Am 22. September ist Bundestagswahl. Wen schicken die Stuttgarter nach Berlin? Wir stellen die Kandidaten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien in Kürze vor. Heute: Christina Frank (Linke).
Stuttgart - Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Einzelhandel ist Christina Franks großes Thema. „Mein Ziel ist es, dafür zu werben, dass die Menschen wieder von ihrer Hände Arbeit leben können.“ Die 58-jährige studierte Pädagogin spricht ruhig, mit der Gewissheit jener, die eine Pflicht zu erfüllen haben und diese aus vollem Herzen akzeptieren.
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Unermüdlich hat sie sich etwa für die Schlecker-Frauen eingesetzt, als das Unternehmen in die Insolvenz ging. Und ihr Kopf wackelt jetzt noch angriffslustig, wenn sie erzählt, wie sie beim Moderiesen Esprit die Bindung an den Tarifvertrag durchgesetzt hat. Ihr Engagement für die vornehmlich jungen Frauen mit ausländischen Wurzeln hat sich auch bundesweit herumgesprochen. Sie saß in den Talkshows von Anne Will bis Maybrit Illner – und wann immer Journalisten auf der Suche nach Fallbeispielen aus einer gebeutelten Branche sind, läutet bei ihr das Telefon. „Das ist schon eine Art Anerkennung meiner Arbeit“, sagt sie.
Die Schnittmenge zwischen Gewerkschaftsarbeit und politischer Arbeit für die Linken ist naturgemäß groß. Und weil sie bei Anfragen ohnehin kaum Nein sagen kann, hat sie nicht gezögert, als der Kreisverband der Linken sie um eine Kandidatur bat. Sie ließ sich für den Wahlkreis Stuttgart I nominieren. Sie hat ihren Mann gefragt, ob er es aushalte, sie noch weniger zu sehen – und die gewünschte Antwort erhalten. Sie zuckt mit den Schultern. „Er muss das akzeptieren, ich bin, wie ich bin.“ Für Christina Frank, die in Grafenau zwischen Sindelfingen und Weil der Stadt wohnt, ist die Linke die einzige Alternative zum politischen Einerlei der anderen Parteien. Nur dort gilt der Grundsatz, der auch ihr politisches Handeln bestimmt: „Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.“
Wahlkampf ist gar nicht so ihr Ding
Franks Konkurrenz in Stuttgart ist hart. Bei einer Podiumsdiskussion zum Christopher Street Day treffen im Literaturhaus die Kandidaten des Wahlkreises I aufeinander. Cem Özdemir (Grüne), Ute Vogt (SPD), Judith Skudelny (FDP), Stefan Kaufmann (CDU) – vergleichsweise politische Schwergewichte mit der Erfahrung von mindestens einer Legislaturperiode. Christina Frank schlägt sich achtbar, bekommt oft den stärksten Applaus. Floskeln sind ihr ebenso fremd wie billiger Populismus oder leere Wahlkampfparolen. Wenn sie Vergleiche zieht zwischen der Behandlung von FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß und einer H&M-Verkäuferin, kommt das im Publikum an. „Wir müssen Schluss machen mit den Sonderrechten, sonst entsteht Intoleranz“, sagt sie mit Blick auf die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Es wird heftig geklatscht.
Dabei ist Wahlkampf so gar nicht ihr Ding. Rosen verteilen und an Haustüren Hände schütteln – all das macht sie nicht. Der direkte Dialog mit den Menschen ist ihr mehr wert als jedes Streitgespräch mit den Wettbewerbern. Im persönlichen Gespräch kann sie so überzeugend sein, dass ein konservativer schwäbischer Mittelständler am Ende von der Notwendigkeit eines Betriebsrats überzeugt ist.
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Christina Frank braucht die Nähe zu den Menschen. Vielleicht ist sie deshalb etwas zurückhaltend, wenn sie daran denkt, tatsächlich einmal im Bundestag zu sitzen. Sie schüttelt ihre nach oben stehende Mähne und nickt, wie sie es gerne macht. „Ich würde in diesem Politikbetrieb vermutlich etwas fremdeln“, sagt sie und ist überzeugt, dass viele Mandatsträger die Bodenhaftung längst verloren haben. Wer den Fahrdienst nutze, könne praktisch ohne Kontakt zur Außenwelt zum Bundestag und wieder zurück zur Wohnung gelangen. „Das ist ein Polit-Betrieb geworden, den man mal aufbrechen müsste.“