Die Notfallpraxen befinden sich in den Krankenhäusern in Nagold (Foto) und Calw. Foto: Fritsch

Bis vor wenigen Tagen waren die medizinischen Anlaufstellen in den Krankenhäusern in Calw und Nagold samstags, sonntags und feiertags noch 13 Stunden geöffnet, nun sind es nur noch acht. Der Aufsichtsrat des Klinikverbunds will das nicht hinnehmen – und schreibt an den Bundesgesundheitsminister.

Es hätte schlimmer kommen können, gute Nachrichten sind es trotzdem nicht: Die Notfallpraxen in den Krankenhäusern in Calw und Nagold haben samstags, sonntags und feiertags ab sofort nur noch von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Das geht aus den Daten auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg hervor.

Bis vor wenigen Tagen erstreckten sich die Zeiten noch von 8 bis 21 Uhr. Andernorts wurden Notfallpraxen jedoch sogar geschlossen – insgesamt acht von 115 in Baden-Württemberg, sechs weitere werden teilweise geschlossen. Das teilte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) mit.

Das Urteil und die Folgen

Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichts zur Sozialversicherungspflicht von sogenannten Poolärzten (beispielsweise Ärzte im Ruhestand). Diese gelten demnach im Notfalldienst nicht automatisch als selbstständig, sind somit sozialversicherungspflichtig. „Das bestehende System kann in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden“, teilte die KV daraufhin mit – und reagierte mit einem Notfallplan, der zunächst für drei Monate gelte und seit dieser Woche greift.

Rettungsdienst und Notaufnahmen sind von dem Urteil indes nicht betroffen; ein Sprecher der KV betonte gegenüber unserer Redaktion zudem, dass „Notfallpraxis“ eigentlich der falsche Begriff sei. „Echte Notfälle“ sollten den Rettungsdienst rufen, bei Notfallpraxen handele sich eher um einen ärztlichen Bereitschaftsdienst außerhalb regulärer Sprechstunden.

Offener Brief des Klinikverbund-Aufsichtsrats

Viele Verantwortliche im medizinischen Bereich fürchten nun gravierende Folgen für die Versorgung von Patienten und schlagen Alarm.

In einem offenen Brief wendet sich auch der Aufsichtsrats des Klinikverbunds Südwest an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – namentlich die beiden Landräte Roland Bernhard (Böblingen, Aufsichtsratsvorsitzender) und Helmut Riegger (Calw, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender) sowie Verbunds-Geschäftsführer Alexander Schmidtke.

Überlastung der Notfallstrukturen

Die Verantwortlichen des Klinikverbunds argumentieren in dem Schreiben, dass die nun eingetretenen „gravierenden Einschränkungen“ in den Notfallpraxen, auch an den Standorten des Klinikverbundes, „zu einer zusätzlichen Be- und Überlastung der klinischen Notfallstrukturen“ führen werden.

„Wir sind uns unserer Verantwortung als Akutkliniken und Notfallversorger für das hiesige Einzugsgebiet gegenüber der Bevölkerung bewusst und tun alles dafür, rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr als Anlaufstelle für jeden akut Hilfebedürftigen zur Verfügung zu stehen“, heißt es weiter in dem Brief.

Jährlich würden im Klinikverbund rund 160  000 Patienten in den Notaufnahmen versorgt, mehr als zwei Drittel davon ambulant. Schon heute würden die Krankenhäuser somit einen großen Teil der ambulanten Notfallversorgung auffangen.

Durch die nun eingetretene Situation werde das ohnehin bereits stark belastete System aber noch weiter überfordert. „Die klinischen Notaufnahmen werden noch stärker frequentiert, die ohnehin schon langen Wartezeiten in den Notaufnahmen werden sich weiter erhöhen“, schreiben Bernhard, Riegger und Schmidtke. Das alles gehe „letztlich zulasten des ausgelaugten Personals und am Ende der Patientinnen und Patienten“.

Damit der Betrieb der Kliniken, nicht zuletzt trotz des massiven Fachkräftemangels, aufrecht erhalten bleiben könne, brauche es „ein funktionierendes System der ambulanten Notfallversorgung im Zusammenspiel mit den Akutkliniken“ – insbesondere, da die „Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung“ immer wichtiger werde.

Weitere Patienten aus der ambulanten Notfallversorgung in den Krankenhäusern aufzunehmen, sei hingegen auch finanziell schlicht nicht leistbar.

Für die Kassenärztliche Vereinigung (KV) sei es bereits heute ein enormer Kraftakt, ihrer gesetzlichen Aufgabe nachzukommen und die ambulante Notfallversorgung sicherzustellen. Das aktuelle Urteil erschwere das zusätzlich.

Appell

„Vor diesem Hintergrund appellieren wir eindringlich an Sie, schnellstmöglich eine gesetzliche Sonderregelung für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV-Ärzte zu erwirken und damit auch die klinischen Notaufnahmen in der Konsequenz zu unterstützen“, mahnen Bernhard, Riegger und Schmidtke.

Die Initiative aus Baden-Württemberg, eine Ausnahmeregelung bei der Sozialversicherungspflicht von Poolärzten auf Bundesebene einzubringen, werden ausdrücklich begrüßt. Diese Forderungen gelte es schnellstmöglich umzusetzen.