Anders: Abi in Corona-Zeiten (Symbolbild)Foto: Kästle Foto: Schwarzwälder Bote

Abitur: Mit den Deutsch-Prüfungen an den Albstädter Gymnasien ist die erste Aufgabe erledigt / Folgeklassen haben es schwerer

Unter nie zuvor dagewesenen Vorzeichen haben für die Abiturienten die Reifeprüfungen begonnen. Die Gymnasien in Albstadt mussten diesmal besondere Bedingungen schaffen.

Albstadt-Ebingen. Glück im Unglück für das Gymnasium Ebingen: Weil 2020 nur die G8-Schüler Abitur machen – drei Viertel des Jahrgangs hatten sich beim Start in die fünfte Klasse für das neunjährige Gymnasium entschieden – treten nur 37 Schüler zum Abitur 2020 an, erklärt Schulleiter Christian Schenk. So war das räumliche Problem in Zeiten der Coronavirus-Pandemie ein lösbares für das Allgemeine Gymnasium: In der Mazmannhalle mit viel Abstand brüteten die Prüflinge am Mittwoch über dem Deutsch-Abitur – und fanden die Bedingungen "ganz okay", wie einige betonten. "Wegen des Sporthallenbodens müssten wir Überzieher an den Schuhen tragen, aber nur beim Gang zur Toilette oder wenn wir noch Papier holten, eine Maske aufsetzen", berichtet Lara Schiele. Weniger glücklich findet sie die Tatsache, dass sie während der Schulschließung keinen Online-Unterricht hatte. Catriona Rapp hingegen betonte: "Für mich war es vorteilhaft: In den Prüfungsfächern waren wir mit dem Stoff durch und ich konnte mich auf die Vorbereitung konzentrieren."

Direktor Schenk, der selbst einen Kurs von einem Lehrer aus der Risikogruppe übernommen hatte, hat zwei Gruppen von Typen ausgemacht: "Die einen fühlen sich gut vorbereitet, andere konnten sich schwer motivieren." Seine Schützlinge hatten am Montag mit der Spanisch-Prüfung angefangen. In der nächsten Woche folgen Englisch, Mathematik, Französisch, Gesellschafts- und Naturwissenschaften, ehe Latein am Freitag die schriftlichen Prüfungen beschließt.

Noch folgen werden die Kommunikationsprüfungen, in denen moderne Fremdsprachen mündlich – im Dialog mit einem Mitschüler oder einem Lehrer – getestet werden. "Sie wären eigentlich am 16. März gewesen", so Schenk. Nun dehnten sie die Prüfungsphase nach hinten aus.

Deutsch haben die jungen Erwachsenen aber erst mal hinter sich: "Die Aufregung war schlimm", berichtet Catriona Rapp hinterher erleichtert. "Aber meine Mama hat mich in den Arm genommen und gesagt: ›Egal was ist – ich bin stolz auf Dich!‹"

Neben ihr ertönt ein Jubelschrei: Eine Abiturientin hat auf der anderen Straßenseite ihren Freund entdeckt und rennt zu ihm, der sie fröhlich in die Arme schließt. Lara Schiele wird von ihrer Mutter abgeholt und strahlt sie an: Es scheint gut gelaufen zu sein beim Essay zum Thema "Meine Handschrift – meine Visitenkarte", das sie dem Vergleich zwischen Hermann Hesses "Steppenwolf" und E.T.A. Hoffmanns "Der goldene Topf", Goethes "Faust", einem Gedichte-Vergleich und der Interpretation eines Kurzprosa-Textes vorgezogen hat. Sarah Stötzner hat sich für Letztere entschieden und resümiert: "Die Geschichte war nicht gut. Man konnte da wenig rausholen."

Wieder G8? Die Meinungen sind geteilt

Würden sich die Schülerinnen wieder für G8 entscheiden? Da sind die Meinungen geteilt: Carina Wißmann und Sarah Stötzner schon. Anina Stauer sieht auch die Nachteile: "Mein kleiner Bruder macht G9 und hatte in der siebten Klasse noch gar keinen Nachmittagsunterricht", sie hingegen schon, und zwar reichlich.

