Frauenpower im Dienst der Familien (von links): Tanja Daus, Leiterin des evangelischen Familienzentrums Tailfingen und der Kita Heusteigstraße, Stadträtin Sabrina Hipp, Elternbegleiterin Gabriele Maihöfer und Grünen-Fraktionschefin Susanne Feil Foto: Eyrich

Eigentlich wollten Tanja Daus und Gabriele Maihöfer den Bundestagskandidaten Johannes Kretschmann und Anja Reinalter nur das evangelische Familienzentrum vorstellen. Daraus geworden ist allerdings viel mehr.

Albstadt-Tailfingen - Die Chemie stimmt, das steht schon zwei Minuten nach dem Eintreffen der beiden Bundestagskandidaten von Bündnis ’90/Die Grünen, Johannes Kretschmann aus dem Wahlkreis Zollernalb/Sigmaringen und Anja Reinalter aus dem Wahlkreis Biberach, in der Kita Heusteigstraße fest. Deren Leiterin Tanja Daus ist gleichzeitig die Leiterin des evangelischen Familienzentrums Tailfingen, das schon nach kurzer Zeit ein Erfolgsmodell ist. Und weil es gar nicht genug solcher Einrichtungen geben, man manches auch anderswo umsetzen kann, gerade momentan, wollen sich die Kandidaten informieren, was den Erfolg ausmacht.

Den fehlenden Elternraum ersetzt der Elternkontakt

Der fehlende Elternraum in der Kita Heusteigstraße, auch nach der Sanierung und Erweiterung auf begrenztem Areal, war ein Funke der Initialzündung, wie Tanja Daus erklärt: "Der Bedarf an Elternarbeit war da, immer mehr floss ein: Wohnungssuche, Schulden, Partnerschaftsprobleme" – nicht nur, aber vor allem für die Eltern mit Migrationshintergrund waren die Erzieherinnen oft die ersten und nicht selten die einzigen Personen, mit denen sie darüber reden konnten.

So hat Gabriele Maihöfer aus dem Kita-Team eine Zusatzausbildung absolviert, ist Elternbegleiterin geworden. "Die erste Hürde: Wer zahlt das?" berichtet Tanja Daus.

Dann kam Pfarrer Johannes Hartmann 2018 nach Tailfingen, "und hat nicht lange gebraucht, um festzustellen, dass Handlungsbedarf besteht", so die Leiterin. "Wir haben einen Zuschussantrag gestellt und waren selbst überrascht, dass die Finanzierung bewilligt wurde." Auch die Landeskirche habe Fördergelder beantragt – danach kam die Suche nach Partnern.

Wer wie Tanja Daus selbst in Tailfingen aufgewachsen und zudem mit dem örtlichen Feuerwehrkommandanten verheiratet ist, hat kurze Wege zu den Vereinen. Der Turnerbund, die Stadtkapelle, der Förderverein Lutherschule und das Rote Kreuz Tailfingen, die Malteser, der Turnverein Truchtelfingen und natürlich die Feuerwehr Tailfingen sind mit im Boot, doch auch professionelle Berater werden eingebunden: die Diakonische Bezirksstelle Balingen, die ökumenische Psychologische Beratungsstelle Albstadt, der evangelische Kirchenbezirk Balingen, die Stadt und der Zollernalbkreis zählen zu den Partnern, und so ist ein Netzwerk gewachsen, das Gabriele Maihöfer die Möglichkeit gibt, Ratsuchende auch an die passende Stelle weiterzuvermitteln.

"Für unsere Arbeit ist das wichtig: Präsent sein hier vor Ort"

"Für all unsere Arbeit ist es wichtig, dass wir hier vor Ort präsent sind", sagt Tanja Daus, und daher seien die ehemaligen Räume der Sozialstation Am Markt ideal. Dankbar sind sie und Maihöfer für die Unterstützung des Gemeinderates, der sofort erkannt habe, dass ein solch niederschwelliges Angebot wichtig sei – vielleicht noch nie so wichtig wie derzeit, coronabedingt.

