Elmar Schubert geht Ende Januar als Caritas-Geschäftsführer in den Ruhestand. Die soziale Schieflage, die sein Berufsleben begleitet hat, wird ihn aber wohl weiterhin aufwühlen. Foto: Stopper

Ende Januar geht Caritas-Geschäftsführer Elmar Schubert in den Ruhestand. Seine Einrichtung ist zwar auch Träger des Tafelladens. Eine Lösung für die gesellschaftliche Zukunft Deutschlands sieht er in solchen Hilfsangeboten jedoch nicht.

Hechingen - Eigentlich könnte ihm alles egal sein. Ende Januar geht Elmar Schubert als Geschäftsführer der Hechinger Caritas in Rente. Hilfsangebote für arme Menschen organisieren, Integrationsangebote für Migranten schaffen – dadür sind dann andere zuständig. Aber was er in seinem Berufsleben über die soziale Lage gelernt hat, macht ihn besorgt über die Zukunft der Demokratie in Deutschland.

Sein halbes Berufsleben hat er unter anderem mit Menschen in beruflich prekären Situationen zu tun gehabt. Sein Fazit: "Die soziale Spaltung nimmt ständig zu, und die Problemlösungsfähigkeit in unserem Land sinkt." Statt Menschen am unteren Rand der sozialen Leiter mehr Teilhabe zu ermöglichen, werde von der Politik immer mehr Geld in Sozialsysteme gepumpt.

Abstimmungsergebnisse radikaler Parteien als alarmierende Signale

Schubert sieht eine "kritische Masse" von Menschen in Deutschland heranwachsen, die keine positive Perspektive für sich mehr erkennen können. Abstimmungsergebnisse radikaler Parteien seien alarmierende Signale. Von einem Kollaps der aktuellen Staatsstruktur seien dann auch jene betroffen, denen es aktuell noch gut gehe.

Schubert kann sich in Rage reden. Ein lebhafter Kopf war der 66-Jährige wohl immer schon. Nach der Verwaltungsausbildung in Freiburg war ihm dieser Beruf zu langweilig, er wurde Buchhändler, merkte aber bald, dass hier kaum ein Einkommen zu erzielen war; er studierte per Fernstudium nebenher Erziehungswissenschaft, BWL, auch ein wenig Theologie und verdiente sich zusätzlich Geld in Nachtschichten in Fabriken. "Ich hab’ viel gearbeitet und hatte wenig Geld, aber ich habe mich nie arm gefühlt", sagt er. Schließlich habe er immer eine Perspektive für sich gesehen.

Drei Jahre lang in Indien

Was Armut ist, lernte er dann aber doch kennen. Er kam zum Goetheinstitut, zog mit seinem Chef für drei Jahre ins indische Bombay, heute Mumbai, wo Sprachkurse für indische Mittelstandsaufsteiger gegeben wurden.

Als Europäer wurde ihm ein unfassbarer Luxus geboten. Chauffeur, Köchin, Golfclub-Zugang. Die ganze Stadt "eine Glitzerwelt" mit dem indischen Filmzentrum "Bollywood" direkt vor der Haustür. Zugleich sah er dort die Slums, Leprakranke auf der Straße, die um Pfennigbeträge bettelten.

"Noch geht es uns besser, aber wir sind auf dem Weg dorthin"

"Diese soziale Spaltung dort fand ich damals für uns unvorstellbar", sagt er. Heute sehe er solche Tendenzen immer mehr auch in Deutschland. "Noch geht es uns besser, aber wir sind auf dem Weg dorthin", stellt er fest. Und dafür gebe es viele Ursachen im Umbau des deutschen Sozialstaats.

Nach der Zeit in Indien arbeitete er in einer Beschäftigungsgesellschaft in Villingen. Die Aufgabe: Menschen ohne Job so zu fördern, dass sie in Metall- oder Holzberufen Fuß fassen können. Praxisbezogene Kurse, enge Kontakte zu Firmen und den Chefs dort. Noch in den Kursen wurden Aufträge für Firmen erledigt. Unternehmenschefs übten mit den Zöglingen, worauf es bei Bewerbungen wirklich ankommt. Praxis pur.

Zwar hätten bei Weitem nicht alle Angebote zum Erfolg geführt, "viele aber doch", hält er fest. Und heute? "Von der früheren Idee des Förderns, über die immer geredet wird, ist doch kaum mehr etwas da." Stattdessen gebe es eine verkrustete Sozialleistungs-Bürokratie, die nur verwalten könne statt innovativ Probleme anzugehen.

„Dienstleistungsunternehmen auch für andere“

Ihn selber führte der Berufsweg über eine Führungsposition in der Caritas Böblingen 2015 auf den Posten des Caritas-Geschäftsführers in Hechingen. 50 Beschäftigte im Altkreis Hechingen zwischen Burladingen, Haigerloch und Bisingen. Vielfältige Aufgaben. "Wir sind ein großes Dienstleistungsunternehmen, auch für andere Institutionen", erklärt er.

Eine seiner Hauptaufgaben sei gewesen, die Finanzierung dafür zu sichern über Fördertöpfe auf EU, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Notfallhilfe, Bewerbungsunterstützung, Beratung für Flüchtlinge und Migranten, Familienhilfe, Schwangerschaftsberatung, Demenzforum – die bekannteste Einrichtung dürften die Tafelläden sein.

"Natürlich sind die Tafeln derzeit wichtig", hält Elmar Schubert fest. Aber es könne keine Lösung und keine Zukunftsperspektive sein, dass immer mehr Menschen nur durch Almosen fähig seien, sich ausreichend zu ernähren. Bürgergeld, auskömmlicher Mindestlohn, praxisbezogene Förderung bei mangelnder Ausbildung – es müsse mit viel mehr Geld und Intensität dagegen gegen die Perspektivlosigkeit der unteren Gesellschaftsschichten gekämpft werden. "Manche glauben, dass man die als Ghettoleute da unten im Sumpf lassen kann", sagt er und warnt: "Wenn wir wirklich so denken, dann gnade uns Gott."