Tübingen - Der Grünen-Kreisverband Tübingen hat sich von Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer über den Schutz älterer Menschen in der Corona-Krise distanziert. "Wir fordern Boris Palmer dringend auf, seine Haltung zu überdenken", erklärte der Kreisvorstand der Partei am Dienstagabend. Die Würde des Menschen sei unantastbar. Dies gelte für Menschen jeden Alters.

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Im Sat.1-Frühstücksfernsehen hatte der Grünen-Politiker Palmer am Dienstag eine Lockerung der Corona-Auflagen gefordert und dabei erklärt: "Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Es müsse unterschiedliche Sicherheitsvorkehrungen für Junge und Ältere geben.

Die Äußerungen lösten eine Welle der Empörung aus. Am Abend relativierte Palmer seine Wortwahl. "Niemals würde ich älteren oder kranken Menschen das Recht zu leben absprechen", sagte er der dpa. Falls er sich "da missverständlich oder forsch ausgedrückt" habe, tue es ihm leid.

Kommentar: Sowieso tot

Von Chefredakteur Hans-Peter Schreijäg

Schwingt sich Boris Palmer zum Herrn über Leben und Tod auf? Macht der Mann vor gar nichts halt? Hauptsache, es verschafft Aufmerksamkeit. Der Grüne hätte vermutlich null Skrupel, derart polemisch auf seine unerträgliche Formel vom "Sowieso-Tod" zu reagieren. Doch so einfach darf man es sich nicht machen. Denn der Tübinger stellt sich einer Debatte, um die sich unsere Gesellschaft nicht herumdrücken kann. Vorgelegt hatte Wolfgang Schäuble – ausreichend scharf, nachdenklich, ebenfalls anfechtbar. Muss aber bei Palmer ankommen, wer bei Schäuble mitgeht? Die eiskalte Wortwahl des Oberbürgermeisters diskreditiert sein Anliegen. Gut, dass er das einsieht. Seine Entgleisungen haben den Dienst von Ärzten und Pflegern an kranken, älteren Menschen verhöhnt. Das war schändlich. Und erstickt jede vernünftige Diskussion im Keim.