75 Kilogramm Lebensmittel wirft jeder Bundesbürger im Durchschnitt jährlich in den Müll. (Symbolfoto) Foto: Fevziie/ Shutterstock

75 Kilogramm Lebensmittel wirft jeder Deutsche pro Jahr in den Müll - zu viel und allzu oft unnötig. Aber was kann jeder Einzelne tun, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, und was tun Supermärkte für dieses große Ziel? Ein Streifzug durch den Einzelhandel und Privathaushalte bis hin zu innovativen Ideen.

Oberndorf - Die Sahne hat das Mindesthaltbarkeitsdatum schon überschritten, riecht aber noch gut. Im Kühlschrank liegen noch ein paar Kartoffeln und die Zwiebeln kann man eigentlich auch noch verwenden - aber wozu genau? Resteverwertung ist eine Kunst, die gar nicht so schwer zu erlernen ist. Auch diverse Apps und Webseiten helfen bei der Ideenfindung. Die bekannteste von ihnen: "Zu gut für die Tonne", eine Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Gibt man die oben erwähnten Reste-Zutaten ein, schlägt einem die App einen Auflauf vor und liefert auch gleich das Rezept.

20 Millionen Euro - so viel wert sind die zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel, die laut Verbraucherzentrale in Deutschland jedes Jahr im Müll landen. Pro Bundesbürger sind das etwa 75 Kilogramm. "Um den Verbrauchern das volle Sortiment anzubieten, muss der Großhandel alle Lebensmittel auf Vorrat halten. In der Folge werden Lebensmittel, die ihre Frische verlieren, und Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum bald erreicht ist, frühzeitig aussortiert."

Überraschungstüten zum kleinen Preis

Wie aber schaut es bei Resten beziehungsweise nahezu abgelaufenen Lebensmitteln aus, die noch beim Bäcker oder im Supermarktregal liegen? Hier helfen Apps dabei, diese an den Mann respektive die Frau zu bringen. Die Idee von "TooGoodToGo" etwa enstand vor mehreren Jahren in Dänemark, doch die App ist inzwischen in vielen europäischen Ländern verfügbar, neben Deutschland unter anderem in Österreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden und Italien.

Das Prinzip ist einfach: Nach der Installation der App gibt man seinen Standort ein und erhält daraufhin eine Auflistung von Geschäften und Supermärkten in der näheren Umgebung, die bestimmte Lebensmittel oder auch Überraschungstüten zum kleinen Preis abzugeben haben. Wer spontan ist, gewinnt - und darf sich das Essen bei besagtem Händler abholen.

"Im globalen Norden tritt Lebensmittelverschwendung besonders stark am Ende der Wertschöpfungskette auf, da es ein Überangebot an Lebensmitteln gibt und die vergleichsweise wohlhabenden Verbraucher daher wählerischer und verschwenderischer sind", erklärt das Unternehmen "TooGoodToGo" seine Intention. Einer der ersten deutschen Einzelhändler, der mit "TooGoodToGo" koopieriert hat, war Real, der bundesweit etwa 250 Märkte unterhält. Je nach Anzahl der überhängigen Lebensmittel stellen die Real-Märkte "tagesindividuelle Überraschungstüten" zusammen, erklärt ein Unternehmenssprecher.

Auch die Discounter-Kette Lidl beteiligt sich an der "Oft länger gut"-Kampagne von "TooGoodToGo". "Lebensmittel sind oft auch nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums genießbar", heißt es dazu von einer Sprecherin des Unternehmens. Mit auffälligen Aufdrucken auf Produkten wie Milch und Joghurt will Lidl seine Kunden dafür sensibilisieren. Aldi Süd hingegen drückt den Erklärungshinweis "Riech mich! Probier mich! Ich bin häufig länger gut!" auf Frischmilch-Verpackungen und auf verschiedene Käsesorten. "Damit möchten wir den Verbraucher dazu animieren, die Genusstauglichkeit der Produkte zuerst zu überprüfen, bevor er sie bei Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums entsorgt", so Pressesprecherin Berit Kunze-Hullmann.

