Deutsche Autofahrer zahlen zwar eine Maut, sollen sie aber über die Kfz-Steuer zurückerstattet bekommen. EU-Kommissionspräsident Juncker sieht darin eine Diskriminierung anderer EU-Bürger und will gegen Dobrindts Herzensprojekt vorgehen.
Berlin - Die EU-Kommission wird rechtlich gegen die auch in Deutschland umstrittene Pkw-Maut vorgehen. Man habe "erhebliche Zweifel", dass das Gesetz das Prinzip der Nicht-Diskriminierung von Ausländern erfülle, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker der "Süddeutschen Zeitung".
"Diese Zweifel muss die Kommission als Hüterin der Verträge nun in einem Vertragsverletzungsverfahren klären, wenn nötig vor dem Europäischen Gerichtshof." Die Nicht-Diskriminierung sei ein fundamentales Vertragsprinzip.
Auch die "Welt" hatte am Samstag unter Berufung auf namentlich nicht genannte hochrangige Kommissionskreise von dem geplanten Verfahren gegen Deutschland berichtet. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Berlin sagte dazu: "Es liegt keine Mitteilung der EU-Kommission vor. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben europarechtskonforme Gesetze beschlossen."
CSU schimpft über "Überall-Einmisch-Europa"
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer griff in der CSU-Zeitung "Bayernkurier" die EU-Kommission scharf an: "Das ständige Einmischen in nationale Gesetzgebungskompetenzen seitens der EU schadet Europa. Die Bürger nervt das Überall-Einmisch-Europa."
Brüssel hatte bereits angekündigt, die für 2016 angekündigte Maut genau zu prüfen. Denn die Abgabe zahlen letztlich nur ausländische Fahrer, Inländer sollen ihr Geld über eine Senkung der Kfz-Steuer zurückbekommen. Das EU-Recht untersagt aber die Benachteiligung von Ausländern. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat stets betont, die Maut stehe im Einklang mit europäischem Recht.
Inländer zahlen künftig für Autobahnen und Bundesstraßen eine Jahresmaut, die nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos gestaffelt ist, im Schnitt 74 Euro. Ausländer sind nur auf Autobahnen mautpflichtig, für sie gibt es auch eine Zehn-Tages- oder eine Zwei-Monats-Maut.
Die Linke im Bundestag erwartet, dass die EU-Kommission die Maut zu Fall bringen wird. Ihr Verkehrspolitiker Herbert Behrens sagte, vermutlich werde die Maut dann nicht mit der Kfz-Steuer verrechnet werden können. Seine Fraktion gehe davon aus, dass genau das das Kalkül Dobrindts sei. "Das ist oder wäre perfide und eine echte Wählertäuschung."
Verfahren noch vor Sommerpause?
Laut "Welt" zufolge beginnt das Verfahren, das in einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof münden kann, möglicherweise noch vor Beginn der Sommerpause Anfang August. Dies hänge auch davon ab, wann Bundespräsident Joachim Gauck das Gesetz unterzeichnet und der Text im Gesetzblatt veröffentlicht wird. Der Bundesrat hatte das Prestigeprojekt der CSU Anfang Mai gegen den Widerstand mehrerer Bundesländer gebilligt.
EU-Kommissionssprecher Jakub Adamowicz erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: "Für die Europäische Kommission ist von großer Bedeutung, dass bei der Einführung der Pkw-Maut das Prinzip der Nicht-Diskriminierung beachtet wird." Generell begrüße die Behörde, dass die Maut nach dem Verursacherprinzip funktioniert und die Autofahrer zur Finanzierung von Straßen heranzieht.
Nach Abzug der Kosten soll die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarte Maut laut Verkehrsministerium jährlich 500 Millionen Euro einbringen. Kritiker bezweifeln dies.