Hoher Besuch in Alpirsbach: Der Grünen-Bundespolitiker Cem Özdemir stattete dem Windrad in Peterzell gemeinsam mit Bundestagskandidatin Sara Haug einen Besuch ab. Und sie nutzten die Gelegenheit, um mit Politikern und Naturschützern vor Ort ins Gespräch zu kommen.
Alpirsbach - Der Bürgermeister war da. Ebenso Brauereichef Carl Glauner (ZfA), Vertreter der "Bürgerenergie", Mitglieder der Grünen aus Calw und Freudenstadt sowie Förster und Investoren. Fast alles, was in Kommunalpolitik und Umweltschutz in Alpirsbach Rang und Namen hat. Sogar ein Aufgebot der Polizei hatte sich aus Sicherheitsgründen vor dem Windrad beim Golfclub Alpirsbach in Peterzell drapiert. Und das alles, weil der ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, einmal hoch hinaus wollte. Genau genommen ganze 113 Meter. Davon konnte er 100 mit dem Aufzug fahren. Der war so klein, dass Özdemir und Bundestagskandidatin Sara Haug (Grüne) getrennt hochfahren mussten. 15 Minuten war der Aufzug unterwegs, dann hieß es: klettern. Für die letzten 13 Meter gibt es eine Leiter. Mit Klettergurten sicherte Jürgen Bortloff, der geschäftsführende Gesellschafter des Windrads und des darunter liegenden Solarfelds, die Politiker.
Unterstützung auf breiter Ebene gefordert
Der beschwerliche Aufstieg scheint sich gelohnt zu haben. Özdemir und Haug waren begeistert von der Aussicht. Letztere mehr als Özdemir. Für ihn war es bereits die dritte Windrad-Besteigung. "Aber das letzte war nicht so hoch, da gab es keinen Aufzug", erklärt er. Da sei mehr Kletterkunst gefragt gewesen. Ob er keine Höhenangst habe? Özdemir schüttelt den Kopf. "Ich war früher Torwart im Handball. Das ist eine gute Möglichkeit, sich Angst abzugewöhnen. Die Bälle könnten ziemlich hart kommen", scherzte er.
Als der Bundespolitiker sich aus seinem Klettergurt geschält hatte, kam Bürgermeister Michael Pfaff schnell zum Thema. "Können wir damit rechnen, dass die Regierung eine einfachere Möglichkeit für Kommunen schafft, Windkraftprojekte umzusetzen?" Investoren bräuchten eine klare Perspektive, die wegen der strengen Auflagen und teils wirren Rechtsgrundlage momentan nicht gegeben sei. Das Hauptproblem sei, so Pfaff, dass die Wirtschaftlichkeit im Genehmigungsverfahren nicht berücksichtigt werde, sondern bloß die Windmenge und der Abstand der Anlage zur Wohnbebauung. Man nehme das Windrad in Peterzell. Wegen der schlechten Windlage war seine Erbauung nach aktuellen Kriterien nicht vorgesehen. Die Investoren entschieden sich dafür, weil die Wirtschaftlichkeit aber gegeben war. Der Platz war da, ebenso die Netzanschlusspunkte. Und auch bei weniger Wind zeigte sich das Rad effizient genug. "Da wünschen wir uns als kleine Kommune klare Vorgaben und dass alle Parameter berücksichtigt werden", sagte der Bürgermeister. "Wir sind interessiert daran, die regenerative Energie voranzubringen. Aber wir brauchen klare Vorgaben vom Bund und Unterstützung auf breiter Ebene", meinte er, auch in Hinblick auf den abgelehnten Flächennutzungsplan Windenergie der Stadt. Der scheiterte Anfang des Jahres an Missverständnissen bei der Auslegung der Vorgaben (wir berichteten).
Özdemir stimmte ihm zu. Besonders Baden-Württemberg hinke durch die politische Blockade in Sachen Windkraftausbau hinterher. Ursprünglich war ein Windkraftausbau im Süden des Landes nicht vorgesehen, weil die Windstärke hier nicht mit der in Norddeutschland zu vergleichen ist. Von der Sichtweise rückte die Bundespolitik ab, weil nun bekannt ist, dass Windräder auch in Gegenden mit schwächeren Windstärken effizient genug sind. "Wir müssen beim Ausbau der Windenergie deutlich schneller werden. Da müssen wir den Turbo-Gang einlegen", so Özdemir. Schließlich sei der Atom- und Kohleausstieg schon auf 2030 geplant."
Woher bis dahin der ganze Strom kommen solle, wenn der Bedarf angesichts Digitalisierung und Ausbau von Elektromobilität immer größer werde, wollte Hans-Peter Wiedmaier von der Genossenschaft Bürger-Energie Schwarzwald wissen. "Wir importieren ja jetzt schon 30 Prozent des Stroms." Aber nicht nur das, Deutschland sei auch Exporteur, entgegnete Özdemir. "Wir sind beides."
Deutschland soll als Beispiel vorangehen
Es sei gut, dass sich der Druck durch das Zeitlimit 2030 erhöhe. Die Wirtschaft in Baden-Württemberg sei stark. Sonst hinke das Bundesland aber hinterher, sowohl bei den regenerativen Energien als auch beim Netzausbau. "Wir müssen Trassen bauen, Windparks und auch Solarfelder", schlussfolgerte er.
"Nicht nur die Kommune ist in Sachen Umweltschutz gefordert", verdeutlichte Wiedmaier. "Alles muss im Zusammenhang gesehen werden." Die Frage sei also, wie das konkret zu schaffen sei
Die Anmerkung, dass der Zusammenhang nicht nur über die Landesgrenzen-, sondern auch über Bundesgrenzen hinausgehe, kam aus der Runde. "Wenn es heißt: Machen wir hier den Unterschied als so keines Land?, dann sage ich immer, ja, man muss es genau umgekehrt sehen", meinte Özdemir dazu. "Wenn wir hier mit unseren großen wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht vormachen, dass es möglich ist, regenerative Energie auszubauen, dann tut es keiner." Ob Deutschland tatsächlich für Länder wie China als Vorbild fungieren könne? Man möge in Sachen Menschenrechte und Sicherheitsfragen unterschiedlicher Meinung sein, sagte Özdemir. Das werde sich auch nicht ändern. "Die Chinesen demonstrieren nicht für Menschenrechte. Aber sie demonstrieren inzwischen für sauberes Wasser. Dass der Klimawandel eine Gefahr ist, das haben sie verstanden. Wenn es eine Chance gibt, gemeinsam für den Klimaschutz zu arbeiten, müssen wir diese Chance ergreifen."
Ausbau von regenerativer Energie heißt also das Schlagwort. Dafür sind die meisten, solange das Windrad nicht vor der eigenen Haustür steht, wissen die Politiker. "Die Akzeptanz steigt aber, wenn die Bürger selbst davon profitieren", erklärte Sara Haug. Bürgerbeteiligung ist ihr Thema. Mithilfe von Genossenschaften können Bürger in Anlagen investieren und haben so etwas davon. "Das muss stärker gefördert werden." Auch dürfe die Frage ihrer Meinung nach nicht lauten: Artenschutz oder Klimaschutz? Das seltene Auerhuhn lebe noch im Kreis Freudenstadt und darüber sei sie als Grüne froh. Aber das dürfe keine Ausrede sein, überhaupt kein Windrad zu bauen. Es gebe schließlich genügend andere Flächen im Gebiet. Es sei ein Irrtum, das regenerative Energien und Naturschutz im Konflikt zueinander stehen müssen.