Im Landgericht Tübingen fiel ein weiteres Urteil im umfangreichen Cannabis-Verfahren. Foto: M. Bernklau

Vor Landgericht ergeht Urteil. 38-Jähriger darf Feiertage zu Hause verbringen.

Tübingen/Calmbach - Besser hätte es für den Angeklagten nicht laufen können. Wegen seines Marihuana-Handels verurteilte das Landgericht Tübingen den 38-jährigen Calmbacher am Freitag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

Mit dem milden Urteil gegen den dritten Angeklagten endet der Prozess um die Cannabis-Plantage auf dem Hofgut eines 66-jährigen Kanada-Heimkehrers im hohen Nordschwarzwald. Aus sieben Ernten von 600 Pflanzen sollten mit den Marihuana-Blüten seit November 2016 Erlöse von insgesamt rund 440.000 Euro erzielt worden sein.

Der arbeitsteilige Handel – gegen drei weitere mutmaßliche Dealer wird noch ermittelt – flog vergangenes Frühjahr durch verdeckte Ermittler auf. Der mitangeklagte 48-jährige Calmbacher war einem Lockangebot des Landeskriminalamts auf den Leim gegangen. Er bekam zweieinhalb Jahre Haft aufgebrummt, der geständige 66-jährige Gutsbesitzer fünf Jahre.

Vollständige Kehrtwende mit neuem Verteidiger

Mit einer vollständigen Kehrtwende in der Strategie hatte Christoph Geprägs als neuer Verteidiger des 38-Jährigen nicht nur die Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Armin Ernst überzeugt, sondern sogar den Staatsanwalt Nicolaus Wegele.

In seltener Einmütigkeit hatten die Plädoyers und am Ende das Urteil den neuen Verständigungsvorschlag ("Deal") vertreten, der dem Familienvater eine baldige Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ermöglicht.

Als weihnachtliche Milde hob der Vorsitzende sogar den Haftbefehl auf – mangels Flucht- und Verdunklungsgefahr: Der Mann darf die Feiertage bei seiner Familie verbringen. Dann wird er noch genau zehn Tage einsitzen müssen, um mit der Untersuchungshaft auf drei Monate Gefängnis zu kommen, die für den 38-Jährigen eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ermöglicht.

Der zunächst für die Verteidigung verpflichtete prominente Anwalt aus Karlsruhe hatte das erste Angebot mit einer denkbaren Strafe von zwei Jahren und neun Monaten abgelehnt und mit einer aggressiven Prozess-Strategie unter Ausnutzung von Schwächen in der Beweislage auf eine kürzere Haft mit baldigem offenen Vollzug gesetzt. Dazu sollte der Mandant auch seine eigene Drogenabhängigkeit verschweigen.

Der Nachfolger überzeugte seinen Mandanten von den Vorteilen einer Zusammenarbeit mit der Kammer und einer totalen Offenheit. Über den Handel und den Hergang der Taten legte er in seinem abgetrennten Prozess sofort ein detailliertes Geständnis ab und räumte auch freimütig seine massiven Suchtprobleme mit Cannabis, Kokain und auch Alkohol ein. Im Entzug der U-Haft, sagte der Angeklagte, sei ihm seine Abhängigkeit klar geworden. Eine nach den Feiertagen anzutretende und erfolgreich abzuschließende Suchttherapie gehört zu den strengen Auflagen des Urteils.

Auch wegen des Eigenbedarfs hatte das Gericht in der Beweisaufnahme die tatsächlichen Handelserlöse des 38-jährigen Calmbachers von ursprünglich 55.000 Euro auf genau 19.595 Euro reduziert. Den Betrag, der nicht zu dem schon bei Haussuchungen beschlagnahmten Bargeld der drei Angeklagten gehörte, muss der Mann an die Staatskasse entrichten.

In seiner Urteilsbegründung wies der Vorsitzende zwar darauf hin, dass der Calmbacher sein Entdeckungsrisiko "mit einer gewissen Cleverness" erfolgreich geringzuhalten versucht hatte – das meiste sichergestellte Marihuana lagerte bei seinem 48-jährigen Mitangeklagten und früheren Geschäftsfreund.

Der Richter sah jedoch neben dem späten, aber rückhaltlosen Geständnis und der glaubhaften Reue auch weitere mildernde Umstände und positive Prognosen: stabile berufliche und familiäre Verhältnisse, keine Vorstrafen.

Ein Weihnachtsgeschenk: Für die Feiertage als freier Mann durfte der 38-jährige den Gerichtssaal verlassen, bedankte sich bewegt bei seinem Verteidiger und fiel seiner Frau in die Arme.