Im Logo des HHG fehlen beide Bindestriche. Für Markus Köcher ist das kein Problem: Die Kunst hat ihre eigenen Gesetze. Die deutsche Sprache allerdings auch. In Texten bleibt’s deshalb beim Hermann-Hesse-Gymnasium. Foto: Parage

Gleich vier Gründe sprechen für korrekte Schreibweise. Stabile Lage am HHG. Kein Anlass für Wechselunterricht.

Dass die Calwer ihre Schulen gern mit weniger Bindestrichen schreiben als der Duden, ist hinreichend bekannt. Dass die Meinungen dazu auseinandergehen ebenfalls. Nun meldet sich die Leitung des Hermann-Hesse-Gymnasiums zu Wort. Sie setzt einen Punkt hinter das Thema.

 

Calw - Die Rechtschreibung ist eine ernste Sache – vor allem für die, denen es ernst damit ist. Redakteure gehören bestenfalls zu dieser Gattung. Unabsichtliche Fehler, die sie am nächsten Morgen in der Zeitung entdecken, sind schmerzlich. Absichtlich gemachte kaum zu ertragen. Dieser "Schmerz" wird in Calw immer dann empfunden, wenn ein Redakteur einen Schulnamen falsch schreiben muss – weil man es in der Stadt halt so macht. Etwa das Hermann Hesse-Gymnasium (HHG), das traditionell mit einem Bindestrich zu wenig geschrieben wird. Außer an der Schule, wie sich nun herausstellt. Seit gut vier Jahren steht nämlich Markus Köcher an der Spitze des HHG. Der Deutschlehrer hat – von der Öffentlichkeit unbeachtet – den jahrzehntealten Fehler in der Schulkommunikation korrigiert. Die Diskussionen der vergangenen Wochen über die kleinen Striche, die für manchen einen großen Unterschied machen, verfolgt er deshalb mit Interesse.

Gleich vier Gründe sprechen für korrekte Schreibweise

Mit Strichen kennt sich der Germanist und Mathematiker berufsbedingt bestens aus. Vier Gründe sprechen aus seiner Sicht für zwei Exemplare. Nummer eins: "Es ist richtig." Der zweite: Die Stadt habe zwar das Recht, einer Schule einen Namen zu geben, aber nicht, ihr eine Fehlschreibung vorzuschreiben – wie dies bei der Namensgebung 1967 der Fall war. Drittens würden die vorgesetzten Behörden, etwa das Kultusministerium, das Gymnasium mit zwei Bindestrichen schreiben. Als vierten Grund führt der Direktor schließlich an, dass die Hermann-Hesse-Bahn und weitere ähnliche Bezeichnungen ebenfalls durchgekoppelt werden.

"Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man den Namen richtig schreibt", sagt Köcher. Sogar die Stadt habe das schon einmal gemacht: auf einem Schild am Parkplatz des Hausmeisters – was ein Versehen gewesen sein dürfte.

In der Hesse-Stadt ist die Frage nach den Bindestrichen fast schon eine ideologische. Man sei nur dann ein Calwer, wenn man wisse, warum das HHG nur mit einem Bindestrich geschrieben werde, meint Markus Köcher mit einem Augenzwinkern. Die Anekdote von Erich Kästner, der genau dies 1967 in einem Brief gefordert hatte, ist weithin bekannt.

Da finden er und sein Stellvertreter Daniel von Altrock, ebenfalls Deutschlehrer, allerdings die Frage, warum ausgerechnet eine Schule nach dem Literaturnobelpreisträger benannt wurde, weitaus interessanter. Der sei nämlich überhaupt nicht gern zur Schule gegangen, und Hesses Prosa sei Jugendlichen nur schwer zu vermitteln. Das freilich würde ein weiteres Calwer Fass aufmachen.

Von solchen "Gänseblümchen am Wegesrand", wie Köcher die Bindestrich-Diskussion bezeichnet, einmal abgesehen, haben es die Herren momentan natürlich mit anderen Sorgen zu tun. Sie müssen den Schulbetrieb in Corona-Zeiten organisieren. Ende Oktober mussten Dutzende Sechst- und Zehntklässler in Quarantäne, nachdem eine Lehrkraft am HHG positiv getestet worden war.

Lüften und Masketragen als wirkungsvolle Instrumente gegen Virus

"Aus unserer Sicht läuft es gerade relativ stabil", berichtet der Direktor. "Ich glaube, dass regelmäßiges Lüften und vor allem das Masketragen im Unterricht die Sicherheit erhöht hat." An die Maskenpflicht hält sich die überwiegende Mehrheit der Schüler. Sitzt der Mund-Nasen-Schutz doch mal nicht oder nicht richtig im Gesicht, ist das oft darin begründet, dass es eben Kinder sind, ergänzt Laurin Luchner, Lehrer und am HHG für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Maskenverweigerer gibt es nicht – höchstens Schüler, die austesten, wie weit sie gehen können.

Köcher hat den Eindruck, dass Lehrer, Schüler und Eltern die Hygieneregeln "sehr ernst" nehmen. Gerade bei den Eltern sei die Dankbarkeit groß, dass die Schule den Betrieb aufrechterhalte. Überhaupt stellt er fest: Die Wertschätzung für den Präsenzunterricht ist seit dem ersten Lockdown gestiegen.

Für Wechselunterricht, bei dem nur jeweils die Hälfte der Schüler vor Ort ist und den die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft favorisiert, sieht der Schulleiter am HHG derzeit keinen Anlass. Zumal er sich nur schwer organisieren lässt. Dazu kommt: "Wir müssen wissen, dass wir während der Schulschließungszeit Kinder und Jugendliche verloren haben."

Gerade für Kinder in bildungsfernen Familien oder aus schwierigen Verhältnissen sei Fernunterricht ungünstig. Ohne Schulbesuch fehlt dem Alltag die Struktur. Darüber hinaus biete die Schule "Heimat, Kontakt, Freundschaft, Wärme und Anerkennung", erklärt Köcher. "Das können sie über irgendwelche Videokonferenzen nicht vermitteln."

Einschränkungen seien wichtig

Um die Infektionszahlen zu senken, seien Einschränkungen wichtig. "Aber ich halte nichts davon, bei den Schulen wieder anzufangen." Der HHG-Leiter hofft darauf, dass sich Schüler, Eltern, Lehrer und der Rest der Gesellschaft auch in ihrer Freizeit verantwortungsbewusst verhalten – "dann könnten wir vielleicht so durchkommen."

Zurück zu den weniger ernsten Dingen des Lebens, den Bindestrichen und Gänseblümchen. Letztere sind vielleicht nicht die wertvollsten Blumen auf der Wiese. Aber sie lockern das Grün auf. Dasselbe gilt für die Bindestrich-Diskussion: Wir haben sie genossen, nun soll es gut sein damit.

Und wir geloben Besserung: Ab sofort machen wir es wie die Leitung des Hermann-Hesse-Gymnasiums Wir schreiben den Namen richtig. Und zwar wirklich richtig. Ab dem nächsten Mal dann auch stillschweigend.