Zarko Peranic zeigt den Messfilter für die Feinstaubmessung in der Neckarstraße. Fachbereichsleiter Wolfgang Kronenbitter schaut interessiert zu. Er setzt alle Hoffnungen auf die Hochbrücke. Foto: Hopp

Hochbrücke: Feinstaub-Messung ein Druckmittel gegenüber dem Bund. Tempolimit macht Luft nicht sauberer.

Horb - Seit Mitte Dezember steht die neue Feinstaub-Mess-Station an der Neckarstraße. Bleibt sie, bis die Hochbrücke kommt?

Zarko Peranic vom Landesamt für Umwelt und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Referat Betrieb Messnetze, hat sie mit aufgebaut. Er sagt: "Solche Spotmessungen werden, wenn die Grenzwerte überschritten werden, so lange gemacht, bis die Werte in Ordnung sind." Der Feinstaub- und Abgasexperte geht davon aus, dass die zulässigen Werte in Horb überschritten werden.

Und das, obwohl die ersten Messwerte noch gar nicht vorliegen. Peranic: "In Horb herrscht durch die hohen Gebäude rund um die Neckarstraße eine extreme Schluchtsituation. Die Station steht neben der Ampel, die Straße steigt an. Bremsen, anfahren, Stop-and-Go – bei diesen Vorgängen werden am meisten Schadstoffe ausgestoßen. Und landen direkt in der Mess-Station. Deshalb dürfte es wohl ziemlich wahrscheinlich sein, dass nach einem Jahr Messung eine Überschreitung der Richtwerte festgestellt wird."

Indizien dafür: Schon bei den ersten Messungen in Horb zwischen Februar und Mai 2006 wurde der zulässige Richtwert von Stickoxid von 40 Mikrogramm mit 57 übertroffen. Die Rußwerte waren mit 5,9 Nanogramm auch recht hoch. Das reichte für Platz 17 im Landesvergleich mit 105 Kommunen in ganz Baden-Württemberg.

Doch jetzt mit der neuen Station wird viel genauer gemessen, so Peranic. Der Silber-Kasten (Wert: 15.000 Euro) hat einen langen silbernen "Schornstein". Unten zwei Kartuschen mit Filtern. Links frisch, rechts benutzt. Bei einem geschätzt fünf Millimeter watteartiger Rand in der Mitte zeigt Peranic auf eine dunkelgraue Masse: "Das ist der PM10 Feinstaub. Er ist so klein, dass er aus der Lunge nicht mehr ausgehustet werden kann und deshalb als gesundheitsgefährlich gilt."

Im langen silbernen Schornstein sorgen Staub-Filter und Mechanik dafür, dass im Mess-Filter nur die kleinsten Feinstaubkörnchen mit der richtigen Feuchtigkeit und den korrekten Druckbedinungen landet.

Peranic: "Gestern haben wir die ersten 14 Filter abgeholt. Die sind jetzt im Labor in Karlsruhe, werden von Robotern gewogen und analysiert. Am Montag dürften die ersten Feinstaub-Werte aus Horb auf unserer Internet-Seite stehen."

Doch die Feinstaub-Messung wird nicht unbedingt das entscheidende "Druckmittel" zur Verkehrsberuhigung sein. Peranic zeigt auf vier graue HT-100 Abflussrohre, die an vier Laternen an der Neckarstraße installiert sind. Der LUBW-Experte: "Dort messen wir den Stickoxid-Gehalt. Über 14 Tage lang. Dann werden die Röhrchen ausgetauscht. Wenn dort der Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm an 18 Tagen im Jahr überschritten wird, dann müssen per Gesetz Luftreinhalte-Maßnahmen ergriffen werden." Denn: Stickoxid ist das toxische Gift, welches direkt aus dem Auspuff kommt. Beim PM10-Feinstaub stammen höchstens 40 bis 50 Prozent vom Verkehr, so Peranic.

Teilweise aus dem Auspuff, von den Bremsbelägen, von den Reifen und vom Asphalt-Abrieb. Der Schadstoff-Experte: "In Horb dürfte es noch jede Menge Holzfeuerung geben. Auch das trägt zur Feinstaubbelastung bei." Dazu gilt: Der Feinstaub sammelt sich vor allem in der "Neckarstraßen-Schlucht", wenn es unten kalt und oben warm ist. Ein Winddeckel in 50 bis 100 Meter Höhe sorgt bei dieser Inversionswetterlage dann für die Konzentration am Boden. Dazu ist es derzeit aber zu warm.

Doch was bedeuten diese Messungen für Horb? Laut Peranic wurde in den meisten der 16 Kommunen, wo der LUBW-Messcontainer bisher aufgestellt wurde, eine Umweltzone eingerichtet. In Murg am Hochrhein passierte das, wovon Horb noch träumt: Ein neuer Autobahnabschnitt bei Freiburg sorgte dafür, dass die Autos nicht mehr durch den Ort fuhren.

Deshalb ist für Wolfgang Kronenbitter, Fachbereichsleiter Recht und Ordnung, diese Schadstoff-Messung ein Druckmittel "gegenüber dem Bund, um die Hochbrücke so bald wie möglich zu bekommen".

Kronenbitter weiter: "Die Einführung einer Umweltzone mit roten, gelben und grünen Plaketten halte ich für ein bürokratisches Monster. Es ist fraglich, ob sie zur Reduzierung der Belastung der Anwohner vor Ort führt. Und: Wie kann man beim rollenden Verkehr kontrollieren, ob jeder die zulässige Plakette trägt?"

Kann eine Umweltzone dazu führen, dass auf der Neckarstraße bald ein Tempolimit von 30 km/h eingeführt wird? Kronenbitter: "Laut einer Studie des LUBW hängt der Erfolg einer Temporegulierung nicht nur davon ab, ob damit der Verkehr verstetigt werden kann. Sondern auch davon, wieviel Schwerlastverkehr vorhanden ist und der Neigung der Straße. In vielen Situationen führt die Reduzierung auf Tempo 30 sogar zu einer Zunahme der abgasbedingten Feinstaubwerte."

Auch Mess-Experte Peranic ist bei der Neckarstraße eher skeptisch: "Die Strecke hat zuviele Kurven und Abbremsbereiche, dazu gibt es Zebrastreifen und Ampeln."

Wenn die Messwerte wirklich zu hoch sind, gäbe es aber sehr gute Modelle, die die Straße nachbilden. Dann könne man die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen wie beispielsweise ein Tempolimit sehr genau ablesen.

Und auch ein LKW-Durchfahrtverbot wird von Kronenbitter sehr skeptisch gesehen: "Das Regierungspräsidium hat schon relativ deutlich gesagt, dass das aufgrund von fehlenden Ausweichmöglichkeiten kein Thema sei." Rexingen und andere Ortsteile brauchen sich deshalb keine Sorgen zu machen.

Für die Lärm- und autogeplagten Bewohner der Neckarstraße zeichnet sich möglicherweise eher eine Lösung über die Lärm-Kartierungen ab.

Laut Kronenbitter werden die erste Ergebnisse des Fachbüros im Februar im Gemeinderat vorgelegt und diskutiert.

Und eine Pförtnerampel, die an der Gutermann-Kreuzung und an der Christophorus-Brücke die LKW und Autofahrer so lange zurückhält, bis sie auf einmal mit Tempo 40 durch die Neckarstraße ohne Halt durchfahren können, dürfte die Besucher des geplanten Einkaufszentrums am Bahnhof auch nicht begeistern.

Kronenbitter: "Nur die Hochbrücke kann den Lärm und den Feinstaub in der Kernstadt wirksam verringern."