Es ist wieder Schlange stehen fürs Impfen angesagt. Das Gesundheitsamt in Rottweil spricht sich klar für eine Impfpflicht aus. Foto: Schulze

Die schlimmsten Befürchtungen für den Verlauf der Pandemie werden aktuell noch übertroffen: "Das Infektionsgeschehen ist außer Kontrolle", sagt Gesundheitsamtsleiter Heinz-Joachim Adam in der Telefonkonferenz des Landkreises Rottweil am Donnerstag. Die Intensivstationen sind voll, Menschen sterben. Die klare Botschaft: "Wir haben niemand auf der Intensivstation, der vollständig geimpft ist."

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Kreis Rottweil - Die Intensivstationen sind voll, Menschen sterben. Adam sagt klar: "Wir haben niemand auf der Intensivstation, der vollständig geimpft ist." Rund 1700 Menschen seien aktuell im Kreis positiv auf Corona getestet und in Quarantäne, rund 5000 weitere Kontaktpersonen in Absonderung – "mit allen wirtschaftlichen und sozialen Folgen", so Adam.

Ihn besorgt vor allem die Lage in den Kliniken. "Auf den Intensivstationen liegen nicht die alten Menschen, es sind Personen unter 60.". Seit Anfang November sind bereits 13 Corona-Patienten im Kreis Rottweil verstorben, in der vierten Welle seit Herbst sind es 27 Todesfälle.

Covid-Patienten auf der Intensivstation nicht vollständig geimpft

Die schweren Fälle, die intensivmedizinisch betreut und beatmet werden müssen, seien alle nicht vollständig geimpft, betont Adam. Und von den insgesamt stationär behandelten Covid-Patienten seien drei von vier nicht geimpft. "Ja, man kann sich auch mit einer Impfung anstecken – aber die Impfung tut das, was sie soll, sie verhindert schwere Krankheitsverläufe. Sie funktioniert.", betont Adam.

Ihm graue vor den nächsten zehn Tagen. Verlegungen von Intensivpatienten werden schwierig, weil es auch im Umland kaum freie Betten gebe. Letztendlich würden deshalb nicht nur schwer erkrankte Covid-Patienten sterben, sondern auch Menschen mit anderen Erkrankungen, die keinen Platz bekommen. "Wir sind ganz klar für eine Impfpflicht. Anders lässt sich dieser Situation gar nicht mehr begegnen", so der Gesundheitsamtsleiter.

Maßnahmen reichen nicht

Auch Landrat Wolf-Rüdiger Michel lässt keinen Zweifel am Ernst der Lage. "Der Zug fährt immer schneller auf den Abgrund zu." Dass die "Berliner Ampel" nun erstmal zehn Tage zuwarten wolle, was die jetzt ergriffenen Maßnahmen bringen, hält er für fatal. "Die Zeit drängt, die Maßnahmen gehen zwar in die richtige Richtung, aber das reicht nicht."

Er sei allen dankbar, die freiwillig Kontakte einschränken und Veranstaltungen absagen. Auch wenn einem, beispielsweise im Hinblick auf abgesagte Vereinstermine oder -feiern, das Herz blute. Für Michel ist unverständlich, dass manche Veranstaltungen dennoch stattfinden. "Gehen sie nicht hin", so sein Appell. Oliver Brodmann, Dezernent für Öffentliche Sicherheit, Verkehr und Recht, verwies auf die am Mittwoch veröffentlichte neue Verordnung für den Kreis Rottweil, mit der seit Donnerstag weitere Einschränkungen für Ungeimpfte gelten.

Schlimme Feiertage

Michel weist erneut auf einen klaren Umstand hin: "Wo die Impfquoten hoch sind, sind die Inzidenzen niedriger." Als Beispiele nennt er die Kreise Freiburg und Breisgau-Hochschwarzwald. Der Landkreis Rottweil habe mit einer Impfquote von 62,4 zwar eine höhere als die Nachbarlandkreise, liege aber immer noch unter dem Durchschnitt. "Weihnachten und Neujahr können wir uns nicht schönreden. Es stehen uns schlimme Feiertage bevor."

Für Heinz-Joachim Adam liegt der Grund für die jetzige Situation im "laschen Umgang mit der Pandemie" im Sommer. Und dass die Kreisimpfzentren Ende September vom Land geschlossen wurden, mutet angesichts der langen Schlangen vor den Impfstationen im Kreis jetzt geradezu skurril an. "Das war ein Fehler – sogar die IT wurde vom Land wieder eingesammelt", kritisiert der Erste Landesbeamte Hermann Kopp. Genau daran hängt es jetzt beim Bemühen, wieder ein Kreis-Impfangebot auf die Beine zu stellen.

Auch der Kreis will impfen

Das Gebäude Marienstraße neben dem Landratsamt sei bereits eingerichtet, dort will man in Zusammenarbeit mit dem regionalen Impfstandort am Schwarzwald-Baar-Klinikum vier Impfteams unterbringen – zusätzlich weitere mobile Teams für die Heime, in denen es jetzt auch schon wieder 70 Corona-Fälle gibt. Es gebe betrüblicherweise auch ungeimpftes Personal.

Gibt es genügend Impfstoff?

Die große Frage ist nun für den Ersten Landesbeamten: "Wird es der Bund schaffen, uns mit ausreichend Impfstoff zu versorgen?" Er befürchte Schwierigkeiten wie vor einem Dreivierteljahr. Die langen Schlangen vor dem Impfstationen sind schon jetzt ein schlechtes Zeichen.