Julian Kirschner kamen die Tränen, als er seine Eindrücke aus der Ukraine schilderte. Foto: Köncke

Die Deutsche Humanitäre Hilfe Nagold mit Sitz in Spielberg will Mitte März einen Hilfsgütertransport in die kriegsgebeutelte Ukraine auf den Weg bringen. Ziele: ein Jugendhaus und ein Krankenhaus.

Altensteig-Spielberg - Seit mehr als 20 Jahren versorgt die DHHN mit Sitz in Spielberg arme und notleidende Menschen in Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Albanien, Weißrussland und der Ukraine mit Lebensmitteln, Textilien, Schuhen, Matratzen, Hygieneartikeln, medizinischen Hilfsmitteln und was sonst noch dringend gebraucht wird. Das Jugendhaus in Uzhgorod und das Dorfkrankenhaus in Ilawtse gehören zu den Empfängern. Im Dezember vergangenen Jahres war Dominik Rehse aus Hörschweiler mit einem Lastwagen voller Weihnachtsgeschenke der Aktion "Strahlende Augen" in der Ukraine und der ebenfalls fest bei der DHHN angestellte Julian Kirschner zur gleichen Zeit mit einem Mercedes Actros in Rumänien. Beide hielten es damals für undenkbar, dass Wladimir Putin drei Monate später den Befehl zum Einmarsch russischer Truppenverbände in die 44 Millionen Einwohner zählende Ukraine geben würde.

Nachrichten schocken Kirschner

Als Kirschner am frühen Donnerstag vergangener Woche das Radio einschaltete, war er geschockt und rief sofort in Uzhgorod an. Für 20 bis 25 männliche Waisen ab 15 Jahren ist das Jugendhaus Heimat und Schutzraum. "Bitte helft uns, wir brauchen dringend Generatoren und Geld, um Nahrungsmittel kaufen zu können, die meisten Automaten werden geschlossen" bekam er vom Leiter der Einrichtung zu hören. Zwei Generatoren zur Stromerzeugung hatte die DHHN in ihrem Logistikzentrum im Spielberger Gewerbegebiet Härte 1 vorrätig, einen stellte die christliche Organisation Royal Rangers aus Altensteig zur Verfügung. In Windeseile hob der 47-Jährige aus Oberschwandorf Geld ab, tankte seinen privaten Sprinter voll, rief Mitstreiter Dominik Rehse an, und um 10.30 Uhr fuhren beide los. Nach 20 Stunden hatten sie die ungarisch-ukrainische Grenze erreicht.

Übergabe gestaltet sich schwierig

Die Hoffnung, das Bargeld und die Geräte dort an den Leiter des Jugendhauses übergeben zu können, der sich sofort aus dem 30 Kilometer entfernten Uzhgorod auf den Weg machen wollte, erfüllte sich nicht. Für ukrainische Männer herrscht ein von der Regierung erlassenes Reiseverbot, weil sie ihr Land gegen die Angreifer zu verteidigen. Vielleicht klappt das an der Grenze zur Slowakei, weil das Jugendhaus dort nur wenige Kilometer entfernt liegt? Auch dieser Versuch schlug fehl.

Das Geld vorsichtshalber versteckt

In seiner Not rief Kirschner den Bürgermeister von Uzhgorod an, ob der nicht eine Ausnahmeregelung durchsetzen und seinen Fahrer, ausgestattet mit einem entsprechenden Schreiben, losschicken könnte. Als auch dieses Vorhaben scheiterte, blieb nur noch Plan D übrig. Wie es der 47-Jährige geschafft hat, das Ziel doch noch zu erreichen, gab er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten nicht preis. Nur so viel: Das Geld habe er vorsichtshalber in der Pumpe eines Generators versteckt, um zu verhindern, dass der Abholer, "den ich nicht persönlich kannte" später eventuell behaupten könnte, keinen müden Euro erhalten zu haben. So etwas komme hin und wieder vor.

Auch Firmen wollen helfen

Zurzeit ist der erste Vorsitzende der DHHN an seinem Schreibtisch in der 600 Quadratmeter großen Lagerhalle in Spielberg damit beschäftigt, die nächsten Einsätze logistisch vorzubereiten, anfallende Büroarbeiten zu erledigen, Telefonate zu führen, eingegangene E-Mails zu bearbeiten, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und was sonst noch anfällt. Während des Pressegesprächs klingelte ständig das Telefon. Die Anrufer: Firmen und Privatpersonen, die sich erkundigten, wie sie angesichts der verheerenden Lage der Bevölkerung in der Ukraine Hilfe leisten können.

Mitte März starten zwei 40-Tonner

Als der Familienvater schilderte, was er an der ukrainischen Grenze zu Ungarn und der Slowakei erlebt hat – verzweifelte Frauen, weinende Kinder, lange Schlangen von Flüchtlingen mit nur einem Koffer in der Hand, die nicht wissen, wie es weitergeht und was sie erwartet – geriet er ins Stocken und begann zu schluchzen. Um danach fest entschlossen zu verkünden, dass er und Dominik Rehse am Montag, 14. März , mit zwei 40-Tonnern in Richtung Ukraine aufbrechen würden. Für eine volle Ladung Hilfsgüter bräuchten sie die Unterstützung der Bevölkerung. In einem Rundbrief wird aufgeführt, was an Sachspenden dringend benötigt wird: Lebensmittelpakete mit Sattmachern in Bananenkisten oder Weinkartons, Hygieneartikel, gut erhaltene, möglichst in Folien eingepackte Matratzen sowie Bettdecken, Federbetten und Kissen in stabilen und beschrifteten Plastiksäcken, Bettbezüge und Leintücher in Kisten oder Kartons, Verbandsmaterial und Pflaster, Windeln für Kinder und Erwachsene.

Bares wird ebenfalls benötigt

Die Spenden sollten bis spätestens Mittwoch, 9. März bei der DHHN in Spielberg eingegangen sein, damit sie von hilfsbereiten Frauen aus Spielberg, Egenhausen und Pfalzgrafenweiler rechtzeitig vor Abfahrt der beiden Fahrzeuge sortiert und verpackt werden können. Wer Lebensmittel spenden möchte, kann das in Altensteig auch an diesem Donnerstag von 9 bis 18 Uhr vor dem Discounter Aldi in der Wilhelmstraße 64 und am Freitag von 9 bis 18 Uhr vor Edeka Rentschler in der Bahnhofstraße 25 tun. An beiden Stellen stehen in dieser Zeit ehrenamtliche Helfer bereit und nehmen Artikel entgegen. Benötigt werden auch Geldspenden, um vor Ort Lebensmittel für Flüchtlinge kaufen und die Transporte finanzieren zu können.

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