Kooperation mit Tafeln bundesweit etabliert

Aber wie halten es die Supermärkte allgemein mit überschüssigen Lebensmitteln - und wie versuchen sie, diese zu vermeiden? Zum einen kooperieren sämtliche großen Lebensmittel-Ketten mit den örtlichen Tafeln. Ein System, das längst etabliert ist. "Grundsätzlich werden an die Tafeln nur Waren abgegeben, die uneingeschränkt genießbar sind", heißt es dazu von Real. "Vor allem Waren mit längerfristigem Mindesthaltbarkeitsdatum wie Konserven, Nährmittel oder Teigwaren werden in größerem Umfang an karitative Einrichtungen gespendet." Die Rewe-Gruppe, zu der auch der Discounter Penny gehört, unterstützt die Tafeln seit 1996 mit Lebensmitteln, "die nicht mehr verkauft, aber dennoch bedenkenlos verzehrt werden können".

Vielfach etabliert hat sich auch die Vorgehensweise, Lebensmittel günstiger zu verkaufen, ehe sie schlecht werden. Backwaren etwa. "Brote, die bei Ladenschluss nicht verkauft sind, werden am Folgetag zum halben Preis verkauft", erklärt Kaufland-Sprecherin Alisa Grötzinger. Oder auch Obst und Gemüse. "Da wir dieses unseren Kunden tagesfrisch anbieten, werden die Produkte kurz vor Ladenschluss preisreduziert abverkauft."

Durch spezielle Verfahren können Waren an der Obst- und Gemüsetheke länger haltbar gemacht werden. Netto etwa setzt die Technologie "Apeel" unter anderem bei Avocados und Zitrusfrüchten ein: "Die Schale wird mit einer dünnen, unsichtbaren Schicht aus pflanzlichen Inhaltsstoffen versiegelt", erklärt eine Netto-Sprecherin und ergänzt: "Die Ware bleibt so länger frisch."

Gute Qualität trotz Schönheitsfehlern

Gut die Hälfte der Abfälle entsteht laut Verbraucherzentrale in privaten Haushalten. Der Verbraucher selbst könne allgemein viel tun, um zu vermeiden, dass Lebensmittel weggeworfen werden, heißt es dazu bei Rewe: "Dass sich Kunden beim Einkaufen im Markt umentscheiden und auch kühlpflichtige Produkte in anderen Regalen ablegen, kommt leider häufiger vor", so Pressesprecher Thomas Bonrath. "Als Lebensmittelhändler stehen wir in der Verantwortung und Pflicht, diese Produkte, deren Kühlkette unterbrochen wurde, auszusortieren – auch bei noch laufendem Mindesthaltbarkeitsdatum."

Auch sollte man sich nicht nur vom Auge leiten lassen, wenn es um Lebensmittel geht: Aldi Süd etwa verkauft seit vier Jahren die sogenannten "Krummen Dinger" - Äpfel, die Schönheitsfehler aufweisen, etwa weil sie unter extremen Wettereinflüssen gelitten haben. Bei Netto wiederum gibt es seit 2013 die Aktion "Keiner ist perfekt": Während der Aktionswochen werden Obst und Gemüse aus deutschem Anbau verkauft, "die zwar optisch nicht der Norm entsprechen, qualitativ und geschmacklich aber einwandfrei sind".

Foodsharing: Essenskörbe abgeben oder entgegennehmen

"Teile Lebensmittel, anstatt sie wegzuwerfen!", appelliert die Initiative Foodsharing, die 2012 in Berlin gegründet wurde. Inzwischen gibt es tausende kooperierende Betriebe, unter anderem die Kaufland Stiftung & Co. KG. Vor allem in Städten haben sich dazu sogenannte "Fairtailer" etabliert - Kühlschränke und Regale, zu denen jeder Lebensmittel bringen und davon entnehmen darf. Das Ganze basiert auf Vertrauen sowie Ehrenamt und ist kostenlos. Auch online kann man sich registrieren und "Essenskörbe" abgeben beziehungsweise entgegennehmen.

Aber wann sind Lebensmittel wirklich nur noch ein Fall für die Tonne? "Tatsächlich entsorgt werden lediglich Waren, die beschädigt oder verdorben und für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet sind", heißt es dazu bei Kaufland. "Diese Lebensmittel müssen entsprechend der gesetzlichen und hygienischen Vorgaben sachgerecht entsorgt werden", führt Rewe-Pressesprecher Thomas Bonrath aus. "Hier hat ein Handelsunternehmen keinen Handlungsspielraum - Verbraucherschutz geht vor."

 Dann landen die Lebensmittel in der Regel in der Tonne - oder aber sie werden, wie bei Lidl, zu neuer Energie: "Lebensmittel, die beschädigt oder verdorben und daher nicht mehr verkaufsfähig sind und nicht mehr gespendet werden können, werden zur Herstellung von Bio-Methan in Biogasanlagen transportiert."