Vor oder nach dem queren der König-Karl-Straße – je nach Fahrtrichtung – wechselt bei der Schranke südlich vom Bahnhof für die S-Bahnen die Stromart, weshalb sie unmerklich für die Fahrgäste eine kleine Teilstrecke im Grünstreifen ohne Energie von oben mit Schwung durchfahren. Foto: Schabert

In einigen Wochen besteht die S-Bahn-Strecke bis zum Bad Wildbader Kurpark 20 Jahre. Vor Übernahme durch die AVG drohte eine Stilllegung der Enztalbahn. Vor Verbindung von Schiene und Straße waren zahlreiche Probleme zu lösen, die Dieter Ludwig anging.

„Wir treffen uns an der Drehscheibe“, so verabredeten sich früher gelegentlich die Wildbader mit Freunden oder Bekannten. Heute begegnet man sich am Liebigbrunnen beim Café M am gleichen Platz unterhalb der Großbaustelle „The Hill“. Denn die technische Anlage südlich vom Bahnhof ist rund 100 Jahre nach ihrem Bau für die Enztalbahn Mitte der 1960er-Jahre verschwunden.

Benötigt haben die Einrichtung die ab 11. Juni 1868 über die Strecke fauchenden und ratternden Dampflokomotiven, die auf der Drehscheibe nach Ankunft zur Fahrt talwärts gewendet wurden.

Ab 1962 zogen Dieselloks die Wagen, die noch bis 1988 Kurswagen aus der ganzen Bundesrepublik nach Wildbad brachten.

Historischer Moment

Ab 1990 war der 628er-Diesel-Triebwagen auf der 22,7 Kilometer langen Strecke zwischen Pforzheim und Wildbad. Im Einsatz war zwischendurch auch der „Schom“, wie die Eisenbahnkenner den Schienenomnibus nennen, der ganz offiziell so abgekürzt wurde. Der letzte steuerte Wildbad am 22. Mai 1982 an, wie der Nagolder Eisenbahnfreund Roland Bühlmaier berichtet. Ein Foto des historischen Moments sowie dessen Begegnung mit einem Zug mit Diesellok auf der Rückfahrt bei Neuenbürg hat er in seinem Archiv. Eine Aufnahme der Drehscheibe sowie eines Plans von dieser ist im Staatsarchiv Ludwigsburg vorhanden und von Alfred Kiefer aus Calmbach auch der digitalen Sammlung des Kreisgeschichtsvereins einverleibt worden.

Seinen Ursprung hat der auch Schienenautobus genannte Schienen(omni)bus im Straßenfahrzeug. Die ersten derartigen Exemplare waren einfach umgebaute Straßenfahrzeuge mit Eisenbahnrädern. Eine weitere offizielle Abkürzung der Bahn für den Schom lautet „LVT“. Ausgeschrieben bedeutet dies Leichtverbrennungstriebwagen. Die Bahn setzte solche als kostengünstige Fahrzeuge auf Nebenbahnen ein.

Trotz aller kostensparenden Entwicklungen drohte der Enztalbahn, wie vielen Nebenstrecken, die heute teilweise wiederbelebt werden, die Einstellung.

Die Wende im Schienen-Nahverkehr schaffte in einem weiten Gebiet um Karlsruhe und damit fürs Enztal mit zäher Zielstrebigkeit der für den Stadtverkehr und die Albtalverkehrsgesellschaft in der badischen Metropole zuständige Geschäftsführer Dieter Ludwig (1939 bis 2020). Über Straßenbahn- und Eisenbahnschienen muss man zu den Haltestellen von Innenstadt zu Innenstadt kommen können, war sein Credo. Dem stand allerhand entgegen: Die Schienennetze von Bahn und Straßenbahnen waren nicht verbunden und standen unter verschiedener Trägerschaft.

Verschiedene Ausbildungen

Die Vorschriften auf beiden Gleisen sind unterschiedlich. Straßenbahnfahrer und Lokomotivführer haben ganz verschiedene Ausbildungen und Lizenzen. Es gab keine Fahrzeuge, die sowohl unter der 750-Volt-Gleichspannung auf den Eisenbahnschienen und mit 15 000-Volt-Wechselspannung auf den Straßenbahnschienen betrieben werden konnten.

Dieter Ludwig nahm alle diese Hürden. Im Jahr 1992 eröffnete er „seine“ erste „Zweisystemstrecke“ zwischen Karlsruhe und Bretten. Es waren erste Fahrzeuge gebaut, die Motoren für beide Stromsysteme besitzen.

Kaum mehr wegzudenken

In Bad Wildbad findet der Wechsel der Stromart unmerklich für die Fahrgäste im grünen Gleisbett bei der Schranke je nach Fahrtrichtung nach oder vor dem queren der König-Karl-Straße statt. Ab 15. Dezember 2002 übernahm die AVG den Stadtbahnbetrieb auf der Enztalbahn. Aber erst nach Abschluss restlicher Arbeiten konnte dieser seit 4. Oktober 2003 bis zum Kurpark führen. Ludwig hatte von Sinn und Wert den Calwer Kreistag und die Gemeinderäte – wenn auch bis zum Start nicht jedes einzelne Mitglied – der an der Strecke liegenden Kommunen überzeugt. Heute ist die S-Bahn, bei allen Kosten für die Kommunen, auf der Enztalstrecke kaum mehr wegzudenken.