Die kritische Stelle der Hochbrücke Horb: Beim Traggerüst sind Bolzen abgekracht, die rechte Seite ist zehn Zentimeter abgesackt. Halten die 150 Tonnen Beton des Querträgers? Foto: Jürgen Lück

Was steckt hinter dem Problem an der Hochbrücke Horb? Was bedeutet das Absacken des Traggerüstes auf einer Seite für die weitere Brücke? Wurde Billig-Stahl aus China verwendet? Wir haben mit dem Bauleiter des Regierungspräsidiums gesprochen.

Jetzt redet das Regierungspräsidium Klartext darüber, wie schlimm und gefährlich das „Dübel-Problem“ am Pfeiler am Neckarradtalweg und an der Kulturbahn Richtung Tübingen ist.

 

Stellen Sie sich vor, Sie wollen ihren schicken Cayin-Röhrenverstärker frei schwebend an der Wand platzieren. Winkel, Dübel, Schraube, Holzbrett drauf. Doch als der 18 Kilo-Verstärker auf dem Brett steht, platzt plötzlich ein Schraubenkopf ab. Verstärker sofort runter. Drei Kreuze gemacht. Rechtzeitig, ehe er den Glastisch zertrümmert hat. Und die Katze getroffen hat.

Genau das ist an „Achse 50“ – dem Pfeiler direkt am Clubhaus des Kleintierzüchtervereins passiert.

RP-Bauleiter erklärt, wie gefährlich die Situation war RP-Bauleiter Jörg Pfeiffle: „Am Rosenmontag um 11 Uhr waren rund sieben Bauarbeiter gerade dabei, den Rest der 150 Tonnen Beton für den Querträger in die Schalung einzubringen. Plötzlich bemerkt einer, dass der Bolzen abkracht und runterfliegt. Sofort haben die Bauarbeiter die Baustelle und den Bereich verlassen. Dazu wurde sofort abgesperrt. Wir sind froh und dankbar, dass so schnell und professionell gehandelt wurde. Es hätte durchaus sein können, dass die Bauarbeiter runterfallen und ihnen 160 Tonnen Beton und Konstruktion auf den Kopf fällt.“

Michael Lumpp vom Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt das Bolzen-Problem. Foto: Jürgen Lück

Das Brückenpech. Michael Lumpp, Referatsleiter Baureferat Süd vom RP Karlsruhe: „Das war der erste Querträger für einen Pylonen auf der Baustelle. Nachdem der eine Bolzen abgefallen ist, haben sich über Nacht alle anderen Bolzen gelöst.“

Lumpp: „Diese Bolzen sind 4 Zentimeter dick und 15 Zentimeter lang. Sie werden innen an den Betonpfeiler in eine 40 Zentimeter tiefe Halterung festgeschraubt. Diese Bolzen halten dann die Tragelemente, die 50 mal 15 mal 10 Zentimeter groß sind. Darauf wird dann das Traggestell befestigt, um den Beton gießen zu können.“ Das ist an sich ein System, das bewährt sei.

Kein Billig-Material aus China – so wie einst in Leverkusen Liegt das daran, dass Porr – wie offenbar bei der Autobahnbrücke Leverkusen – möglicherweise Billigstahlteile aus China genommen hat? Im Jahr 2020 wurde Porr Deutschland deshalb der Auftrag vom Land Nordrhein-Westfalen entzogen. Porr-Chef Karl-Heinz Strauss hatte der Auftraggeber, der landeseigenen „Straßen.NRW“ die Schuld gegeben. Diese habe sich ganz bewusst für den China-Stahl entschieden. Lumpp: „Definitiv nicht. Die Bolzen sind kein Billigmaterial aus China. Dennoch werden die Bolzen jetzt metallurgisch untersucht.“

Die Folge der „abgeplatzten Schraubenköpfe“ am Rohbau des ersten Horber Pylonen: Das Traggerüst hat sich auf der Seite Richtung Mühlen um zehn Zentimeter abgesenkt.

