Spontan stellen die Mütter die Aktion auf die Beine. Foto: Kupferschmidt

Es ist ein ständiges Zerren: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber muss das wirklich so sein? Drei Mütter sind der Meinung, die Stadt könnte Familien das Leben erheblich erleichtern.

Rottweil - "Es ist frustrierend, ich bin der Meinung, das Betreuungsangebot in Rottweil ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Ann-Kathrin Rothfelder, während sie ihr Kindergartenkind auf dem Arm hält. Sie und Jeanette Bläsius sowie Miriam Andersen sind in aller erster Linie eins: total unzufrieden mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Rottweil.

Sie hetzen zwischen Arbeit und Kindergarten hin und her, würden am liebsten schon das Nudelwasser aufsetzen, während sie ihre Kinder abholen, um alle Aufgaben erledigen zu können – und die drei wissen, das geht nicht nur ihnen so. Um etwas zu ändern, haben die Mütter spontan eine Fotoaktion am Stadtgraben-Spielplatz ins Leben gerufen, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. Circa 20 Erwachsene nehmen mit ihren Kindern an der Aktion teil.

Betreuungszeiten sind unflexibel

Zum Anfang des Gesprächs stellt die Lehrerin eins klar: "Wir wollen nicht die Qualität der Betreuung kritisieren, sondern die Rahmenbedingungen". Aber was genau läuft in Rottweil so viel schlechter, als in anderen Städten? "Die Flexibilität und  durchgängige Öffnungszeiten ", so Rothfelder. Viele Eltern würden sich wünschen, dass die Betreuungszeiten am Nachmittag nach Bedarf ausgerichtet werden können. Außerdem sei das Anmeldeverfahren "extrem komplex".

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Kosten für die Kindergartenplätze. Diese seien in Rottweil teurer als beispielsweise in Hamburg oder in Stuttgart.

Über Sommer haben Kindergärten zu

In den Sommerferien haben die meisten Kindergärten in Rottweil geschlossen. Es gibt lediglich die Möglichkeit, die Kinder in einer Notbetreuung unterzubringen. Das heißt: mit unbekannten Erziehern und fremden Gesichtern. "Aber welches Elternherz bekommt das hin?", fragt sich Andersen. Über den Sommer müssen sich die Eltern mit der Betreuung also irgendwie abwechseln – oder die Großeltern helfen.

Die drei Mütter sind am Limit, eine große Erleichterung wäre es für sie schon, wenn ihre Kinder in der Betreuung ein Mittagessen bekommen würden. "Meine Kinder sind ab Januar in verschiedenen Kindergarteneinrichtungen untergebracht", so Rothfelder. Eine andere Möglichkeit habe es nicht gegeben. Die zusätzliche Fahrerei sei weiterer Stress. Bläsius: "Wir stehen unter Druck, die Frage ist auch, was macht das mit den Kindern?"

Erzieher stoßen an ihre Grenzen

Die Stadt rechtfertige sich oft mit den Kosten. "Aber ich bin der Meinung, Kinder sind eine Investition für die Zukunft", argumentiert Rothfelder. "Ich weiß, dass die Erzieher an ihre Grenzen stoßen", sagt Bläsius. Auch in dieser Branche sei der Personalmangel ein großes Problem. Man müsse den Beruf attraktiver machen, beispielsweise durch eine bessere Bezahlung.

In diesem Punkt könnte die Stadt Rottweil auch etwas verändern, so die Mutter. "Die Stadt muss sich Gedanken machen, wie sie Rottweil als Standort attraktiver macht, damit Erzieher nicht in andere Regionen gehen, um dort zu arbeiten." Den Personalmangel gehe die Stadt Rottweil aus ihrer Sicht noch nicht an.

Arbeitende Mütter haben oft mit Vorurteilen zu kämpfen

Julia Guhl hat mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf "total zu kämpfen", deswegen steht sie ebenfalls mit ihrem Mann am Stadtgraben-Spielplatz. Oft werde Müttern im ländlichen Gebiet vorgeworfen, dass sie ihre Kinder "abschieben wollen", um Karriere zu machen. Das sehe sie anders. Die Rottweilerin leitet und spielt Konzerte aus Leidenschaft. Um diesen Beruf ausüben zu können, hat sie jahrelang studiert. "Ich möchte mich schließlich in die Gesellschaft einbringen", sagt Guhl. "Die Stadt schneidet sich selbst ins Fleisch, wenn gut ausgebildete Fachkräfte wegen des Betreuungsangebots nicht arbeiten können."

Vielleicht, hofft Rothfelder, gibt es in Rottweil einen OB-Kandidaten, in dessen Wahlkampf Kinderbetreuung eine Rolle spielt.