Goldener Meisterbrief: Gerhard Schill in der Rohrdorfer Mühle. Foto: Kunert

Er ist schon riesig – wie der Anlass: Müllermeister Gerhard Schill ist der imposante Goldene Meisterbrief der Handwerkskammer Karlsruhe verliehen worden.

Rohrdorf - Vor 50 Jahren – also 1972 – legte Schill seine Meisterprüfung ab. Damals war er selbst erst 22 Jahre alt. "Aber gearbeitet habe ich in der Mühle bereits seit meinem 15. Lebensjahr", erzählt der jetzt goldene Handwerksmeister. Sein eigener Meister damals, das war sein Onkel Karl Schill. Sein Vater Alfred Schill habe zwar auch in der Mühle "mitgeschafft", habe aber selbst "Metaller" gelernt. Sein Metier seien die vielen Maschinen in der Mühle gewesen. Die übrigens jüngst die 15. Müller-Generation im Hause Schill – Sohn Uwe und Schwiegertochter Madlen, die seit 2016 den Mühlenbetrieb führen – komplett erneuert haben. Um den Betrieb auch fit für die nächsten Generationen zu machen.

Die unglaublich lange Tradition der Familie und des Mühlenhandwerks – es sei halt "das zweitälteste Gewerbe der Welt", lacht Junior Uwe Schill. Ein Handwerk, das in seinen Produktionsmethoden "schon sehr lange unglaublich ausgereift" sei. Die sprichwörtlichen Mühlensteine etwa seien bereits vor 160 Jahren durch wesentlich effektivere Metallwalzen ersetzt worden. "Aber, doch, die Kugellager der Walzen, die haben sich auch danach noch wirklich verbessert."

Als Stift musste er noch schwer schleppen

Was auch leichter ist als noch zur Lehrzeit von Gerhard Schill: "Richtig schwere Getreide- oder Mehlsäcke muss hier heute keiner mehr schleppen." Bis zu 50 Kilogramm konnten die noch wiegen, als er als "Stift" hier unterwegs war. "Früher, bei den Vorfahren, waren die auch noch bis zu 100 Kilogramm schwer." Das habe er zum Glück nicht mehr mitmachen müssen. Aber der Senior von heute erzählt, wie er damals "beim Bäcker Müller" in der Nagolder Burgstraße die 50-Kilo-Säcke eine "hakelige Treppe hoch schleppen" musste. "Das war eine echte Katastrophe."

In der Mühle am Nagoldufer in Rohrdorf erledigt heute ein ausgeklügeltes Röhrensystem den Transport von Getreide und Mehl in den verschiedenen Verarbeitungsstufen. Wobei Gerhard Schill die Leidenschaft für diesen Beruf – oder auch: Passion – nie verlassen hat. Sein Lieblingsprodukt aus "seinem" Mehl: "’Ne richtig gute Laugenbrezel!", aus 550er "hellen Weizen".

Und wie schmeckt guter Weizen eigentlich? Da müssen Vater und Sohn Schill erst einmal passen. "Da gibt’s spontan kein Begriff für", das sei wie beim Wein: Nur Umschreibungen. Als Vollkorn schmecke es "leicht, angenehm bitter", als ausgemahlener Weizen "eher neutral". Dominanter Geschmacksträger später im fertigen Brot oder Brötchen sei die Hefe. Wobei "die jeweilige Witterung" vor und bei der Ernte "den Geschmack des Getreides" schon auch verändern könne. "Da sind wir sehr pingelig", sagt der Senior. Weil der Geschmack halt auch für die Qualität des Getreides und damit auch für die des aus ihm gewonnenen Mehles stünde.

Echten Eigengeschmack "den hat der Emmer", eine der Urgetreide-Sorten, auf die sich die Mühle der Familie Schill in den letzten Jahren unter anderem spezialisiert hat. "Der schmeckt nussig", habe einen ganz eigenen Charakter. Selbst Gebacken werde in der Müllers-Familie übrigens "einmal die Woche" – um die Qualität der eigenen Mehle zu überprüfen, aber natürlich auch für den Eigenbedarf. Das übernimmt in der Regel Susanne Schill, die Senior-Chefin, sonst "die gute Seele" im Mühlenladen und Büro. Wobei es zwar im Hause "einen speziellen Brotbackofen" gebe, aber vorzugsweise doch im normalen "Haushaltsbackofen" gebacken werde – wie ihn auch die meisten Kunden des Mühlenladens wahrscheinlich daheim im Gebrauch hätten. "Damit wir authentisch die selben Ergebnisse mit unseren Mehlen erzielen" – wie die Kunden daheim.

Veränderte Kundschaft

Apropos Mühlen-Kundschaft: "Die hat sich total verändert" in den letzten fünf Jahrzehnten, so die Beobachtung von Gerhard Schill. Früher seien es viele Landwirte gewesen, die ihr Mehl für den Eigenbedarf in der alten Rohrdorfer Wassermühle mahlen ließen. Die seien fast ganz verschwunden. Dafür kämen heute mehr private Kunden, die einfach auf eine bewusste Ernährung und Nachvollziehbarkeit der Herkunft ihrer Lebensmittel wert legten. Und eben die "Lust" am Selberbacken und an den herrlichen Gerüchen, die dabei entstünden, wiederentdeckt hätten.

Und die aktuelle Energiekrise? Geht die an einer Wassermühle spurlos vorüber? Die Sorgenfalten von Vater und Sohn Schill werden sichtbar tiefer. "Leider nein", erläutert Uwe Schill. Rein rechnerisch erzeuge man zwar mit dem eigenen Wasserkraftwerk und den Solaranlagen auf dem Dach ziemlich genau die Strommenge im Jahr, die man auch verbrauche – "aber leider nicht zu den Zeiten, wenn wir den Strom in der Produktion auch wirklich brauchen". Daher müssten auch sie den im Moment immer teureren Strom für die Produktionsspitzen der Mühle zukaufen, was schon auch eine Belastung sei. Aber die große Liebe zu ihrem Handwerk könne das nicht erschüttern