Bei den Raufspielen versuchen die Kinder, sich gegenseitig an den Schultern von der Matten-Insel zu drücken. Hände und Füße dürfen die Matten dabei nicht verlassen. Foto: Rahmann

Die zweite und dritte Klasse der Grundschule Empfingen durften beim Projekt „Raufen nach Regeln“ die Werte, die auch im Schulalltag eine Rolle spielen, in Aktion erleben. Ziel des Tages war der faire Kampf – unter anderem als Krebse auf allen Vieren.

„Stop!“, schreit ein Kind durch die Halle. „Stop!“, schrillt es wiederum aus dem Mund des benachbarten Kindes im Sitzkreis. Die Kinder der dritten Klasse in der Turnhalle der Grundschule Empfingen üben am Anfang des Projekts „Raufen nach Regeln“, sich laut zu melden, um ihre Grenzen deutlich zu machen.

Besonders wichtig wird dies an einem der Höhepunkte des Tages, den Raufspielen. Alle Kinder krabbeln als Krebse auf allen Vieren und versuchen, sich gegenseitig mit den Schultern von einer Insel aneinandergelegter blauer Turnmatten zu schubsen. Schnell bildet sich ein Pulk, ein Kind ruft „Stop“. Was los sei, fragt Leiter und Anti-Aggressions-Trainer Matthias Mühr. Das Kind antwortet, dass es sich von den anderen eingezwängt fühle. Der Pulk wird aufgelöst, das Spiel kann weitergehen.

Lockere Stimmung beim Raufen

Wer bei den Raufspielen vermutet, dass die drei oder vier kräftigsten Radau-Buben das Rennen machen, irrt. Es bleiben zuletzt ungefähr gleich viel Mädchen wie Jungen auf den Matten. Auch die Stimmung ist alles andere als aggressiv: Kinder, die seitlich herausfallen und damit ausgeschieden sind, lachen statt sich zu ärgern. Die ausgeschiedenen Kinder stemmen ihre Füße gegen die Ränder der Matteninsel und halten die Matten somit zusammen.

„Das war schon gut“, sagt Mühr: „Aber was könnt ihr noch besser machen?“ Ein Kind meldet sich und schlägt vor, dass man nicht noch mit dazu geht, wenn schon zwei oder drei Kinder ein anderes Kind von den Matten drücken.

Regeln finden im Unterricht Anwendung

Ein anderes Kind sagt, dass die ausgeschiedenen Kinder die Matteninsel besser zusammenhalten könnten. Wenige Male muss Mühr selbst einschreiten, sieht dem Kind, das über die Stränge geschlagen hat, ernst in die Augen und fragt, was das sollte. Nach einem kurzen Gespräch kann das Spiel weitergehen.

Die Regeln begleiten nicht nur an diesem Projekttag die Schüler, sondern werden auch im Schulalltag immer wieder aufgegriffen, sagt Schulsozialarbeiterin Luisa Hauser. Sogar einige Übungen des Trainings wiederholen die Schüler über das Jahr verteilt.

Ein „Stop“ wird ernst genommen

So gelte die „Stop“-Regel auch im Unterricht, sagt Hauser: „Wenn ein Kind laut Stop sagt, dann gilt auch Stop. Anschließend wird überlegt, was gemacht werden muss, damit es weitergehen kann.“

Ehrlichkeit, genaues Zuhören und Fairness spielen auch im Schulalltag eine Rolle. Klassenlehrerin Barbara Giesen betont, dass ihre Schüler bei dem Projekt eine handlungsorientierte Perspektive auf diese Werte und Regeln erleben können.

Es geht nicht darum, der Erste zu sein

Eine andere Übung: Mühr gibt ein Kommando. Einige Kinder hüpfen beinahe im selben Moment mitten auf je einen aufgestellten Kasten. Andere Kinder drängen sich dazu. Am Ende bleiben ein, zwei Kinder übrig und werden von den entstandenen Gruppen auf den Kästen zu sich gerufen, die noch Platz haben. Sie laufen hin und her, steigen auf, fallen herunter, versuchen es bei einem anderen Kasten und bleiben schließlich oben stehen.

Die Aufgabe war, dass sich alle ungefähr 25 Kinder auf den fünf aufgestellten Kästen befinden. „Es ging nicht darum, wer zuerst oben ist“, erinnert Mühr: „Ihr hattet noch so viel Platz, aber geholfen habt ihr euch wenig.“ Mühr nimmt noch einen Kasten raus und wiederholt das Spiel. Diesmal klappt es besser, die Kinder auf den Kästen umarmen sich im Kreis, damit keines herunterfällt.

Im Schulalltag stehen die Kinder oft in Konkurrenz um gute Noten und lernen teilweise, dass es darum geht, der Beste zu sein. Bei dem Projekt lernen sie dagegen Teamgeist und soziale Kompetenzen. Dafür sei die Schulsozialarbeit schließlich da, sagt Hauser.