Autos fahren auf der Bundesstraße 27 nahe Engstlatt – links nachts, rechts am Tag. Auf dem Abschnitt zwischen Balingen-Nord und Bisingen-Steinhofen gelten künftig je nach Uhrzeit unterschiedliche Geschwindigkeitsbegrenzungen. Foto: Maier

Stadt akzeptiert Vergleich zum Tempolimit. Änderungen nach Gespräch mit Kläger Sauter. Mit Kommentar

Balingen - Nach Hechingen nimmt nun auch die Balinger Stadtverwaltung den Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Bundesstraße 27 an. Das erklärte Oberbürgermeister Helmut Reitemann in der Gemeinderatssitzung am Dienstag.

Das "Ja" Balingens zum Vergleichsvorschlag der Sigmaringer Richter vom November bezieht sich auf das rund anderthalb Kilometer lange Teilstück der Bundesstraße zwischen den Anschlussstellen Balingen-Nord und Bisingen-Steinhofen, also vor allem auf den Abschnitt bei Engstlatt. Dafür hatten die Richter aufgrund der Klage des Frommerner Unternehmers Albert Sauter (Kern&Sohn) die Aufhebung der bisher gültigen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Stundenkilometer vorgeschlagen. Stattdessen soll dort künftig ein Tempolimit von 130 gelten.

Diesen Vergleich wolle die Stadt Balingen annehmen, erklärte Reitemann. Allerdings habe man in Gesprächen mit Sauter den Kompromissvorschlag dahingehend abändern können, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern nur tagsüber gelten soll. Aus Rücksicht auf die vom Verkehrslärm geplagten Engstlatter soll es zwischen 22 Uhr am Abend und 6 Uhr in der Frühe beim bisherigen Tempolimit von 120 bleiben.

Künftig konsequente Kontrollen

Bereits im November hatte Reitemann im Gemeinderat erklärt, dass, wenn die Stadtverwaltung dem Kompromissvorschlag zustimme, künftig konsequente Kontrollen auf der B 27 vorgenommen werden sollen. Bisher finden Tempoüberwachungen eher sporadisch statt.

Der Engstlatter Ortsvorsteher Klaus Jetter sagte, dass man in Engstlatt mit diesem Kompromiss leben könne. Sinnvoll sei er aber nur dann, wenn es tatsächlich die angekündigten Kontrollen gebe. Viele Autofahrer seien, so Jetter, auf der B 27 entlang Engstlatt und auch darüberhinaus trotz der derzeit noch gültigen Begrenzung auf 120 Stundenkilometer deutlich zu schnell unterwegs, ohne dass dies konsequent geahndet würde. Das müsse sich ändern, so Jetter: Wer zu schnell fahre, solle dafür ein "Erinnerungsfoto" samt Geldbuße erhalten. Insbesondere nachts müsse man mit Rücksicht auf den Schlaf der Engstlatter auf die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung genau achten.

Derweil wird mit der neuen Regelung bei Engstlatt der Tempo-Flickenteppich auf der Bundesstraße 27 im Zollernalbkreis für Autofahrer noch unübersichtlicher. Auf den vierspurig ausgebauten Abschnitten darf man künftig teilweise 100 (zwischen Balingen-Süd und Balingen-Nord), teilweise 130 (Balingen-Nord bis Steinhofen, aber nur tagsüber), teilweise 120 (Balingen-Nord bis Steinhofen nachts sowie weiter in Richtung Hechingen) fahren. Dazu kommen unterschiedliche Geschwindkeitsbegrenzungen in den Ortsdurchfahrten – etwa Tempo 50 durch Schömberg, Tempo 80 bei Erzingen oder gar Tempo 30 im lärm- und abgasgeplagten Endingen.

Dagegen können Autofahrer, wie berichtet, zwischen der Kreisgrenze und dem Ende der Ausbaustrecke nahe Bodelshausen künftig so richtig aufs Gas drücken: Für diesen rund 1,1 Kilometer langen Abschnitt wurde die Geschwindigkeitsbregenzung infolge der Klage Albert Sauters komplett aufgehoben.

Kommentar: Vielen Dank

Von Steffen Maier

Dass zu viele Bestimmungen das Leben erschweren ist eine Klage, die Unternehmer gerne von sich geben – Stichwort Bürokratie. Der Frommerner Unternehmer Albert Sauter sorgt mit seiner Klage gegen die bisher gültige fast durchgängige Geschwindkeitsbegrenzung auf 120 Stundenkilometer nun dafür, dass Bürokratie aufgebaut wird. Der Erfolg der Klage hat, nüchtern betrachtet, zwei Folgen: Auf wenigen Kilometern darf man künftig ein bisschen schneller fahren. Dafür wird auf der B 27 künftig wesentlich strenger kontrolliert. Für beides können sich Autofahrer bei Sauter bedanken. Insbesondere jene, die angesichts des Flickenteppichs an Tempolimits die Übersicht verlieren, wie schnell sie auf welchem Abschnitt unterwegs sein dürfen. Sauter mag mit seinem Kampf für die 'freie Fahrt' vor Gericht persönlich erfolgreich gewesen sein. Für alle anderen aber ist das kein Gewinn.