Streng genommen fehlen hier zwei Bindestriche. Dieses Thema ist in Calw schwer umstritten. Foto: Fritsch

Fehlender Bindestrich führt seit 1967 zu tiefen Gräben. Verzicht ist Hommage an Erich Kästner.

Calw - Calw und seine Bindestriche: Was eigentlich verbinden soll, führte schon vor Jahrzehnten zu tiefen Gräben. Die taten sich 1967 bei der Taufe des Hermann Hesse-Gymnasisums auf.

Die Sache mit den Bindestrichen, das ist eine, die die Calwer nicht loslässt. Das zeigen auch die Reaktionen auf unser "Am Rande" unter dem Titel "Strichlos" in unserer Zeitung. Darin ging’s ums Hermann Hesse-Gymnasium (HHG), dem streng genommen ein Bindestrich fehlt zwischen dem Vor- und dem Nachnamen des Dichters. Beim Maria von Linden-Gymnasium sind es gar zwei, befragt man den Duden.

Verzicht ist Hommage an Erich Kästner

Dort heißt es: "In Aneinanderreihungen und Zusammensetzungen mit Wortgruppen setzt man Bindestriche zwischen die einzelnen Wörter." Als Extrembeispiel dieser Regel wird die E.-T.-A.-Hoffmann-Straße aufgeführt. Oder, etwas harmloser, der St.-Johann-Kindergarten.

Ganz so harmlos waren die Diskussionen in Calw rund ums Thema Bindestrich einst allerdings nicht. Daran erinnert unser Leser Hannes Fleck aus Neubulach-Liebelsberg. Fleck, einst Schüler am HHG, verweist auf 1967, das Jahr der Namensbegebung. Die verlief durchaus turbulent. Denn obwohl ein Bindestrich eigentlich zusammenbringen soll, was zusammen gehört, führte er damals zu Spaltungen in Calw.

"Bundesweit belachte Lokalposse"

Erst im zweiten Anlauf hatte der Gemeinderat vor 53 Jahren beschlossen, das Gymnasium am Schießberg nach Hesse zu benennen. Der erste Versuch war 1957 krachend gescheitert, wie Sebastian Giebenrath 2010 in einem Artikel mit dem Titel "Merkwürdigkeiten im Verhältnis zwischen Calw und Hermann Hesse" schreibt. Er sei zur "bundesweit belachten Lokalposse" ausgeartet. Ausführlich nachzulesen ist dies im Nachrichtenarchiv des Hermann-Hesse-Portals, das sich übrigens mit zwei Bindestrichen schreibt. Dies aber nur nebenbei.

1967 klappt es jedenfalls mit der Umbenennung, ein Ende der Diskussionen bedeutete das aber nicht. "Denn nun entbrannte ein kurioser Streit im Lehrerkollegium des Gymnasiums, wobei selbst die Schülerschaft in zwei heftig sich bekämpfende Parteien zerfiel", heißt es weiter. Die einen forderten, das HHG müsse mit zwei Bindestrichen geschrieben werden, die anderen pochten auf einen. Für Letzteres entschied sich das Kollegium am Ende.

Renitenter Schüler lässt sich nicht überzeugen

Denn die Festrede zur Namensgebung sollte ausgerechnet Erich Kästner, ein weiteres literarisches Schwergewicht der Republik, halten. Zeit hatte er dann zwar keine, er formulierte aber in seiner Absage, "man werde sich doch hoffentlich nicht an den Duden halten, sondern den Namen mit nur einem Bindestrich schreiben". Diese Anekdote gibt der damalige Schulleiter Otto Klein in der Festschrift zum ersten Ehemaligentreffen des HHG im Jahr 2002 wieder. Der Verzicht auf den zweiten Bindestrich sei also eine Hommage an Kästner. Der Schriftsteller hatte zu Lebzeiten festgelegt, dass alle Bildungseinrichtungen, die seinen Namen tragen, nur einen Bindestrich verwenden dürfen. Den zwischen Vor- und Nachnamen bezeichnete er als "unlogisch" – egal, was im Duden stand oder steht.

Doch Kästner konnte nicht alle Calwer überzeugen. Denn als der Schriftzug an der Fassade der Schule feierlich enthüllt wurde, traf manchen beinahe der Schlag. Ein renitenter Schüler namens Walter wollte seinen Unmut über die "Ein-Strich-Lösung" nämlich nicht einfach hinunterschlucken. In derselben Festschrift gibt er zu, in der Nacht zuvor, gegen zwei Uhr, den Strich zwischen Hermann und Hesse mit Wachskreide ergänzt zu haben. Die Bemühungen des Hausmeisters, diesen wegzuschrubben, waren vergeblich. "Der Putzfleck war noch lange zu sehen – zu meiner großen Schadenfreude", gesteht der Übeltäter von einst in der Festschrift.

Übrigens: Als unser Leser Hannes Fleck 1970 ans HHG wechselte, hat er von den Bindestrich-Querelen nichts mehr mitbekommen. "Auf dem Gymnasium hat man andere Sorgen", meint er mit Blick auf seine Schulzeit. Wie man sieht, hat ihn das Thema nun trotzdem wieder eingeholt.