Gastgeber und Ehrengäste: Das Bild zeigt (von links) Landstagspräsidentin Muhterem Aras, Albstadts Oberbürgermneister Klaus konzelmann, Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg und Berthold Franz Maria Schenk Graf von Stauffenberg, den Sohn und den Großneffen von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Fotos: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläumsvortrag: Angela Borgstedt spricht in Gegenwart der Landtagspräsidentin über den Widerstand

Mit einem Festvortrag der Historikern Angela Borgstedt im Lautlinger Stauffenberg-Schloss sind die Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestags des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 zu Ende gegangen. Ehrengast war Landtagspräsidentin Muhterem Aras.

Albstadt-Lautlingen. Lautlingen war die dritte und für diesen Tag letzte Station der "Gedenkstättenreise", welche die Landtagspräsidentin derzeit unternimmt – am Vormittag hatte sie zuerst in Buttenhausen das Geburtshaus des Zentrumspolitikers Mathias Erzberger besucht, der 1919 von rechtsradikalen Attentätern ermordet worden war, und danach in Grafeneck die Gedenkstätte für die Mordopfer der euphemistisch "Euthanasie" genannten Vernichtung "unwerten Lebens". In Lautlingen besichtigte sie am Nachmittag in Begleitung von Franz Ludwig und Berthold Franz Maria Schenk von Stauffenberg, dem Sohn und dem Großneffen von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die Gedenkstätte im Stauffenberg-Schloss.

In ihrer Ansprache am Abend bekannte Aras, dass dieser Tag sie tief bewegt habe: Menschen wie Graf Stauffenberg, Erzberger oder Heinrich Hermann, der Leiter der Taubstummenanstalt Wilhelmsdorf, der sich 1940 hartnäckig weigerte, die Meldebögen für die Deportation seiner Schützlinge zu unterschreiben, hätten in einer grausamen Zeit Mut bewiesen. Dieser Mut – und deshalb seien Gedenkstätten so wichtig – dürfe nicht in Vergessenheit geraten, denn er sei Vorbild für alle, die heute für die Würde des Einzelnen und der Gesellschaft einträten: "Wer Mut zeigt, macht Mut", zitierte sie Adolph Kolping – und schrieb den Satz später auch in das Goldene Buch der Stadt.

Menschen, die in den Jahren der Barbarei Mut zeigten und Widerstand leisteten, stellte anschließend Angela Borgstedt, Professorin an der Universität Mannheim und Geschäftsführerin der Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, vor. Der Begriff des Widerstands ist im Lauf der seit dem Kriegsende vergangenen Jahrzehnte mal enger und mal weiter gefasst worden; unmittelbar nach dem Krieg war, wie Borgstedt süffisant anmerkte, jeder zweite Deutsche Widerständler; in den 1950er- und 60er- Jahren dachte, wer das Wort in den Mund nahm, primär an den militärischen Widerstand und den missglückten Staatsstreich. Der Widerstand der Kleinen und Machtlosen, dessen Perspektive nicht der Umsturz, sondern allenfalls die Selbstbehauptung und die Bewahrung der eigenen Menschlichkeit war, geriet erst später, in den 70er-Jahren in den Blick. Um diesen Widerstand, der in Lautlingen zwangsläufig oft im Schatten der Staatsaktion von 1944 steht, ging es Borgstedt.

Für ihre Zuhörer war, was sie erzählte, erhellend wie selten ein Jubiläumsvortrag. Am Schicksal der Widerständler im Kleinen wurde sichtbar, welch ungeheuren Mut aufbrachte, wer sich der Diktatur widersetzte. Da waren die Arbeiter, die anfangs noch Fabriktore blockierten und Hakenkreuzfahnen herunterrissen, der Pfarrer, der das "Horst-Wessel-Lied" mit Glockengeläut zu übertönen versuchte, der Fischer, der die "Rote Fahne" über den Rhein schmuggelte, und die "Geislinger Mütter", die gegen die "braunen Schwestern" vom Kindergarten aufbegehrten. Da war der schon erwähnte Heinrich Hermann, der seine Unterschrift verweigerte, der katholische Geistliche, der den Anstifter einer Zwangssterilisation mit tödlichem Ausgang am offenen Grab als das bezeichnete, was er war, nämlich als Mörder, und da waren die württembergischen Pfarrfrauen, die in Abwesenheit ihrer zur Wehrmacht eingezogenen Männer Juden auf dem Dachboden, im Keller oder im Gartenhaus versteckten. Sie alle riskierten Gesundheit oder gar Leben, sie alle gaben Beispiele eines Muts, von dem sich Muhterem Aras erhofft, dass er seinerseits den Nachgeborenen Mut einflößen kann.

Mut verlangt tägliche Praxis –"genau wie das Zähneputzen"

Das letzte Wort hatten an diesem Abend diejenigen, auf die Aras vor allem hofft: die jungen Menschen. Auf zwei Bildschirmen wurde ein Video gezeigt, das Ebinger Gymnasiasten gedreht hatten. Es ging darin um Heldentum, um Tapferkeit, um Mut. Jenen Mut, der, so Angela Borgstedt, täglich praktiziert und eingeübt sein will – "wie das Zähneputzen."