Hilfe angekommen: Die Güter, die Jürgen Kern gesammelt und in die Slowakei gefahren hat, werden auf den ukrainischen Lastwagen geladen. Foto: Behling

Die erste Fahrt ist gemacht. Jürgen Kern berichtet von seinem Hilfstransport über 1350 Kilometer in die Slowakei. Und der Fahrlehrer kommt nicht zur Ruhe: Am kommenden Samstag geht es schon weiter mit dem nächsten Sammeltag.

Schramberg/Schiltach - Mit sichtbaren Augenringen, aber doch zufrieden sitzt Jürgen Kern am Montagmittag da. "Es war heftig. Es war ein Mordsritt. Aber es hat sich gelohnt", sagt der 40-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. Quasi über das gesamte Wochenende war er unterwegs, um Hilfsgüter nach Kosice in den Osten der Slowakei nahe der Grenze zur Ukraine zu fahren.

Großes Echo beim Abgabetermin

Schon am vergangenen Donnerstag, als er zur Abgabe der Güter aufgerufen hatte, war er von der Hilfsbereitschaft, die er erfuhr, begeistert: "Es ist krass, was da alles zusammengekommen ist." So seien viele Bekannte da gewesen, aber auch viele Wildfremde. "Ein Herr kam an und hat einen Karton mit eigens dafür gekauften Medikamenten für 300 Euro da gelassen. Bei einem anderen hab’ ich 40 Kissen und eine ganze Palette Desinfektionsmittel abgeholt", nennt er als Beispiele. Am Abend noch sortierten Kern, seine Familie und Nachbarn die Güter vor. Die Rückmeldungen, betont er, seien in vielerlei Hinsicht positiv gewesen. "Ich habe viele Gespräch geführt. Einige haben mir zum Beispiel von ihren eigenen Fluchterfahrungen berichtet. Das hat mich bestärkt", erzählt der 40-Jährige.

Teammitglied gefunden

Tags darauf um 13 Uhr ging es los. "Meinen Fahrlehrer-Anwärter Daniel Behling hab’ ich kurzerhand als Teampartner eingespannt", sagt er und lacht. Mit Sprinter und Anhänger voll bepackt fuhren die beiden zuerst gen Norden und trafen auf der A 8 an der Raststätte Gruibingen die anderen ihrer Kolonne – drei weitere Transporter aus Göppingen. Einen der Sprinter fuhr Kerns Bekannter aus Bundeswehrtagen, der die Fahrt initiiert hatte und über den der Kontakt nach Schramberg zustande gekommen war. "Der Göppinger Oberbürgermeister Alexander Maier als Mit-Initiator hat selbst einen der Sprinter gefahren. Respekt", sagt Kern.

Nur kurze Pausen

"Wir haben quasi nur Tankstopps und Raucher- oder Toilettenpausen gemacht", meint der Fahrlehrer, dass es zur Hinfahrt wenig Aufregendes zu erzählen gebe. Ein Klischee über Ost-Europa könne er nicht bestätigen: "Die schlechtesten Straßen hatten wir definitiv in Deutschland." Natürlich hätten viele andere Verkehrsteilnehmer auf die Gruppe reagiert. "Darunter viel hupen und Daumen hoch – aber schon auch mal Beschimpfungen auf einem Rastplatz von denen, die die Aktion nicht so gut fanden." Ihm selbst gehe es um das Humanitäre, nicht das Politische, betont Kern. "Ich würde auch nach Russland fahren, um dort den Leuten zu helfen."

(Noch) Keine Flüchtlingsströme

Nach 17 Stunden sei die Kolonne nur wenige Kilometer vor Grenze zur Ukraine angekommen. Von Flüchtlingsströmen sei dort – wie auch zuvor auf den Straßen – nichts zu sehen gewesen. "Die Helfer vor Ort mussten die überdrehten Schwaben, die sofort ausladen wollten, erst etwas bremsen. Sie haben gesagt: ›Jetzt trinkt mal einen Kaffee, esst was und kommt runter‹", erinnert sich Kern mit einem Lächeln. Dann kam die Ladung über eine Rampe in einen ukrainischen Lastwagen. "Der Fahrer des LKW meinte, die ersten Flüchtlingslager sind nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt. Vielleicht sieht es dort das nächste Mal, wenn ich unten bin, ganz anders aus", sagt Kern nachdenklich.

Wertvolle Erfahrung

Nach etwa zwei Stunden Abladen habe die Gruppe noch ein schnelles Gruppenfoto gemacht, dann löste sich der Konvoi auf. "Ein paar haben in Kosice übernachtet. Wir sind direkt wieder zurückgefahren. In den Worten von OB Maier: ›Man hat ja am Montag dann gleich wieder Termine‹." Auf der Rückfahrt hätten die Schramberger in München eine kurze Schlafpause eingelegt. Abgesehen von ein paar kleineren Schwierigkeiten – so hatte beispielsweise der Anhänger eine Panne – sei auch der Heimweg überwiegend reibungslos verlaufen, so Kern. Am frühen Sonntagabend kamen sie wieder in der Heimat an. "Es ist anstrengend, keine Frage. Aber was ich seit meinem Aufruf nach zwei Jahren Corona und nun auch noch dem Krieg alles an Positivem erfahren und gesehen habe, dass die Menschen doch gemeinsam Gutes anstoßen wollen – das ist mir jede Anstrengung wert", zieht Kern das Fazit.

Info: Wie geht es nun weiter?

Viel Zeit für "Füße hoch" gibt es nicht für Jürgen Kern: "Am kommenden Samstag, 12. März, ab 13 Uhr ist wieder Sammlung", ruft er zur nächsten Runde auf. Dann können wieder – optimalerweise vorsortiert in Umzugskartons – Hilfsgüter in der Bachstraße 11 in Schiltach und der Panoramastraße 11 in Schramberg-Sulgen abgegeben werden. Gesucht werden weiter haltbare Lebensmittel, Hygieneprodukte, Kleinkind- und Babyartikel wie Windeln, Bettzeug, Kleidung, Feldbetten, Schlafsäcke oder Matratzen.

Im Anschluss möchte Kern koordinieren. "Wir haben viele Hilfsangebote – manche bieten sich als Fahrer an, manche möchten Geld geben. Jenen sollte aber klar sein, dass ich die Fahrten privat mache und keine Spendenbescheinigung ausstellen kann", sagt Kern. "Nach der Sammlung werden wir dann eine Bestandsaufnahme machen: Wie viele Fahrzeuge, Fahrer oder Helfer für das Aufladen haben wir? Für alles Genannte und auch, falls mir jemand beim Koordinieren helfen möchte, freuen wir uns weiterhin über jede Unterstützung", so sein Aufruf.

Die nächste Fahrt ist für Sonntag, 20. März, vorgesehen. "Dann wollen wir früh morgens los – dann kann man dort nach der Ankunft schlafen und montags in der Früh wieder zurück. So gehen zwar letztlich zwei Wochentage drauf, aber für Körper und Geist ist das machbarer", weiß er nun aus Erfahrung. Das sei Hauptzweck der ersten Tour gewesen: "Die Tour war die Idee der Göppinger. Ich bin ›nur‹ dazugestoßen und weiß jetzt, wo es langgeht – konnte Kontakte knüpfen, Erfahrungen sammeln." Mit der Göppinger Gruppe wird Kern sich daher nicht mehr treffen. "Wir fahren über Donaueschingen und holen das Team um meinen Partner-Fahrschul-Leiter Ingo Held ab. Ich hoffe, bis dahin kommt viel zusammen."