Der erste Pylon der Horber Hochbrücke steht direkt an der Bahnstrecke Richtung Tübingen. Das Bolzenproblem ist am ersten Querträger aufgetreten. Foto: RP Karlsruhe/KVON Media

RP sucht nun nach der Ursache Lumpp: „Das RP und der Auftragnehmer sind mit Hochdruck daran, die Ursache zu finden. Mit externen Prüfstatikern und Experten. Gemeinsam wollen wir zunächst klären, ob die Konstruktion aus bisher 150 Tonnen Beton in sich schon statisch hält. Dann könnte man das Traggerüst ohne weiteres entfernen und die fehlenden 50 Tonnen Stahl mit einer neuen Schalung aufbringen.“

Damit wäre das Grundproblem aber nicht gelöst. Jörg Pfeiffle: „Am nächsten Pfeiler Richtung Rauschbart wäre es in zwei Wochen soweit, dass man hier den ersten Querträger anbringen kann. Wir wollen natürlich wissen, ob das bisherige Verfahren mit Bolzen und Traglagern hier funktioniert oder ob man eine andere Lösung finden muss.“ Lumpp: „Denkbar wäre beispielsweise das Abhängen des Traggerüstes von oben.“

Der zweite Pfeiler Richtung Rauschbart: Kann hier in zwei Wochen der Querträger für den Pylonen installiert werden? Foto: Jürgen Lück

Verzögert das „Dübel-Problem“ den Bau der Hochbrücke? Bauleiter Jörg Pfeiffle: „Derzeit sind wir ab dem Widerlager auf der Seite Richtung Nordstetten dabei, die ersten Stahl-Querträger zu montieren.“ Die bis zu 12 Tonnen schweren, grauen Stahlträger sind bis zu 14 Meter lang und werden gerade mit dem gelben Autokran auf die blauen Stahlträger montiert.

Hier entsteht das erste Stück Straße der neuen Hochbrücke: Oben die neuen Stahl-Querträger, unten liegt schon der Baustahl für die Längsträger. In acht Wochen könnte hier schon ein Stück Straße zu sehen sein, wenn die Fertigplatten draufgelegt werden. Foto: Jürgen Lück

Pfeiffle: „Diese Querträger bleiben dauerhaft in der Konstruktion erhalten. Wenn die fertig fixiert sind, werden die Längsträger aus Beton fertiggestellt. Dann wird auf dem ersten Bauabschnitt die Straßenkonstruktion gestartet.“ Das kann dann in acht Wochen so weit sein.

Wenn man damit fertig ist, startet dasselbe auf dem nächsten Abschnitt. Und zwar dort, wo der blaue Tragpfeiler tiefer liegt. Pfeiffle: „Der liegt tiefer, weil wir hier eine sogenannte Voute einbauen.“ So nennt man die elegante 2,20 Meter Absenkung am Pfeiler.

Dieser Bauarbeiter sorgt dafür, dass niemanden der Himmel auf den Kopf fällt. Rund um die Uhr ist der Bereich um den Pfeiler abgesperrt. Das RP hofft, die Bahnstrecke nächste Woche wieder freigeben zu können. Foto: Jürgen Lück

Und weil die ersten zwei Abschnitte unabhängig vom Pylon am Neckar und dessen Bolzenproblem ist, ist das RP als Bauherr derzeit noch entspannt.

Gibt es ein Sicherheitsrisiko für Passanten? Klar ist aber auch: Derzeit kann den Spaziergängern hier nicht der Himmel auf den Kopf fallen. Lumpp: „Wir haben hier eine Wache rund um die Uhr platziert. Die achtet darauf, dass niemand dem kritischen Pfeiler zu nahe kommt. Wir hoffen, dass wir das Problem so in den Griff bekommen, dass wir in der nächsten Woche die Bahnsperrung aufheben können.“