2, der gerne auch "Billig-Intercity" genannt wird, unter anderem auch in Sulz, Bondorf und Gäufelden – wie ein Regionalzug.

Irritationen ergeben sich seither unter anderem beim Fahrkartenkauf, denn da für den Zwitterzug sowohl der Fern- als auch der Nahverkehrstarif gilt, gibt es zwei verschiedene Preiskategorien für ein und denselben Sitzplatz. So kostet die Fahrt von Horb nach Stuttgart 15,50 Euro, wenn man ein Nahverkehrsticket löst, die Intercity-Fahrkarte hingegen 17,50 Euro. Der Unterschied – abgesehen vom Preis: keiner.

4,50 Euro pro Fahrrad

Gravierender ist die Einführung des IC 2 jedoch für Fahrradfahrer, bei denen die an Schwarzwald, Bodensee und Schwäbischer Alb vorbeiführende Zugstrecke naturgemäß bebliebt ist. Anders als vor Dezember 2017 ist die Fahrradmitnahme im IC 2 kosten- und reservierungspflichtig. Somit ist eine zusätzliche Gebühr von 4,50 Euro zu entrichten – falls überhaupt noch Platz ist. Kapazität ist für Fahrräder im IC 2 jedoch nur begrenzt vorhanden. Hinzu kommt: Da der "Billig-Intercity" in den Fahrplänen sowohl als Regionalexpress als auch Intercity ausgewiesen wird, ist nicht sofort zu erkennen, dass die Fahrradmitnahme kostenpflichtig und nur beschränkt möglich ist.

Dass es am Bahnsteig dadurch schon zu manch böser Überraschung kam, ist beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) bekannt. "Die Gäubahn ist gerade für Radtouristen eine wichtige Verbindung im Land, die nun nur noch eingeschränkt nutzbar ist. Da diese Einschränkungen zu Beginn auch nicht kommuniziert wurden und Radfahrer auf die kostenfreie Fahrradmitnahme im Nahverkehr vertrauen durften, wurden Radfahrer bei Einfahrt des IC 2, der laut Fahrplan ein Regionalexpress ist, in die Irre geführt und verunsichert. Das stärkt in keinem Fall das Vertrauen in den Nahverkehr", kritisiert ADFC-Landesgeschäftsführerin Kathleen Lumma auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten und schimpft: "Hinzu kommt, dass sich gezeigt hat, dass die Verantwortlichen nicht in der Lage sind, diese Probleme vorauszusehen oder schnell zu beheben."

Sitzplätze "nicht effizient"

Ein ähnliches Bild hat sich das baden-württembergische Verkehrsministerium auf der Gäubahn gemacht. "Uns erreichen zahlreiche Klagen von Einzelpersonen und Verbänden", schrieb Gerd Hickmann, Abteilungsleiter für öffentlichen Verkehr im Ministerium, bereits im Mai an die Bahn. Sein Vorschlag: Im unteren Deck des IC 2 befinden sich neben den Toiletten und Fahrradstellplätzen zehn Sitzplätze, die aus seiner Sicht "nicht effizient" seien. Hickmann schlägt vor, diese durch Klappsitze zu ersetzen, wodurch – falls sich dort niemand hinsetzt – mehr Fahrräder im Zug mitgenommen werden können. Hickmann: "Ich bin überzeugt, dass aufgrund der hohen Bedeutung der Gäubahn für touristische Verkehre und dem Radtourismus im Speziellen auf diese Weise eine insgesamt tragfähige Lösung gefunden wurde und damit am Ende auch die Einnahmen gesteigert werden können."

Klappsitze im Intercity 2 – ist das des Rätsels Lösung? Die Bahn jedenfalls hüllt sich wie üblich in Schweigen. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagt ein Bahn-Sprecher nur so viel: "Die Situation ist uns bekannt und wir nehmen die Problematik auch ernst und sind dazu in Gesprächen." Das war bereits am 1. Juni. Getan hat sich seither nichts.

ADFC: Kapazitäten erhöhen

Beim ADFC, der auch den durch Horb führenden Neckartalradweg betreut, betont man indes, dass von der Bahn schon viel Kredit verspielt wurde und so langsam etwas passieren müsse. "Erst preist man den Fortschritt an und dann streicht man die Vorteile für Radfahrer klammheimlich wieder zusammen. Das wird vor allem auch als ganz schlechter Stil empfunden und wiegt daher bei Radfahrern umso schwerer, die sich schlichtweg verarscht fühlen", sagt ADFC-Landesgeschäftsführerin Lumma. Ihr Verband habe dem Verkehrsministerium die Situation bereits deutlich gemacht und eine Wiederherstellung der kostenfreien Fahrradmitnahme sowie eine Erhöhung der Kapazitäten gefordert. Über den Klappsitz-Vorschlag sagt Lumma: "Ob im IC 2 durch Umbau und Einführung von Multifunktionsabteilen höhere Kapazitäten geschaffen werden können, ist eine technische Frage, die die Bahn klären muss. Sollten im IC 2 keine weiteren Kapazitäten geschaffen werden können, können nur zusätzliche ›echte‹ Nahverkehrszüge auf dieser Strecke den Bedarf vor allem in der Radreisesaison abdecken."

Info: Radtourismus in Baden-Württemberg

 Wirtschaftsfaktor Fahrrad

Laut dem Fahrrad-Strategiepapier des Landesverkehrsministeriums zählt der Radtourismus zu den wichtigsten touristischen Wachstumsmärkten in Deutschland. "Bereits heute besitzt der Radtourismus in Baden-Württemberg eine große wirtschaftliche Bedeutung", heißt es in dem Papier. Demnach werden jährlich 14 Millionen Tagesausflügler auf dem Rad und 3,2 Millionen Übernachtungen durch Radreisende im Ländle gezählt. Sie generieren laut dem Ministerium rund 860 Millionen Euro Nettowertschöpfung pro Jahr. Der in Baden-Württemberg betriebene Radtourismus generiere (ohne ausländische Gäste) einen Anteil von zwölf Prozent an der gesamten touristischen Wertschöpfung des Landes. Der Radtourismus sichere zudem 25 000 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Die durch den Radtourismus geschaffene Wirtschaftskraft komme in starkem Maße strukturschwachen Regionen im ländlichen Raum zugute.

Wachsender Markt

In Baden-Württemberg sieht das Ministerium im Bereich Radtourismus weiteres Potenzial, "da die unterschiedlichen Regionen des Landes vielfältige Radtourismusformen – zum Beispiel Radwandern, Mountainbiken und Rennradfahren – ermöglichen und der stark wachsende Markt der E-Bikes im Radtourismus für Baden-Württemberg mit seiner bewegten Topografie neue Chancen eröffnet", lautet die Einschätzung in dem Strategiepapier. Allerdings: Baden-Württemberg werde in der Außenwahrnehmung von wichtigen Zielmärkten "noch zu wenig als Radreiseregion wahrgenommen".