Der Bedarf steigt stetig: In der Armlederanlage haben die Vorarbeiten zur Schaffung eines weiteren provisorischen Kindergartens begonnen. Foto: Alt

Es klingt verrückt und ist für viele schlicht unbezahlbar: 820 Euro soll ein Ganztages-Krippenplatz in Rottweil bald monatlich kosten. Viele Eltern laufen Sturm dagegen. Stadt und Gemeinderat sind in der Zwickmühle.

Rottweil - Die Krux wird jedes Jahr aufs Neue bei der Gebührendebatte deutlich: Die Stadt muss – wie vom Gesetzgeber vorgegeben – stetig neue Betreuungsplätze schaffen, um jedem den Rechtsanspruch zu garantieren. Die Kosten fürs Stadtsäckel steigen und steigen – der Kostendeckungsgrad ist dabei miserabel. Doch Gebührenerhöhungen in dem Maße, wie sie jetzt geplant sind, sind den Bürgern kaum zuzumuten.

Eltern in Rottweil protestieren

Das zeigen jüngste Proteste von Eltern aus Rottweil. Eine Mutter schreibt an unsere Redaktion, dass Sie sich unter diesen Bedingungen überlegen müsse, mit dem Arbeiten aufzuhören. Eine andere hat eine Online-Petition im Internet gegen die hohen Kosten in Rottweil gestartet.

Der Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss war sich am Mittwochabend der schwierigen Lage bewusst. Auf der Tagesordnung stand der Vorschlag der Verwaltung, die Beiträge nach dem schon 2020 gefassten Beschluss über eine zweiprozentige Erhöhung nun sogar um insgesamt 3,9 Prozent zu erhöhen.

Schließlich, so erinnerte Finanzchef Herbert Walter, sei der Auftrag des Gemeinderats gewesen, einen höheren Kostendeckungsgrad zu erreichen und den Empfehlungsbeschlüssen zur Gebührenanpassung zu folgen. Man investiere mittlerweile jährlich sieben Millionen Euro in den Betrieb der Kindergärten, betonte Abteilungsleiterin Madeleine Lehmann. 2012 waren es noch 1,2 Millionen, erinnerte Oberbürgermeister Ralf Broß.

Familien nicht im Stich lassen

Allerdings: Die allgemeinen Kostensteigerungen treffen eben nicht nur die Stadt, sondern auch die Familien. Deshalb erklärte Elke Reichenbach von SPD+FFR, dass ihre Fraktion die weitere Erhöhung nicht mittragen könne. Man stimme lediglich den zwei Prozent Plus zu. "Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir die Familien nicht im Stich lassen." Auch wenn man wisse, dass die Stadt das letzte Glied in der Kette sei und viel dafür tue, um die stetig steigende Nachfrage zu decken.

Angesichts der Inflation für Eltern nicht leistbar

Auch Ingeborg Gekle-Maier stellte klar, dass die Grünen einem weiteren Plus von 1,9 Prozent nicht zustimmen. Wenn man die Inflation betrachte, sei das für Eltern "nicht mehr leistbar". Der Familienpass greife da bei vielen nicht. Auch wenn man den bisherigen Beschlüssen zugestimmt habe – "wir müssen jetzt auf die Bremse treten".

Daniel Karrais (FDP) sieht das Dilemma zwar ähnlich, er sehe jedoch auch keine andere Möglichkeit, als der Erhöhung zuzustimmen. Man wisse nicht, in wie weit sich die Haushaltslage weiter verschlechtere. Er forderte, an das Thema grundsätzlich ranzugehen und Prioritäten zu setzen. Eine klare Zielrichtung, was einem nun wichtig sei in der Stadt, forderte auch Hans-Peter Alf (CDU).

Ein Nein zur Zusatzerhöhung gab es auch von Monika Hugger von der CDU. "Im Moment ist das einfach zu viel", erklärte sie mit Blick auf die allgemeinen Preissteigerungen. Hugger wies außerdem darauf hin, dass man mit einem weiteren Modellversuch in der nicht ausgelasteten Helios-Krippe Kosten einsparen könne. An den Abgeordneten Karrais gerichtet erklärte sie, dass der Landtag das richtige Gremium sei, um das Dilemma um die steigenden Kosten anzugehen. Dieser wiederum konterte, dass jeder der Parteien-Vertreter bei seinen Entscheidungsträgern in Bund und Land Druck machen müsse.

Parteien spielen sich gegenseitig aus

Peter Schellenberg von den Freien Wählern ärgerte sich, dass sich die Parteien gegenseitig ausspielen und letztlich nichts passiert. "Wer bestellt, der muss auch zahlen."

OB Broß betonte, man würde die Betreuung auch lieber kostenlos anbieten. Stattdessen würden die Kosten aber hier so stark steigen wie in keinem anderen Bereich.

Der Empfehlungsbeschluss an den Gemeinderat, der am 13. Juli darüber berät, fiel mit fünf Ja-, sieben Nein-Stimmen und vier Enthaltungen knapp gegen die Gebührenerhöhung aus. Den Vorschlag von Rasmus Reinhardt (CDU), die Erhöhung um 3,9 Prozent doch zu realisieren, eventuell aber auf Januar 2023 zu verschieben, will man sich im Gremium nochmal durch den Kopf gehen lassen. Reinhardt sieht auch eine Eigenverantwortung bei jedem Einzelnen, wenn es um die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern geht.