Ein junger Mann, der auf seine Mutter und den Stiefvater eingestochen hat, steht derzeit vor dem Hechinger Landgericht. (Symbolfoto) Foto: BortN66 – stock.adobe.com

Prozess gegen Tübinger Studenten beginnt. Polizeioberkommisar sagte als erster Zeuge aus.

Bisingen-Thanheim/Hechingen - Am Dienstag begann der Prozess am Hechinger Landgericht zur Messerattacke eines Tübinger Studenten, der Anfang Januar während der vorlesungsfreien Zeit auf seine leibliche Mutter und seinen Stiefvater losging, die als Nebenkläger auftreten.

Ihm wird vorgeworfen, dass er beide im Schlaf umbringen wollte, weil er die Mutter mit einem Küchenmesser durch Stiche am Hals verletzte und der Stiefvater im Gerangel ebenfalls malträtiert wurde. Kurz: Versuchter Totschlag in zwei Fällen, so die Staatsanwaltschaft.

Bei der Mutter bestand Lebensgefahr, sie musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen. Der Stiefvater konnte den Studenten in ein Zimmer sperren, daraufhin flüchtete er über ein Fenster und lief in den angrenzenden Wald. Er gilt laut leitendem Oberstaatsanwalt als allgemein gefährlich.

Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen

Bevor der 23-jährige mutmaßliche Täter, der in Bisingen-Thanheim aufgewachsen ist und in Hechingen vor ein paar Jahren das Abitur schaffte, Angaben zu seiner Person und seinem Werdegang machen durfte, gab es formale Dinge zu klären. So wollte seine als Zeugin geladenen Schwester, die nicht als Nebenklägerin zugelassen wurde, im Sitzungssaal bleiben. Nach kurzer Beratung wurde sie auf Anordnung des Richters hinausgeschickt. Der leitende Oberstaatsanwalt hatte zuvor schon an ihre Einsicht appelliert, denn ihre Aussagen hätten sonst weniger Gewicht.

Nach laut Richter "schwieriger Abwägung" wurde in anschließend Sitzung der Beschluss gefasst, dass die Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen wird. Nämlich, als der junge Mann Angaben zur Sache machte, der Sachverständige Einschätzungen zu seinem Zustand abgab und sich zu den Behandlungsaussichten äußerte. Das schutzwürdige Interesse des Angeklagten, der sich derzeit im Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried befindet, wäre sonst verletzt worden, so der Richter.

Interessant: Es handelte sich um ein Sicherungsverfahren. Das ist eine Verfahrensart innerhalb des Strafrechts, die der selbstständigen Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung dient und an Stelle einer Anklageerhebung durchgeführt wird.

Angeklagter macht Angaben zum Drogenkonsum

Der Messerstecher trug vor, dass er, nachdem er in der fünften Klasse aufs Gymnasium gewechselt war, sich schwer in der neuen Umgebung zurechtfand und deshalb viel am Computer saß. Er bezeichnete sich als schüchtern und extrovertiert. Nach bestandenem Abitur begann er in Tübingen zu studieren und befand sich vor der Haft im zehnten Semester mit dem Ziel, Lehrer werden zu wollen. Inzwischen wurde er exmatrikuliert, will aber versuchen, diese Entscheidung anzufechten und als Grund seine Erkrankung, nämlich eine paranoide Psychose, anführen.

Zu seiner Schwester habe er eine sehr gutes, zu seinem Stiefvater – die Eltern trennten sich 2009 und ließen sich 2012 scheiden – habe er ein normales Verhältnis. "Es gab ein paar Differenzen, die mit der Erkrankung zu tun hatten", räumte er ein.

Nachdem wieder die Öffentlichkeit zugelassen wurde, erklärte der Richter, dass der Angeklagte Angaben zu seinem Drogenkonsum gemacht hatte. Es soll wohl deshalb auch ein Haar- und Uringutachten geben.

Als erster Zeuge sagte der Hechinger Polizeioberkommisar aus. Am Morgen des 5. Januars sei er kurz nach 1 Uhr auf Streifenfahrt gewesen und dann zum Tatort gefahren. Der Stiefvater sei an der Eingangstreppe gestanden und berichtete ihm, dass der Täter vor wenigen Minuten zu Fuß Richtung Wald abgehauen sei. Im Forst habe die inzwischen verstärkte Polizei die Fußspuren verfolgt, die aber nach 200, 300 Meter auf einer Fläche ohne Schnee nicht mehr zu sehen waren.

Auch Hundeführer wurden eingesetzt, der angeforderte Hubschrauber aus Stuttgart musste aufgrund der Wetterlage umdrehen. Schließlich wurde nach einigen Stunden die Suche abgebrochen, der Polizeioberkommisar erfuhr zwei Tage später, als er wieder im Dienst war, dass der Täter in der Nähe des Tatorts festgenommen wurde. Er habe nur den Stiefvater, welcher zunächst das DRK angerufen hatte, gesehen, im Eingangsbereich hätte sich viel Blut befunden.

Wie bereits Mitte April berichtet, ist der Student aufgrund eines Gutachtens zum Tatzeitpunkt schuldunfähig.

Der Prozess wird diesen Donnerstag (9. Mai) um 14 Uhr fortgesetzt. Dann werden m die Mutter, der Stiefvater und zwei Kriminalbeamte aussagen. Hierzu ist die Öffentlichkeit uneingeschränkt zugelassen.