Der größte Konvoi bestand aus acht Lastwagen – gefahren von Julian Kirschner von der DHHN (von links), Thomas Tschakert (Volvo Trucks Deutschland), Dominik Rehse von der DHHN, Asur Sezigin von Betz Transporte, David Scherenbacher von Scherenbacher Transporte, Thomas Leyerle von der Spedition Dachser, Gabor Horvath von der Spedition Kirn und Wolfgang Tschakert (Volvo Trucks Deutschland). Foto: DHHN

Zehn Hilfsgüter-Konvois hat die Deutsche Humanitäre Hilfe Nagold mit Sitz in Spielberg bereits in die Ukraine gefahren. Nicht ganz ungefährlich: Zwei Fahrzeuge gerieten unter Beschuss.

Altensteig-Spielberg - Seit Russland die Ukraine überfallen hat, hat die Deutsche Humanitäre Hilfe Nagold (DHHN) mit Sitz in Spielberg zehn Konvois mit 35 Lastwagen voller Hilfsgüter direkt in die Ukraine gefahren. Dank einer mehr als 20-jährigen Zusammenarbeit mit der Waisen- und Jugendhilfe Ukraine e.V. konnte die Hilfsorganisation vor Ort bewährte Strukturen nutzen. Nicht weit von der ukrainisch-ungarischen Grenze betreibt der Partnerverein ein Waisenhaus. Dort, in Uschgorod, befindet sich eine große Lagerhalle auf dem Gelände des Waisenhauses, wo die Hilfsgüter zwischengelagert werden. Wenige Tage später werden sie dann bereits an Bedürftigen verteilt.

In den ersten Monaten des Krieges gingen rund 70 Prozent der Hilfsgüter in die umkämpften Gebiete im Osten der Ukraine, inzwischen werden mehr und mehr Hilfsgüter im Westen für die Versorgung der Binnenflüchtlinge gebraucht. Die Lieferungen wurden und werden in privaten Fahrzeugen an die Front gebracht, das ist unauffälliger und dadurch sicherer. Ein rotes Kreuz auf den Fahrzeugen werde von den russischen Soldaten allzu oft als Zielscheibe gesehen, berichtet Julian Kirschner, der Vorsitzende der DHHN. Deshalb seien die Fahrzeuge nun nicht mehr gekennzeichnet. Immerhin sei ein Kleinbus während der Fahrt von hinten beschossen worden, die Hilfsgüter hätten die Kugeln aufgefangen. Ein anderer Kleinbus sei von einer Rakete getroffen worden. Der Fahrer sei unverletzt geblieben, weil er gerade außerhalb des Fahrzeugs einem dringenden Bedürfnis nachgekommen sei.

Den Kommunen geht das Geld aus

"Nahezu jede Familie hat Flüchtlinge aufgenommen, jede Halle, aber auch Schulen und Kindergärten im relativ sicheren Westen der Ukraine sind mit Flüchtlingen belegt", berichtet Kirschner. Doch die Kommunen hätten keine Finanzen mehr, um die geflohenen Menschen, meist Mütter mit Kindern, zu versorgen. Da würden dann private Initiativen wie die DHHN einspringen.

Nach einem Essen geht’s auf die Rückfahrt

Die Konvois, der größte bestand aus acht 40-Tonnern, folgen einem genau getakteten Fahrplan: Erste Übernachtung in Österreich am Rasthof St. Pölten, zweite Nacht auf einem bewachten Parkplatz in Ungarn kurz vor der ukrainischen Grenze. Morgens um 5 Uhr telefonierten die Helfer von dort aus mit den Partnern in der Ukraine, ob die Lage sicher ist. Sodann setzten sich die Konvois in Bewegung und überquerten die Grenze. Auf ungarischer Seite gebe es die eine oder andere Schikane, auf ukrainischer Seite laufe es hervorragend, erzählt Julian Kirschner. Am Vormittag erreiche der Konvoi dann das Waisenhaus in Uschgorod, wo alle Waisenkinder und auch die dort aufgenommenen Flüchtlingskinder mit anpacken, um die Lastwagen schnell zu entladen. Nach einem gemeinsamen Essen geht es wieder auf die Rückfahrt.

Bombenalarm an der Grenze

Kirschner berichtet: "Beim Konvoi mit den acht Fahrzeugen erlebten wir abends an der Grenze noch einen Bombenalarm, die Sirenen heulten, und plötzlich wurde alles dunkel." Sieben der acht Lastwagen waren schon im Zollhof, doch der achte durfte während des Alarms nicht hinein. "Das war schon ein sehr mulmiges und beängstigendes Gefühl, aber alles ging, Gott sei Dank, gut", so Julian Kirschner.

50 Sammelstellen aus dem Nichts

Die Ladung der Lastwagen, inzwischen schon fast 500 Tonnen, wurde und wird vor allem von Menschen und Firmen überwiegend aus dem süddeutschen Raum gespendet. Kirschner: "Ich bin absolut überwältigt, wie aus dem Nichts ein Netzwerk von 50 Sammelstellen entstand, unsere ehrenamtlichen Helfer nahezu rund um die Uhr die gespendeten Lebensmittel angenommen, sortiert und palettiert haben." Es sei großartig zu sehen, wie groß die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist.

Kirschner betont, dass keiner der 35 40-Tonner angefragt werden mussten. Eine Reihe von Speditionen habe Fahrzeuge samt Fahrern angeboten und auch die Kosten übernommen. Die beiden 40-Tonner der DHHN seien bei jedem Konvoi dabei gewesen.

Das Ziel sind zwei Lastwagen-Ladungen im Monat

Doch: Nach dem Hilfstransport ist vor dem Hilfstransport. Kirschner: "Herbst und Winter werden für die Menschen in der Ukraine sehr herausfordernd." Deshalb bleibe die DHHN dran, mindestens zwei Lastwagen sollen pro Monat in die Ukraine geschickt werden – "gerne auch mehr". Die Organisation freue sich auch über Kontakte zu Firmen, die ihr Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs in großen Mengen verkaufen oder spenden können.

Um den Menschen in der Ukraine zu helfen braucht DHHN Spenden, die am einfachsten standardisiert abgegeben werden: Lebensmittelpakete "Sattmacher", "Sattmacher XXL" oder "SattmacherFLEX", Hygienepakete "Saubermacher" sowie gut erhaltene und saubere Matratzen, Bettwäsche und Bettdecken, aber auch Kleidung und Schuhe.

Auf der Homepage des Vereins finden sie eine immer wieder aktualisierte Bedarfsliste, aber auch Videos und Reiseberichte der "Konvois der Hoffnung".