Deutschland werde noch fünf bis sieben Jahre brauchen, um „verteidigungsfähig“ zu sein und müsse gleichzeitig der Ukraine zur Seite stehen. Davon war beim Dialog im Hotel Dollenberg Brigadegeneral Franz Xaver Pfrengle überzeugt.
Die aktuelle Gesprächsreihe im Hotel Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik wandte sich einem eher selten bemühten Thema zu und hatte dazu international erfahrene Experten zu Gast.
Brigadegeneral Franz Xaver Pfrengle aus Furtwangen, Jahrgang 1956, kommandierte Pionierbataillons und war bis zu seiner Pensionierung 2019 hoch dekorierter Militärexperte im In- und Ausland. Er skizzierte anschaulich „die Lage der Landes- und Bündnisverteidigung und wie wir dahin gekommen sind“, wie er sagte. Bedingt durch wechselnde Konzepte in der deutschen Politik und in den Bündnis-Strategien sei die Bundeswehr zu kopflastig geworden, dazu wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. 2014 sei die Landesverteidigung mental, finanziell und materiell zusammengebrochen.
Egoismen zurückstellen
Jetzt müsse das Land endlich dazu kommen, im Krisenfall seine Werte verteidigen zu können. Das verlange von der Gesellschaft im Notfall auch Verzicht zu üben und Egoismen zurückzustellen. Allein mit einem Wiedereinführen der Wehrpflicht sei das nicht zu machen.
Sicherheitspolitik aus europäischer Sicht steuerte Siegfried Muresam bei, deutsch-rumänischer stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU-Parlament. Er maß der kommenden Legislaturperiode des Parlaments große Bedeutung zu. Die EU müsse die Chance nutzen, „erwachsen“ zu werden und in der Lage sein, sich selbst zu schützen.
Deutscher Einfluss in Europa
Die Menschen in der EU könnten nur dann frei und sicher leben, wenn auch ihre Nachbarn sicher seien. Dann seien auch Beitritte weiterer Länder in die EU denkbar.
„Seine Auftritte sind legendär“, kündigte Willi Stächele (CDU), ehemals Finanzminister und Chef des Dialogs, den Beitrag von Günther Oettinger (CDU) an. Der frühere Ministerpräsident des Landes und EU-Kommissar nahm als Schirmherr des Dialogs kein Blatt vor den Mund. Mit kabarettreifen Einsprengseln beschrieb er die Lage der Nation schonungslos: „Wir stagnieren, wir schrumpfen, wir bleiben unter unseren Möglichkeiten.“ Der deutsche Einfluss in Europa, in den Verbänden, in der Wirtschaft schwinde.
Jahr der Weichenstellung
Es gelte eine neue Agenda in der Politik einzuleiten. Das Jahr 2024 sei mit 70 nationalen Wahlen weltweit ein Jahr der Weichenstellung. Dies müsse mit standortstärkender Politik und Mut zur Zumutung genutzt werden. Oettinger: „Wenn wir den Karren nicht wieder flott kriegen, sind wir einfach Flaschen.“ Unter dem Applaus eines voll besetzten Spiegelsaals forderte Oettinger mit Hinweis auf die AfD: „Stehen Sie auf für die Demokratie. Jetzt muss endlich Schluss sein mit diesem Spuk.“