Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer fordert erneut eine Lockerung der Corona-Maßnahmen. Foto: dpa

"Wir retten Menschen, die in halbem Jahr sowieso tot wären". Wirtschaftliche Folgen seien gravierender.

Tübingen - Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat erneut eine Lockerung der Corona-Maßnahmen gefordert und dabei drastische Worte gewählt. "Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag im Sat.1-Frühstücksfernsehen. Es müsse unterschiedliche Sicherheitsvorkehrungen für Junge und Ältere geben.

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Palmer zufolge handelt es sich bei dem Großteil der an einer Corona-Infektion Gestorbenen um Menschen mit Vorerkrankungen, die ohnehin nicht mehr lange zu leben gehabt hätten. Seiner Meinung nach sind die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns gravierender und könnten etwa das Leben armutsbedrohter Kinder kosten.

Schwere Verläufe auch bei jungen Erwachsenen

Der Direktor des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm, Dietrich Rothenbacher, betonte dagegen, dass es auch bei jüngeren Erwachsenen schwere Verläufe einer Covid-19-Erkrankung gebe. Laut einer Studie aus China starben in einer Patientengruppe von 35- bis 58-Jährigen 8,1 Prozent. "Die Gefährlichkeit einer Erkrankung kann auch nicht nur an der Zahl der absoluten Todesfälle festgemacht werden, sondern in der Tat sollte die Anzahl der verlorenen Lebensjahre benannt werden", teilte Rothenbacher mit. Diese Zahlen gebe es für Covid-19 noch nicht.

Der baden-württembergische FDP-Vorsitzende Michael Theurer reagierte empört auf Palmers Äußerung: "Ich rate Boris Palmer dringend, sich zu entschuldigen und diese Äußerung zurückzunehmen. Er ist nicht nur wie sonst manchmal über das Ziel hinausgeschossen, sondern erheblich entgleist."