Drei der Stadträtinnen aus der einzigen Fraktion mit einer weiblichen Mehrheit sind mit dabei – nicht nur weil sie derselben Partei angehören wie Kretschmann und Reinalter: Fraktionschefin Susanne Feil, Sabrina Hipp mit ihrer niedlichen Tochter und Rosalie Schatz mit ihrem blondgelockten Sohn – Gabriele Maihöfers Tochter und Enkel.

"Eine Riesen-Chance für den Stadtteil Tailfingen"

"Das Familienzentrum ist eine Riesen-Chance für den Stadtteil Tailfingen", sagt Hipp, und Feil weist auf den Wert eines so niederschwelligen Angebotes hin, rennt damit offene Scheunentore ein: "Das kann ich nur bestätigen", sagt Anja Reinalter. "Gehen Sie weiter auf diesem Weg." Als promovierte Erziehungswissenschaftlerin, Bildungsreferentin, Lehrerin und aus ihrer Erfahrung in der Pflege von Menschen mit Behinderung kennt sie das Prinzip, das im Familienzentrum greift: "Das läuft wie bei der Tupper-Party: Jeder bringt noch jemanden mit." Daus bestätigt, dass vieles über Mund-zu-Mund-Werbung laufe, zuweilen schon das "kleine Gespräch" am Rande für manche Eltern hilfreich sei. Deshalb ist ihr und Maihöfer das Begegnungscafé so wichtig als Teil des Angebots, auch dann, wenn mal nur wenige kämen: "Qualität statt Quantität", sagt Reinalter und nickt aufmunternd.

Gemeinsam beten – das hilft auch gegen die Scheidung der Eltern

Johannes Kretschmann, der selbst einen katholischen Kindergarten besucht hat, fragt "wunderfitzig", wie es denn um die Vermittlung christlicher Werte stehe angesichts des hohen Migrantenanteils von 70 Prozent. "Christliche Werte sind uns ganz wichtig, wir leben hier unseren Glauben", betont Tanja Daus, und das schätzten gerade muslimische Eltern: vermittelten und gelebten Glauben – unabhängig von der jeweiligen Religion. Anja Reinalter hat dazu ein Faktum parat, das ihre Gesprächspartner schmunzeln lässt: In Familien, die vor dem Essen und dem Zubettgehen beteten, seien die Scheidungsraten signifikant niedriger.

Themenwechsel. Es geht ums Geld. Kretschmann fragt nach den Tarifen für die Mitarbeiter, nach Freistellung für die Zusatzaufgaben – und erfährt erstaunt, dass das klappt und die Pädagogischen Fachkräfte der evangelischen Einrichtung auch niemals streiken würden.

Außerdem interessiert sich der Grüne Kandidat aus Laiz für die grüne Erziehung: Ob der Bezug zu Tieren, zur Natur, zur Landwirtschaft und zur Herkunft der Nahrung im städtischen Tailfingen denn genauso vermittelt werde wie in seiner "eher ländlichen" oberschwäbischen Umgebung. Wieder kann Tanja Daus heftig nicken: "Wir legen Wert darauf, den Kindern Gottes Schöpfung näher zu bringen, gehen viel mit ihnen raus in die Natur – und viermal im Jahr für eine Waldwoche aufs Waldheim Tailfingen." Die Kinder liebten das, seien dort "total zufrieden und ausgeglichen", betont sie.

Grundsätzlich ist Tanja Daus dankbar, dass ihr Team den Kindern so viel Zeit widmen könne, und eben nicht nur mit Dokumentation und Papierkram beschäftigt sei.

Wie geht Frau um mit Helikopter-Eltern?

Schließlich kommt noch ein Phänomen zur Sprache, das um sich zu greifen scheint: Helikopter-Eltern. Ja, es gebe schwierige Eltern, räumen die Erzieherinnen ein, "aber wir nehmen sie, wie sie sind". Manche seien zu besorgt um ihre Kinder, andere könnten sich mehr kümmern, "aber der größte Teil ist sehr dankbar für unsere Arbeit hier". Und diese verlässliche Partnerschaft, diese Kooperation, dieses Miteinander seien durch die Gründung des evangelischen Familienzentrums Tailfingen "noch einmal gewachsen".