Die Berufung vor dem Landgericht hat der Angeklagten nichts genützt: Das zweite Urteil ist gestern sogar noch höher ausgefallen als die ursprüngliche Entscheidung des Amtsgerichts. Foto: Archiv

Landgericht verurteilt 37-jährige Frau zu Haftstrafe auf Bewährung. Mädchen in Pfelegefamilie.

Balingen/Hechingen - Zehn Monate auf Bewährung, so lautet das Urteil des Landgericht Hechingen gegen die 37-Jährige Balingerin, die ihr Kind fast hätte verhungern lassen. Die Strafkammer hält sich damit an den Antrag der Staatsanwaltschaft und hebt das Urteil des Amtsgerichts auf, nach dem die Frau acht Monate auf Bewährung bekommen hatte.

Mit diesem Urteil endet ein Prozess, der laut dem Vorsitzenden Richter Volker Schwarz gleich mehrere "familiäre Tragödien" in sich birgt. Eine Tragödie sei es für die Großeltern gewesen, die auf Geheiß der Mutter ihre Enkel nicht sehen durften, für die zwei Geschwister des kleinen Mädchens und den Vater, der nach den Ereignissen einen Schlussstrich unter seine Ehe zog.

Auch die Angeklagte selbst, die ihre jüngste Tochter an eine Pflegefamilie abgeben musste, habe unter dem Prozess zu leiden gehabt. Die Beweisaufnahme hatte sich um diese Familiensituation gedreht, denn die Angeklagte wollte keine Angaben hierzu machen – sie verteidigte sich durch Schweigen.

Doch nur eine Tragödie betreffe das Urteil der Strafkammer: die eines 15 Monate alten Mädchens, das im März 2013 in die Tübinger Kinderklinik eingeliefert wurde. Sein kleiner Körper war mit Ekzemen überseht, es war völlig apathisch, zu schwach, um zu essen. Das Kind muss gelitten haben, da ist sich das Gericht sicher. Und das vermutlich über mehrere Monate hinweg. Die Frage, wie es zu dieser Situation kommen konnte, beschäftigte das Landgericht in den vergangenen Monaten. Die Mutter habe die Familie nach einem streng vegetarischen Speiseplan ernährt. Das allein sei nicht verwerflich. Allerdings bestätigten einige Sachverständige dem Gericht, dass eine solche Ernährung von Kleinkindern umstritten sei. Nur unter der ständigen Betreuung von Kinderärzten sei diese Lebensweise völlig unbedenklich.

Die 37-Jährige hatte aber, selbst als sie den gefährlichen Zustand des Kindes erkannt haben musste, einen Arzttermin hinausgeschoben. Dieses Zögern wirft das Gericht der Mutter vor. Denn während der zweimonatigen Wartezeit verschlimmerte sich der Zustand des Mädchens, das unter massivem Eiweißmangel litt. "Das kann der Angeklagten nicht entgangen sein; sie hat das Leiden ihrer Tochter wissentlich in Kauf genommen", meint Richter Schwarz. Eine solche Gleichgültigkeit reiche zum Tatbestand des Quälens, welcher Voraussetzung für die Misshandlung Schutzbefohlener sei.

Indem die Angeklagte ihre Erklärung vor dem Amtsgericht widerrufen habe, habe sie gleichzeitig ihr Bedauern der Tochter gegenüber dementiert. Die Strafkammer gehe auch nicht von einem minderschweren Fall aus, da eine Beeinträchtigung der psychischen Steuerungsfähigkeit nicht erkennbar sei.

Der Vater des Kindes hatte das Urteil des Amtsgerichts akzeptiert, nur die Mutter war in Berufung gegangen. Dass ihre Strafe nun zwei Monate über der ihres Mannes liegt, hält die Kammer für angemessen, denn als Hausfrau habe sie die Hauptlast der Erziehung getragen.

"Wir gehen davon aus, dass es sich um ein einmaliges Versagen handelt", erklärte Schwarz. "Wenn es ihr Ernst ist, dass sie ihre Kinder liebt, wird sie ihre Bewährung nicht aufs Spiel setzen."

Zwei Wochen hat die Mutter Zeit, um gegen dieses Urteil Revision einzureichen. Dann würde der Fall ein drittes Mal aufgerollt werden – diesmal vor dem Oberlandesgericht.