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Wulff verabschiedet Benedikt - Damit endet die Reise 2011 des Papstes in Deutschland.

Freiburg/Erfurt - Vor seinem Rückflug nach Rom wird Papst Benedikt XVI. in diesen Minuten von Bundespräsident Christian Wulff auf dem Flughafen Lahr bei Freiburg verabschiedet. Damit endet die Apostolische Reise 2011 des Papstes in Deutschland. Der Abflug des Airbus Regensburg der Lufthansa ist für 19.15 Uhr angesetzt. Der Papst wird gegen 20:45 Uhr am Flughafen Rom Ciampino erwartet.

Zunächst traf der Papst in einem kleinen Raum des Flughafens noch einmal kurz mit dem Bundespräsident und Ehefrau Bettina zusammen. Auf der Ehrentribüne hatten sich zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft versammelt, darunter der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und hohe kirchliche Würdenträger.

Deutlich gegen Modernisierung der Kirche

Papst Benedikt XVI. hat sich zum Abschluss seines Deutschlandbesuches deutlich gegen eine Modernisierung der katholischen Kirche ausgesprochen. Die Kirche dürfe sich nicht der Gegenwart anpassen, sondern müsse mehr auf Distanz zur Gesellschaft gehen, forderte der 84-Jährige am Sonntag in Freiburg.

In anderen Reden und Predigten verlangte er am Wochenende von den Gläubigen Treue zu Rom. An die Jugend appellierte der Papst, „glühende Heilige“ zu werden. Es war der dritte Besuch des deutschen Papstes in seiner Heimat insgesamt und der erste Staatsbesuch in Deutschland. Kritische Laien reagierten tief enttäuscht auf die Ansprachen des Papstes in Deutschland und riefen die Gläubigen zum Ungehorsam auf.

Nach den politisch und ökumenisch brisanten Stationen in Berlin und Erfurt stellte Benedikt in Freiburg vor allem den katholischen Glauben in den Mittelpunkt. 100 000 feierten mit ihm bei strahlendem Sonnenschein einen letzten großen Gottesdienst unter freiem Himmel. „Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen“, warnte der Papst.

Weltlichkeit der Kirche ablegen

Bereits am Freitag hatte er Hoffnungen auf eine weitere Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten zunichtegemacht. Bei seiner Rede im Freiburger Konzerthaus beklagte der Papst eine „zunehmende Distanzierung beträchtlicher Teile der Getauften vom kirchlichen Leben“ und betonte: „Umso mehr ist es wieder an der Zeit, die wahre Entweltlichung zu finden, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen.“

Zugleich machte er seine Skepsis gegenüber dem innerkirchlichen Dialogprozess deutlich. Diesen hatte die Deutsche Bischofskonferenz als Reaktion auf den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche gestartet. In vielen Gesprächsrunden mit den Gläubigen an der Basis geht es dabei um mögliche Reformen, die Benedikt allerdings deutlich und wiederholt ablehnte. Zum sexuellen Missbrauch vieler Minderjähriger durch Geistliche sagte der Papst in Freiburg: „Gefährlich wird es, wenn diese Skandale an die Stelle des primären Skandalon des Kreuzes treten und ihn dadurch unzugänglich machen, also den eigentlichen christlichen Anspruch hinter der Unbotmäßigkeit ihrer Boten verdecken.“

Außerhalb des offiziellen Programms hatte er am Freitagabend in Erfurt unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit fünf Missbrauchsopfern gesprochen und sich betroffen gezeigt. Er unterstrich, den Verantwortlichen in der Kirche sei an einer Aufarbeitung des Missbrauchsskandals gelegen, der 2010 die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschütterte. Opferinitiativen bedauerten, dass ihre Vertreter nicht zu dem Treffen eingeladen worden seien. Sie kritisierten die Begegnung als „scheinheilig“. Sie sei ein Rückschritt und diene dem Verschweigen, Vertuschen und Verleugnen, sagte der Vorsitzende der Opfervereinigung, Norbert Denef.

Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist

Im Gespräch mit der Spitze des Zentralkomitees der deutschen Katholiken kritisierte der Papst ein Zuviel an katholischen Gremien und Verbänden in Deutschland. „Ehrlicherweise müssen wir doch sagen, dass es bei uns einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist gibt.“ Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt sei eine Krise des Glaubens. Die kritische Laienorganisation „Wir sind Kirche“ erklärte mit Blick auf die ausgebliebenen Reformsignale des Pontifex, für alle Christen sei es nun „Recht und Pflicht, nicht mehr auf weitere Schritte der Kirchenleitung zu hoffen, sondern dem eigenen Gewissen zu folgen“.

Benedikt habe bei seiner Begegnung mit der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland die Chance für einen ökumenischen Fortschritt verspielt. „Besonders schmerzhaft werden viele Katholikinnen und Katholiken es vermissen, dass der Papst keinerlei Hoffnung für neue pastorale Wege zum Beispiel für wiederverheiratete Geschiedene gemacht hat.“ Vatikan-Sprecher Federico Lombardi zog eine positive Bilanz der Deutschlandreise: „Dem Papst geht es außerordentlich gut. Wir sind etwas erstaunt, wie gut er diese Reise überstanden hat.“ Benedikt genoss seinen letzten Auftritt vor einem so großen Publikum in Freiburg sichtlich.

Vor dem Gottesdienst mit 100.000 Gläubigen drehte er mit dem Papamobil eine große Runde über das gesamte Areal, winkte und segnete Kinder. Viele Menschen hatten sich schon in der Nacht auf den Weg gemacht, einige übernachteten auf dem Gelände. Benedikt zeigte sich zuversichtlich, dass die Kirche in Deutschland die Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft bestehen und der „Sauerteig in der Gesellschaft“ bleiben werde. Alle müssten dafür zusammenarbeiten.

Vier Tage Papst in Deutschland, und immer wieder große Emotionen

29.000 junge Menschen kamen am Samstag zu einer stimmungsvollen Gebetsvigil mit Benedikt im Abendlicht. Wie zuvor schon bei der überschwänglichen Begrüßung am Freiburger Münster ertönten „Benedetto“-Rufe, zehntausende Kerzen erleuchteten das Areal. Bei der Papstmesse auf dem Domplatz in Erfurt am Samstagvormittag mit 28.000 Gläubigen herrschte eine ähnlich gute Stimmung. Benedikt lobte die Standfestigkeit der Katholiken in DDR-Zeiten.

Der Papst traf sich am Samstag auch mit Vertretern der Orthodoxen Kirche in Deutschland. „Unter den christlichen Kirchen und Gemeinschaften steht uns die Orthodoxie theologisch am nächsten“, betonte er nach Angaben des Vatikans. Dagegen hatte er am Freitag die Hoffnung vieler Protestanten auf mehr Miteinander mit den Katholiken nicht erfüllt. Bei einer Begegnung mit Helmut Kohl würdigte Benedikt den 81-Jährigen als Kanzler der Einheit. Es war ein Deutschlandbesuch mit großem Programm - und noch größeren Erwartungen. Als spektakulär und historisch wurden Benedikts Auftritte im Bundestag in Berlin und beim Ökumene-Gipfel in Erfurt gewertet.

Deutlichere Signale für Annäherung der Kirchen gewünscht

Allerdings hatten sich viele deutlichere Signale für eine Annäherung zwischen katholischer und evangelischer Kirche gewünscht. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) warb für mehr Geduld in der Ökumene. Der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich hingegen enttäuscht, dass sich der Papst nicht deutlicher zur Ökumene bekannt habe.

Allerdings würdigte Benedikt ausdrücklich das Wirken des Theologen Martin Luther. Der frühere katholische Mönch und spätere Reformator hatte vor knapp 500 Jahren die Kirchenspaltung ausgelöst. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sprach von einer „faktischen Rehabilitation“.