Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) wollen sich als „ehrliche Makler“ bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einbringen. Foto: dpa

Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über den Finanzausgleich sind ins Stocken geraten. Jetzt versucht Grün-Rot, mit einem neuen Vorschlag Bewegung in die Sache zu bringen.

Berlin - Es kommt nicht so häufig vor, dass ein Ministerpräsident auf bundespolitischem Parkett die Initiative ergreift. Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize, Nils Schmid (SPD), haben es gestern getan. Sie wollen ihr Engagement verstanden wissen als das eines „ehrlichen Maklers“.

Bei dem Thema, um das es geht, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, können die beiden Spitzen der Regierung aus dem Südwesten die Vermittlerrolle auch mit gewissem Recht beanspruchen. Schließlich ist Baden-Württemberg in der Sache nicht vor den Kadi gezogen.

Anders etwa als die beiden anderen Geberländer Bayern und Hessen setzt der Südwesten unter rot-grüner Führung schon länger darauf, dass eine Lösung am Verhandlungstisch erreicht wird.

Und da es auf dem Verhandlungswege zwischen Bund und Ländern ohnehin zuletzt eher Rückschläge und Irritationen zu verzeichnen gab, ist der neue Aufschlag der beiden erfrischend. Sicherlich wird der Vorschlag die Konferenz der Ministerpräsidenten, die in der nächsten Woche ansteht, beleben.

"Kein Land darf schlechter dastehen"

Denn die Länder kämen – wenn das durchgerechnete und mit Zahlen versehene Stuttgarter Konzept tatsächlich die Blaupause würde – gut weg. Kretschmann sagt, welcher Gedanke den beiden die Feder geführt hat: „Kein Land darf schlechter dastehen.“

Der Südwesten jedenfalls würde 811 Millionen Euro im Jahr weniger in den Topf mit dem Länderfinanzausgleich einzahlen, die Bayern hätten 1,3 Milliarden mehr und die Nordrhein-Westfalen sogar 1,6 Milliarden.

Die ewig klammen und hoch verschuldeten Bremer und Saarländer würden weiterhin insgesamt etwa 450 Millionen bekommen, damit sie ihre Kreditlast leichter tragen können. Und selbst für die Ostländer soll es zwei Milliarden jährlich geben, wenn der Solidarpakt 2019 ausläuft.

Ach ja, der Soli. Die Sonderergänzungsabgabe auf die Einkommen-, Körperschaft- und Kapitalertragssteuer hat zwar mit den Hilfen des Bundes an die Ost-Ländern streng rechtlich nichts zu tun. Und der Soli, der derzeit 14,5 Milliarden jährlich einspielt, und 2020 schon 20 Milliarden einspielen dürfte, ist auch nicht einmal der dickste Brocken, der bei den Verhandlungen zur Neuordnung der staatlichen Finanzbeziehungen auf dem Tisch liegt. Er ist aber für die Bürger von größtem Interesse.

Der Soli soll bleiben

Für die Steuerzahler ist das aber die ernüchternde Seite des Vorstoßes: Der Soli soll bleiben, der Aufschlag auf die Steuer soll nach den Vorstellungen von Kretschmann und Schmid in die Einkommensteuer integriert, also addiert werden. Schmid spricht davon, der Soli sei das „Schmiermittel“ für die Problemlösung. Von den 14 Milliarden sollen 8,2 Milliarden an die Länder gehen. Der Bund, dem das Geld aus dem Soli bislang komplett allein zusteht, soll dann laut Kretschmann und Schmid 3,7 von 14,4 Milliarden behalten dürfen.

Das sind bezogen auf die Daten von 2013 rund 30 Prozent, hat Schmid errechnet. Und er findet, dass der Bund damit doch zufrieden sein könnte: Bisher habe er nur etwa ein Viertel behalten dürfen und den Rest an die Ostländer für den Aufbau abgeben müssen.

Was der Bundesfinanzminister wohl von diesem Vorschlag hält? Nun ja, Wolfgang Schäuble hat anderes mit dem Soli vor. Seit einigen Tagen gibt es einen eigenen Unionsplan, wie es mit dem Soli weiter gehen soll. Demnach soll er langsam zwischen 2020 und 2030 abgeschmolzen werden.

Etwa 2,5 Milliarden Euro Entlastung für die Bürger

Noch einmal zurück zum Konzept von Grün-Rot aus dem Südwesten: Auch der Steuerzahler soll etwas davon haben, wenn der Soli zum Schmiermittel wird. Etwa 2,5 Milliarden seien als Entlastung für die Bürger vorstellbar. Mit dem Geld könne man entweder den Menschen die heimlichen Steuererhöhungen der letzten Jahre (kalte Progression) zum Teil wieder geben oder mehr für Familien und Alleinerziehende tun.

Ihren Vorschlag haben Kretschmann und Schmid mit einigen Ländern abgestimmt, Hessen sei etwa dabei gewesen. Kretschmann ist aber Realist: „Man darf nicht davon ausgehen, dass alle Beteiligten begeistert sind.“ Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Die Grünen-Finanzsenatorin aus Bremen, Karoline Linnert, ist enttäuscht. Für die armen Länder würde zu wenig getan. Der hoch verschuldete Stadtstaat hätte es gern gesehen, wenn die Soli-Milliarden umgelenkt würden in einen Fonds, aus dem Altschulden getilgt werden.

Zuspruch kam von den rot-grünen Landesregierungen in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, ebenso aus Schleswig-Holstein, wo SPD, Grüne und SSW regieren. Auch das ist eine Antwort: Bayern äußerte sich gar nicht.