Saskia Esken überraschte ihre Genossen in der Heimat mit ihrer Ankündigung, für den SPD-Vorsitz kandidieren zu wollen. Foto: Kappeler

Geteilte Meinungen in der Region zu Kandidatur von Bundestagsabgeordneter Saskia Esken.

Nordschwarzwald - Mit ihrer Ankündigung, für den SPD-Bundesvorsitz kandidieren zu wollen, hat Saskia Esken ihre Genossen in den Kreisen Calw und Freudenstadt vollkommen überrascht. Die Reaktionen bei den Sozialdemokraten in der Region auf die Kandidatur sind derweil ziemlich unterschiedlich.

Kreis Calw/Kreis Freudenstadt. Er ist ein Politprofi und war lange Zeit eine Galionsfigur der Sozialdemokraten in der Region. Rainer Prewo war 16 Jahre Oberbürgermeister der Stadt Nagold und eine Wahlperiode lang SPD-Landtagsabgeordneter. Er hat viel erlebt in seiner Politkarriere, aber zur Kandidatur von Saskia Esken für den SPD-Bundesvorsitz "fällt mir nichts ein", wie er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten sagt. Schon vorher habe es bei der Kandidatensuche für den SPD-Parteivorsitz so manche Überraschung gegeben, meint der Ehrenbürger der Stadt Nagold. Die Kandidatur von Esken sei nun eine weitere dieser Überraschungen. Nach seiner Kenntnis habe es keine Initiative aus dem Kreis in dieser Sache gegeben. Vielmehr geht Prewo davon aus, dass die Esken-Kandidatur ein "Berliner Gewächslein", ein Produkt von Berliner Netzwerken sei.

"An der Basis haben wir darüber nicht gesprochen"

Eine persönliche oder gar wertende Stellungnahme zu den Bestrebungen von Saskia Esken werde es von seiner Seite aus nicht geben. "Wie ernsthaft das Ganze einzuschätzen ist, entzieht sich meiner Kenntnis", kommentiert der ehemalige SPD-Abgeordnete, der sich aktuell große Sorgen um seine SPD macht und von einer "fundamentalen Krise" der Partei spricht.

Daniel Steinrode, Fraktionschef der SPD im Nagolder Gemeinderat, der am Mittwoch über den Nachrichtendienst Whatsapp von der Kandidatur von Saskia Esken erfahren hat, fiel angesichts der Nachricht aus allen Wolken. "Wie alle anderen war ich überrascht", sagt er. "Und verwundert." Einen Kommentar zur Kandidatur von Esken wolle er "nicht wirklich abgeben". Innerhalb der Partei im Kreis Calw sei die Sache kein Thema gewesen, wie Steinrode im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. "An der Basis haben wir darüber nicht gesprochen."

Deutlich positiver bewertet Bruno Knöller, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bad Wildbader Gemeinderat die Kandidatur. "Ich bin positiv überrascht von dieser Nachricht", meint Knöller. Gar als "kleine Sensation" bezeichnet er die Kandidatur. Er halte Esken für eine Frau, die es verdient hätte, Vorsitzende zu werden. "Und die SPD hätte es verdient, eine solche Vorsitzende zu haben."

Esken sei mutig, was man unter anderem daran erkannt habe, dass sie sich als eine von nur acht SPD-Abgeordneten gegen das Abschiebegesetz aussprach. Knöller, dienstältester Gemeinderat in der Bäderstadt, hält es dennoch für unwahrscheinlich, dass das Duo es an die Spitze schafft. "Es gibt ein wirklich starkes Feld. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt."

Geradezu euphorisch zeigt sich Renato Fontes, SPD-Vorsitzender in Calw. "Ich bin überzeugt, für die Calwer SPD sprechen zu können, um zu sagen, dass wir uns alle freuen, dass unsere Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Saskia Esken sich zusammen mit Nobert Walter-Borjans um den SPD Bundesvorsitz bewirbt", schreibt Fontes in einer Stellungsnahme. Die SPD müsse wieder klar für eine solidarische und sozial gerechte Politik stehen, nachhaltig ökologisch, humanitär, die Freiheitsrechte wahrend, Frieden stiftend, so Fontes. Ebenso sich im politischen Erneuerungsprozess neu positionieren: zum Klimawandel, zum Sozialstaat, zur Digitalisierung und vieles mehr. "Unsere Führungspersonen müssen daher authentisch sein, zuversichtlich und haltungsstark", fordert der Calwer SPD-Chef. "Sie müssen für die Werte der SPD einstehen, keine Liebhaber lauwarmer Kompromisse und keine Fähnchen im Wind und dennoch dialogbereit, fragend, nachdenklich, demütig. Teamplayer brauchen wir, die veränderungswillig und -bereit sind und neuen Strukturen gegenüber aufgeschlossen. Diese Eigenschaften hat zweifelsohne Saskia Esken."

Die Sozialdemokraten im Kreis Freudenstadt geben derweil kein klares Bekenntnis zum Kandidaten-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ab. Das Dilemma: Der Kreisverband hat sich schon für ein anderes Duo ausgesprochen, wie die Kreisvorsitzende Viviana Weschenmoser berichtet: "Der Kreisverband Freudenstadt hat sich bereits vergangene Woche entschieden, Hilde Mattheis und Dierk Hirschel zu unterstützen." In die Gedankenspiele von Esken war die SPD- Kreisvorsitzende wohl vorher nicht eingeweiht. Sie berichtet, dass sie am Mittwochmorgen von Esken über ihren Schritt informiert wurde. Weschenmoser will nun erst einmal die kommenden Tage abwarten: "Ich bin gespannt auf Freitag, ob es tatsächlich zur Nominierung durch den Landesverband Nordrhein-Westfalen kommt." Denn Mit-Kandidat Walter-Borjans, ehemaliger NRW-Finanzminister hat bereits erklärt, dass er nur mit dieser Unterstützung kandidieren werde.