Auch die Abiturienten an den beiden beruflichen Gymnasien Albstadts sind mit den Prüfungsbedingungen offenbar gut zurecht gekommen. An der Walther-Groz-Schule waren sie auf zwei Klassenräume verteilt; für die Lehrer bedeutete das doppelten Personalaufwand – vier – bei der Aufsicht, für die Schüler machte es keinen großen Unterschied.

Der äußere Rahmen der Prüfung war in Ordnung, befanden die Schülerinnen, die nach Torschluss das Schulgebäude verließen – die Damen waren am Ende praktisch unter sich, dem Vernehmen nach, weil die jungen Herren sich im Aufsatz gerne kurz fassen und früher fertig werden.

Nur 24 der 73 Abiturienten des hauswirtschaftlichen Gymnasiums wurden in Deutsch geprüft, so dass ein Doppelklassenzimmer reichte, wie Schulleiter Wolfgang Wunder berichtet. Eine Risiko-Gruppe habe in einem Extra-Raum geschrieben. Wenn am Freitag in den Profilfächern aber alle 73 antreten, seien fünf Räume, darunter das Doppelklassenzimmer, nötig. "Wir haben nicht nur Abiturprüfungen", erklärt Wunder. "Auch die Schüler zweier weiterer Schularten legen aktuell ihre Abschlussprüfungen ab." Dafür kämen allerdings die Folgeklassen erst nach Pfingsten wieder zum Präsenzunterricht.

Allerdings ist der Prüfungsrahmen nicht alles. Mit der Prüfungsterminierung waren die Schülerinnen nicht so zufrieden; dass die Matheprüfung am Dienstag über die Bühne geht, also unmittelbar auf Englisch folgt, empfinden sie als Zumutung – zwar sind sie nicht tangiert, weil man entweder Deutsch oder Englisch, aber nicht beides schreiben kann, aber sie zeigten sich solidarisch im Unmut.

Richtig ärgerlich finden sie jedoch die Umstände der Prüfungsvorbereitung: die durch Home Office des Vaters und multiplen digitalen Unterricht überbeanspruchte WLAN-Verbindung zu Hause, die quengelnde kleine Schwester im Hintergrund und in der Schule der ständige Pendelverkehr des Lehrers zwischen der einen und der anderen Hälfte seiner auf zwei Zimmer verteilten Klasse. Nie sei er da gewesen, wenn man eine Frage gehabt habe; so manches sei unverstanden geblieben – "nicht mal die Einser-Kandidaten haben es kapiert. Das war kein Unterricht."

Die Prüfungsphase ist nicht kürzer als sonst

Im Gespräch mit Uwe Rütschle, dem kommissarischen Konrektor der Walther-Groz-Schule, relativiert sich das eine oder andere. Nein, widerspricht er freundlich, die Prüfungsphase sei nicht kürzer als in früheren Jahren, und dass das Kultusministerium irgendwann günstigere Notenschlüssel und leichtere Prüfungsaufgaben zur Kompensierung der schlechteren Unterrichtsbedingungen angeboten hätte, hört er zum ersten Mal. Das Problem, dass die Stoffvermittlung mehr Zeit in Anspruch nehmen kann als gewünscht und die eigentliche Prüfungsvorbereitung, die finale Trainingseinheit, dabei buchstäblich zu kurz kommt, kennt er – aber es ist kein Corona-spezifisches: "Das haben frühere Jahrgänge auch erlebt: Eine längere Krankheit, und schon ist es passiert."

Also alles halb so wild? Nein, dass die diesjährigen Abiturienten es schwer haben, räumt Rütschle gerne ein. Aber die eigentlichen Leidtragenden der Pandemie seien sie nicht – die nach ihnen kommen, die diesjährigen Zwölftklässler, werde die Krise wesentlich härter treffen. Der Abijahrgang 20 sei mit dem Stoff weitgehend durch gewesen, die diesjährigen Zwölfer dagegen habe der Lockdown weit zurückgeworfen. "Der Lehrplan ist so eng getaktet; es wird ganz schwierig, den Rückstand wieder aufzuholen." Zumal für diejenigen Schüler, die im Ausstand der Versuchung nachgeben, die Flügel hängen zu lassen. "Wer jetzt nichts tut, für den wird es im nächsten Schuljahr ein böses Erwachen geben."